Sonntagsgedanken: Mit Kompromissen leben

Als Familie haben wir es uns zur Gewohnheit gemacht, uns immer mal wieder zusammenzusetzen um über das zu reden, was alle Familienmitglieder betrifft. Sei es wie wir mit den Aufgaben im Haushalt umgehen wollen oder ob und wie wir gemeinsam Urlaub machen wollen oder wie wir gemeinsam Feiertage gestalten wollen…. Wir nennen das „Familienkonferenz“. Jeder darf seine Themen, die er besprechen will, angeben und dann werden die Themen besprochen. Früher trafen wir uns regelmäßig – einmal pro Woche – zur Familienkonferenz. Eines der spannendsten Themen waren gemeinsame Unternehmungen. Hier zeigte sich, wie unterschiedlich unsere Vorstellungen von zum Beispiel gemeinsamem Urlaub waren. Der eine wollte unbedingt ins Hotel, der andere campieren, der dritte ans Meer und wieder ein anderer möglichst nicht weit fahren.

Anfänglich versuchte ich mich aus kontroversen Diskussionen herauszuhalten, mir war Einigkeit zu wichtig. Doch es gelang trotzdem fast nie, alle auf eine gemeinsame Linie zu bringen. Zu unterschiedlich waren die Interessen. Wir versuchten zwar etwas zu finden, das allen Wünschen gerecht wurde, aber das gelang nie richtig.

Inzwischen haben wir gelernt. Heute sind wir der Überzeugung, dass die meisten gemeinsamen Aktionen und Projekte nur gut gelingen können, wenn wir Kompromisse schließen. Dabei kann und soll jeder seine Wünsche und Ideen sagen, dann schauen wir, was „hinter“ den Vorstellungen der andern für Bedürfnisse stecken, welche guten Anliegen zu seiner Vorstellung geführt haben und schließlich versuchen wir die Anliegen der einzelnen in einem Kompromiss aufzugreifen.

Was in der Familie gilt, kann auch für andere Gemeinwesen gelten. Überall dort, wo Menschen zusammenkommen, treffen unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Vorstellungen aufeinander, in Gemeinden, Verbänden ja in allen Sozialsystemen. Auch hier kann gutes Zusammenleben nur gelingen, wenn wir bereit sind Kompromisse zu schließen. Wenn wir versuchen, das, was hinter den Anliegen für Bedürfnisse und Vorstellungen stecken zu verstehen. Wenn wir lernen, Abschied zu nehmen von unserer Illusion, dass man seinen Willen durchsetzen muss. Gleichzeitig muss jeder sich mit seinen Vorstellungen einbringen und die Gründe für seine Interessen erläutern. So kann unser Gemeinwesen reifen und wachsen und die Zugehörigkeit aller fördern.

Politik ist ein wichtiges Feld welches unser Gemeinwesen regelt. Auch hier muss man bereit sein, sich auf Kompromisse einzulassen. Auch hier gibt es keine Lösung, die allen gleichermaßen schmeckt, auch hier geht es darum, sich einzubringen und seine Anliegen und Werte zu vertreten. Auch hier gehört es dazu, hinter den geäußerten Zielen die dahinterliegenden Anliegen zu verstehen.

Eine für alle gute menschliche Zukunft kann nur gelingen, wenn wir uns als Teil der Gesellschaft verstehen. Wenn wir versuchen, uns zu verstehen und immer neu damit anfangen.

Josef Priel

Westerheim

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