Sonntagsgedanken: Der Ruf der Freiheit

Keiner weiß, ob Martin Luther am 31. Oktober 1517 an der Wittenberger Schlosskirche tatsächlich selbst den Hammer geschwungen hat und seine Thesen zu Buße und Ablass an die Tür genagelt hat. Aber ganz sicher ist es, dass diese Thesen die Initialzündung zur Reformation waren!

Geplant hatte Luther die Reformation nicht. Aber seine Gedanken verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Die Menschen verstanden, dass hier etwas völlig Neues und Revolutionäres passierte. Da behauptete einer, dass man von Gott angenommen werde – ganz ohne Ablassbriefe oder andere Leistungen. Die Drohung mit Hölle und Fegefeuer hatte ihre Macht verloren. Da erklang der Ruf der Freiheit!

Eine gewaltige Entwicklung ist von diesem Ereignis vor 500 Jahren ausgegangen. Die evangelischen Kirchen sind entstanden – mit allen – auch negativen – Nebenwirkungen. Tatsächlich war die Reformation eine Freiheitsbewegung, die bis in unsere Gegenwart hineinreicht. Menschen haben begonnen, sich nicht mehr auf Autoritäten zu verlassen, sondern haben sie in Frage gestellt. Und so folgte nach der Reformation die Aufklärung, nach der Aufklärung kamen die Freiheitsbewegungen der Neuzeit.

Freiheit ist allerdings immer auch gefährdet gewesen. Menschen haben einerseits Freiheit gesucht, sich aber zugleich vor ihr gefürchtet. Deshalb haben zu allen Zeiten die Demagogen und Volksverführer Menschen umgarnt und ihnen ihre Freiheit wieder genommen. Nach den Diktatoren des 20. Jahrhunderts scheinen nun, im 21. Jahrhundert, die Demagogen und Populisten am Werk zu sein. Egal, ob sie Erdogan, Trump oder sonstwie heißen: sie verleiten Menschen dazu, ihnen blind zu vertrauen. Ohne zu merken, dass ihnen dabei ihre Freiheit verloren geht. Am Ende stehen womöglich Tyrannei und Diktatur!

Umso wichtiger ist es heute, den Ruf der Freiheit neu zu hören. Seine Wurzeln hat er in der Bibel. Jesus selbst steht für diese Freiheit. Er redete von Gott, der Menschen frei macht von Angst und Schuld. Und er war selbst frei, weil er sich ganz mit Gott verbunden wusste. Er war frei, klare Worte zu sagen, ein klares Ja und Nein. Er war aber auch frei, sich ganz für Menschen einzusetzen und sogar sein eigenes Leben für sie hinzugeben. Freiheit ist nämlich nie Selbstzweck. Zur Freiheit gehört immer auch die Verantwortung für andere.

Unter dem Motto „Freiheit und Verantwortung“ feiert der Evangelische Kirchenbezirk Göppingen das Reformationsjubiläum. Lassen Sie sich einladen – feiern Sie mit!

 

Dekan Rolf Ulmer, Göppingen

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