ver.di Baden-Württemberg fordert die Landesregierung und den Landtag, insbesondere Ministerpräsident Kretschmann und seinen Stellvertreter Innenminister Strobl, sowie Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut und Sozialminister Lucha, auf, ab sofort dem Schutz der abhängig Beschäftigten in der Corona-Krise oberste Priorität zu geben.
Martin Gross, ver.di Landesbezirksleiter: „Bis jetzt stand die Unterstützung der Wirtschaft im Fokus der Politik. Und was hier geleistet wurde, unbürokratisch und schnell, welche Summen bereitgestellt wurden, hilft unserer Wirtschaft durch diese Krise. Wir stehen hinter diesen Maßnahmen. Wir brauchen eine funktionierende Wirtschaft, in der Krise und nach der Krise. Mit jedem geretteten Unternehmen, egal ob groß oder klein, werden Arbeitsplätze von Beschäftigten in Baden-Württemberg gesichert. Unser Dank gilt dabei ausdrücklich auch den Kolleginnen und Kollegen in den zuständigen Ministerien, die gerade rund um die Uhr alles möglich machen, was es hierfür braucht.“
ver.di im Land fordert, dass die Landespolitik aber nun endlich auch die Folgen für die abhängig Beschäftigten in den Mittelpunkt der Anstrengungen rückt. Dabei geht es um den Schutz und die Unterstützung derer, die jetzt noch in der systemkritischen Infrastruktur arbeiten müssen, sowie um die existenzielle Sicherung derer, die durch Kurzarbeit oder Kündigung ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen können und dürfen.
Gross: „Die Beschäftigten in den Kliniken, in den Pflegeheimen und –diensten kämpfen für uns an vorderster Front gegen die dramatischen Folgen der Pandemie. Was sie brauchen ist Schutz vor Ansteckung und Schutz vor einem drohenden Kollaps. Die Landesregierung muss verhindern, dass das Arbeitszeitgesetz für die Beschäftigten durch die drohenden Öffnungsklauseln vollständig außer Kraft gesetzt wird. Alle im Gesundheitsbereich sowie in den sozialen Diensten arbeiten derzeit absolut am Limit. Ohne ausreichende Erholungszeiten werden sie sehr bald völlig erschöpft sein.“
Die zentrale Säule in der Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern ist der Lebensmitteleinzelhandel.
Gross: „Die Beschäftigten schuften seit Wochen am Anschlag. Wir sehen die Anstrengungen, sie besser vor Infektionen zu schützen. Es fehlt aber immer noch in vielen Läden die dafür notwendige Schutzausrüstung. Gut, dass die Landesregierung konkrete Schutzmaßnahmen für den Handel gestern verbindlich vorgeschrieben hat. Allerdings mit der für Betroffene bitteren Einschränkung „insofern verfügbar“.
Wir begrüßen, dass Politik und einige Arbeitgeber die großartige Leistung der Beschäftigten im Lebensmittelhandel nun auch materiell mit steuerfreien Prämien oder Warengutscheinen anerkennen wollen.
Selbstverständlich werden sich die Beschäftigten in den Lebensmittel-Märkten freuen, wenn ihr Einsatz unter den aktuell extrem erschwerten Bedingungen nicht nur mit warmen Worten, sondern auch materiell gewürdigt wird. Angesichts von Umsatzsteigerungen im baden-württembergischen Lebensmitteleinzelhandel von über zwanzig Prozent, sind die bisher von Unternehmen genannten Summen aber nicht mehr als ein Nasenwasser. Politik und Arbeitgeber: Setzt euch zusammen und findet eine Lösung, die spürbar zeigt, wie wertvoll für uns alle die Arbeit der Beschäftigten im Handel gerade ist. 500 Euro monatlich sind dafür die richtige Größenordnung und absolut angemessen.“ Die Wertschätzung dieser „Heldinnen des Alltags“ dürfe sich jedoch nicht mit den angekündigten Sonderprämien erschöpfen, so Gross weiter: „Die meisten Einzelhandelsbeschäftigten rackern im Niedriglohnbereich und ihre Einkommen reichen kaum aus, eine Familie zu ernähren und schon gar nicht für eine auskömmliche Altersrente. Sie brauchen deutlich höhere Löhne und den Schutz von Tarifverträgen.“ Wegen der grassierenden Tarifflucht in der Branche fordert die Gewerkschaft seit Jahren, dass die Tarifverträge des Einzelhandels wieder durch Allgemeinverbindlichkeitserklärungen in der ganzen Branche durchgesetzt werden. „Löhne und Arbeitsbedingungen dürfen nicht länger Instrumente im Verdrängungswettbewerb im Einzelhandel bleiben so Gross.
Zentraler Punkt eines Kurswechsels der Schutzpolitik muss die existenzielle Sicherung der von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten sein. Weil es der großen Koalition nicht gelungen ist, gegen die Widerstände der Arbeitgeber und Teile der Union durchzusetzen, dass wenigstens ein Teil der Entlastung der Arbeitgeber bei den Sozialversicherungsbeiträgen bei den betroffenen Beschäftigten als Aufstockung ankommt, drohen nun Hunderttausenden im Land existenzielle Einkommensverluste. Der Wegfall der Vermögensprüfung bei der Beantragung von Grundsicherung sowie die Stundung von Mietzahlungen lösen die Probleme nicht.
Gross“ Wer jetzt seine Miete nicht mehr zahlen kann, weil das Geld nicht mehr reicht, wird nicht in ein paar Monaten die angesammelten Mietschulden zurückzahlen können.“.
ver.di Baden-Württemberg und die Betriebsräte im Land verhandeln deshalb gerade in etlichen Betrieben Regelungen zur Kurzarbeit, die Aufstockungen beinhalten.
Gross: „Es wird aber nicht überall gelingen, angesichts der Drohungen der Arbeitgeber mit Kündigungen, Aufstockungen zu erreichen. Hier darf die Landespolitik die Arbeitgeber nicht aus ihrer Verantwortung für ihre Beschäftigten entlassen. Im Notfall muss Betroffenen aber auch vom Land geholfen werden.“
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg