Mit einem offenen Brief richten sich die Betriebs- und Personalräte der privaten und kommunalen ÖPNV-Unternehmen aus der gesamten Bundesrepublik an Bundesfinanzminister Scholz und Bundesverkehrsminister Scheuer. Zu den bundesweit 150 Erstunterzeichner*innen gehören auch 19 Vorsitzende von Betriebsräten, Personalräten und Jugend- und Auszubildendenvertretungen aus Verkehrsunternehmen in Baden-Württemberg. Sie fordern ein Notfallprogramm des Bundes zum Ausgleich der Lockdown-bedingten Einnahmeverluste und zur Sicherung der Beschäftigung. Die Einnahmenrückgänge in den Verbünden und Unternehmen liegen zwischen 60 und 90 Prozent. Je nach Entwicklung der Infektionszahlen sei damit zu rechnen, dass sich dies über längere Zeit fortsetzen wird. Hinzu kommen höhere Kosten für Reinigung, Gesundheitsschutz sowie mehr Personal und Fahrzeuge um das empfohlene Distanzgebot zu ermöglichen. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen rechnet deshalb für 2020 mit Ausfällen bis zu sieben Milliarden Euro bundesweit.
Im VVS (Region Stuttgart), in Heilbronn oder Ulm sind die Fahrgastzahlen in den vergangenen Wochen zeitweise um mindestens 80 Prozent gesunken, im KVV (Region Karlsruhe) mindestens um 75 Prozent. Viele Unternehmen oder Kommunen als Aufgabenträger oder Betreiber könnten diese Ausfälle nicht verkraften und auch Hilfskredite in dieser Größenordnung niemals abbauen, so die Arbeitnehmervertreter*innen.
„Jeder Beschäftigte, der jetzt geht, jedes Unternehmen, das jetzt schließt, fehlt uns, wenn der ÖPNV in Kürze wieder normal laufen soll und muss. Und erst recht für den weiteren Ausbau, den wir für mehr Klimaschutz dringend brauchen“, so Andreas Schackert, Landesfachbereichsleiter Verkehr bei ver.di Baden-Württemberg.
Das gilt in Baden-Württemberg wie im Rest der Republik. Die Betriebsräte, die unterzeichnet haben, vertreten alle kommunalen ÖPNV-Betriebe in Baden-Württemberg, die landeseigene SWEG, Unternehmenstöchter der Bahn oder von transdev sowie wichtige Privatunternehmen aus Ludwigsburg, Göppingen oder Esslingen.
Um einen Zusammenbruch des Systems öffentlicher Mobilität zu verhindern, braucht der ÖPNV zum Ausgleich der aktuellen Einnahmeverluste ein Notfallprogramm des Bundes.
Schackert warnt: „Einfach Geld ausschütten hilft nicht. Die Unternehmen müssen im Gegenzug die Sicherung der Arbeitsplätze und des Einkommens der Beschäftigten gewährleisten und tarifgebunden sein. Einsparungen sind gegenzurechnen. Nur so erreichen wir die Unternehmen, auf die der ÖPNV sich auch in Zukunft verlassen kann.“
Die Beschäftigten im ÖPNV erlebten derzeit wirtschaftliche Unsicherheit durch die dramatische Finanzierungslücke, die sich auftut, und zugleich zunehmende Belastung.
„Vor Ostern kam in vielen Betrieben Kurzarbeit auf die Agenda. Heute wird vielfach schon wieder der Standardverkehr gefahren. Zwischendurch wurden Sondereinsätze für Pflegepersonal oder zum Transport Infizierter eingelegt. Häufige Änderungen der Dienstplanung belasten das Privatleben. Jeden Tag unterwegs zu sein, trotz Infektionsrisiko, belastet zusätzlich. Viele Beschäftigte gehören noch dazu zu Risikogruppen, der Altersdurchschnitt in der Branche liegt bei 49 Jahren“, so Schackert.
Für die Betriebs- und Personalräte geht es auch um die Zukunft, wie sie in ihrem offenen Brief betonen:
Schackert: „Die Frage ist unserer Meinung nach, was uns öffentliche Mobilität und Daseinsvorsorge jetzt und in Zukunft wert sind. Wollen wir weiterhin den ÖPNV stärken und ausbauen, um die Klimaschutzziele zu erreichen? Dann müssen jetzt die Weichen für die Zukunft gestellt werden.“
Link zum offenen Brief mit Unterzeichnenden: https://verkehr.verdi.de/themen/nachrichten/++co++aacbbb16-8947-11ea-8775-001a4a160119
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg