Sich miteinander unterhalten, heißt für manche immer nur zuzuhören, was die anderen über sich und ihre Familie erzählen. Keine Chance zu haben, von sich und seinen Themen zu erzählen. Im ungünstigsten Fall unterhalten sich zwei, einer erzählt immer nur von sich, der andere nie etwas von sich. Das ergibt dann ein sehr einseitiges Gespräch. Wahrscheinlich fühlen sich beide danach nicht sehr wohl. Der „Erzähler“ hat vielleicht das Gefühl, nichts Neues erfahren zu haben. Der „Zuhörer“ hat vielleicht das Gefühl, selbst gar nicht vorzukommen.
Es stellen sich für beide Typen Fragen: Wie sehr lassen wir uns wirklich aufeinander ein? Wie weit ist die „Welt“ für mich? Hört die „Welt“ dort auf, wo sie für mich fremd wird?
Evolutionsbiologen meinen, dass wir uns lediglich auf Beziehungen zu Menschen zwischen 50 und 100 Personen einstellen können, auf eine größere Zahl ist unser Gehirn einfach nicht ausgelegt. Unsere prähistorischen Vorfahren lebten in diesen Gruppengrößen. Auch unser Gehirn ist für diese Größe ausgelegt.
So sind wir einerseits auf relativ kleine Gruppengrößen angelegt, andererseits leben wir aber heute in einer globalisierten Welt. Wir leben in einer konkreten Stadt, in einem konkreten „Flecken“, sind aber auch Teil der ganzen Welt. Wir leben in der Gegenwart und sind trotzdem Teil der Menschheitsgeschichte. Wir versuchen die Natur zu beherrschen und sind doch Teil von ihr.
Einerseits leben wir in Grenzen, andererseits sind diese Grenzen meist künstlich, von uns gemacht. Wir denken häufig noch in Sippen, Stämmen und Regionen; wir denken zu sehr nur an unsere Generation und an unsere unmittelbare Umgebung.
Jesus bittet seinen Vater, dass alle eins sind, wie sie – der Vater und er – eins sind.
„Eins sein“ meint für uns Menschen, das Teilen von positiven Emotionen: Das miteinander Lachen, das gemeinsame Singen, das aufeinander hören, das gemeinsame sich freuen. „Eins sein“ meint weiter, dass wir alle aus dem gleichen „Material“ sind, aus derselben „Quelle fließen“. „Eins sein“ ist die gefühlte Geschwisterlichkeit, die die Grenzen der Gruppen, Regionen und der Generationen überwindet.
„Eins sein“ meint gerade nicht gleich sein. „Eins sein“ heißt ausgeprägt verschieden sein.
Josef Priel