Der Tarifkonflikt im kommunalen Nahverkehr TV-N in Baden-Württemberg hat sich gestern in der dritten Runde nochmals deutlich verschärft. Ein Angebot von ver.di, die Warnstreiks zu pausieren und im Gegenzug die Zahlung des vollen Weihnachtsgeldes zu garantieren, hatten die Arbeitgeber, der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV), abgelehnt. Das Weihnachtsgeld ist im TV-N bisher auf 100 Prozent des Bruttoentgeltes festgelegt, fiel aber durch die Kündigung auf 82 Prozent ab, weil die Nachwirkung ausgeschlossen ist.
Ein eigenes Angebot legte der KAV erneut nicht vor. Zusätzlich wurden die Gespräche belastet, weil der KAV während noch laufender Verhandlungen den Medien gegenüber behauptete, die Gespräche seinen ergebnislos beendet worden.
Andreas Schackert, ver.di Verhandlungsführer: „Es ist inzwischen eindeutig, dass die Arbeitgeber den Tarifkonflikt weiter in den Corona-Herbst verschleppen wollen, um so eine Gegenwehr zu verhindern. Eine Streikpause lehnen sie ab, während gleichzeitig Oberbürgermeister und SSB-Aufsichtsratsvorsitzender Fritz Kuhn öffentlich eine Aussetzung der Warnstreiks fordert. Wir waren gestern bereit, einen großen Schritt auf die Arbeitgeber zu zugehen und die Bevölkerung weniger zu belasten. Das will der KAV offensichtlich nicht. Aber auch die Arbeitgeber wissen, dass mit diesen Arbeitsbedingungen dringend benötigte Fahrerinnen und Fahrer nicht gewonnen werden können. Schon jetzt stehen zusätzliche Schulverkehre wegen Corona aufgrund des Fahrermangels in Frage.“
ver.di wird am Montag in der Tarifkommission über weitere Schritte beraten.
„Allein der KAV trägt nun die Verantwortung für eine zu diesem Zeitpunkt völlig unnötige Eskalation des Konflikts“, so Schackert.
Bereits in den Tarifverhandlungen am 16. September für die rund 6.400 Beschäftigten im kommunalen ÖPNV hatten die Arbeitgeber zum Abschluss der Gespräche in Stuttgart statt einem Angebot zwei Seiten mit Vorschlägen für Verschlechterungen des Tarifvertrages vorgelegt. Damit sollen die Forderungen von ver.di gegenfinanziert werden. ver.di hatte, nachdem der KAV nicht bereit war, diese Liste zurückzunehmen und in konstruktive Gespräche einzusteigen, bereits zu Warnstreiks aufgerufen. Dabei wurden bisher die VBK (KA) und die Verkehrsbetriebe Baden-Baden jeweils dreimal, SSB, SVE (ES) und Verkehrsbetriebe der Stadtwerke Heilbronn jeweils zweimal und die VAG (FR) und die Verkehrsbetriebe der Stadtwerke Konstanz jeweils einmal bestreikt.
In der dritten Verhandlung hat ver.di mehrfach ein Angebot des Arbeitgebers eingefordert. Als dies ausblieb, bot ver.di an, im Rahmen der landesweiten Verhandlungen bis zum 3. November nicht zu streiken. Auch für die parallel laufenden bundesweiten Tarifrunden zu Entgelt und Rahmenbedingungen wurde eine Beschränkung auf maximal zwei Streiktage in Summe angeboten. Der Arbeitgeber wollte stattdessen die Tarifrunde ohne jegliche Verbesserung beenden. Der KAV kritisierte die Zahl der Forderungen ohne auf eine einzige mit einem Angebot zu reagieren. Die Arbeitgeber legten stattdessen konkrete Gegenforderungen vor, darunter auch Arbeitszeitverlängerungen.
Die Gewerkschaft will für die rund 8.600 Beschäftigten im kommunalen Nahverkehr in Baden-Württemberg (TV-N und RNV) unter anderem Entlastungstage, deutlich bessere Überstundenregelungen sowie die Anhebung des Urlaubsgeldes erreichen. Im TV-N geht es daneben auch um kürzere Arbeitszeiten, bei der RNV um die Aufwertung der gewerblichen Berufe.
Bereits am Mittwoch fand die ebenfalls dritte Runde bei der RNV statt, auch dort gab es kein Angebot.
In Baden-Württemberg gilt der TV-N für rund 6.400 Beschäftigte in sieben kommunalen Verkehrsbetrieben in Stuttgart, Karlsruhe, Baden-Baden, Freiburg, Konstanz, Esslingen und Heilbronn. Der Haustarifvertrag bei der RNV gilt für 2.200 Beschäftigte in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen. Insgesamt werden in den acht Verkehrsunternehmen weit über eine Million Kundinnen und Kunden pro Tag befördert.
ver.di hat zeitgleich den VKA zu bundesweiten Verhandlungen für mehr als 87.000 Beschäftigte in kommunalen ÖPNV-Unternehmen aufgefordert, auch um bundeseinheitliche Standards durchzusetzen. Dies hat die VKA abgelehnt. Auch hier fanden bereits Warnstreiks statt.
Schon seit Jahren herrscht – auch aufgrund der hohen Belastung durch die Verantwortung am Steuer und den Schichtdienst – massiver Fachkräftemangel in der Branche, insbesondere Busfahrer*innen werden überall dringend gesucht. Bis 2030 werden bundesweit rund 100.000 neue Beschäftigte benötigt.
Weitere Informationen:
https://bawue.verdi.de/lbzbw/++co++80b94aa6-eb7a-11ea-a388-001a4a160100
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg