NABU, LNV und BUND fordern Qualitätsoffensive / Naturverträgliche Energiewende braucht verlässliche Gutachten

NABU, BUND und LNV haben heute (7.9.) das Ergebnis ihres Qualitäts-Checks von Windenergiegutachten vorgestellt. Die drei großen Natur- und Umweltschutzverbände hatten artenschutzrechtliche Gutachten, die bei der Genehmigung von Windenergieanlagen eine Schlüsselrolle spielen, einer umfangreichen Prüfung unterzogen.

„Das Ergebnis unserer Prüfung ist ernüchternd“, sagt der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle. „Leider hat sich unser Anfangsverdacht bestätigt, dass die Gutachten teilweise in erheblichem Umfang methodische Mängel aufweisen.“ Die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender kritisiert: „Im Einzelfall reichen die Gutachten nicht aus, um eine fundierte naturschutzfachliche Bewertung möglicher Standorte für Windenergieanlagen vorzunehmen. Und die Genehmigungsbehörden in den Landratsämtern prüfen sie nicht genügend und genehmigen zu lasch.“ Die Landes-Chefin des BUND fordert: „Damit die Gutachten in der Praxis auch wirklich wirksam sind, müssen die Behörden in Zukunft Nachbesserungen von den Betreibern einfordern.“

Gutachten als Schlüssel zur Bewertung von Windenergievorhaben

Die artenschutzrechtlichen Gutachten sind der Schlüssel für die Bewertung, ob der Bau einer Windenergieanlage am geplanten Standort mit dem Natur- und Artenschutz in Einklang gebracht werden kann oder nicht. Damit bilden sie die Grundlage dafür, ob die Behörden eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zum Bau erteilen oder verweigern. Anhand einer Stichprobe von acht Genehmigungsverfahren haben BUND, LNV und NABU geprüft, ob die Vorgaben der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) bei der Erstellung dieser Gutachten eingehalten worden sind oder nicht. Dabei kam eine umfangreiche Checkliste mit rund 100 Prüfkriterien zum Einsatz.

Keine einheitliche Anwendung der LUBW-Standards

Als häufigsten Mangel bezeichnen die Verbände, dass Gutachter*innen bei der Datenerhebung die anerkannten und empfohlenen Methoden der LUBW nicht konsequent anwenden. „In den LUBW-Richtlinien ist zum Beispiel festgelegt, wie oft und nach welcher Zählmethode Vögel und Fledermäuse erfasst werden müssen. Hält sich der Gutachter oder die Gutachterin ohne plausible Begründung nicht an diese Vorgaben, sind die Daten nicht stichhaltig und das ganze Gutachten ist infrage gestellt“, erklärt der LNV-Landesvorsitzende Gerhard Bronner. Häufig werden auch Beobachtungsdaten Naturschutz-Aktiver vor Ort entgegen der LUBW-Vorgabe nicht ausreichend berücksichtigt. „Die Erhebungen ausgewiesener Gebietskenner*innen zu ignorieren, ist mehr als ein Versäumnis.“

Personalaufstockung in Naturschutzverwaltung notwendig

„Obwohl diese Defizite für geschultes Personal leicht zu erkennen wären, wurden sie von den Genehmigungsbehörden bei den Landratsämtern häufig nicht beanstandet. Entweder hat man bewusst weggeguckt oder wir haben ein Problem beim Personal“, sagt der NABU-Landesvorsitzende Enssle. Den zuständigen Mitarbeiter*innen in den Landratsämtern fehle häufig die Zeit, um der Fülle an Aufgaben gerecht zu werden. Außerdem habe gerade vor dem Jahreswechsel ein enormer Druck auf ihnen gelastet, noch möglichst viele Verfahren zu genehmigen. Die Betreiberfirmen hatten den Behörden teilweise mit Klagen gedroht, da seit Januar 2017 geänderte Vergütungsregelungen für Windräder gelten. „Das zeigt, wie wichtig die Personalaufstockung im Umwelt- und Naturschutzbereich auf der unteren und mittleren Verwaltungsebene ist“, betont Enssle.

Naturverträgliche Energiewende braucht Qualitätsoffensive

Die Landesvorsitzende des BUND Dahlbender betont, dass die drei Umweltverbände den Ausbau der Windenergie begrüßen, dieser jedoch nur naturverträglich vonstattengehen könne, wenn sich alle an die vereinbarten Standards hielten: „Wir fordern eine Qualitätsoffensive bei der Erstellung von Artenschutzgutachten. Das Umweltministerium sollte durch einen Erlass die Genehmigungsbehörden dazu bringen, die LUBW-Hinweise zu beachten. Denn unser Gutachten-Check hat gezeigt, dass der bloße Hinweis des Ministeriums auf freundliche Berücksichtigung seitens der Landratsämter nicht ausreicht. Gleichzeitig gilt es in die Fort- und Weiterbildung von Behördenmitarbeiter*innen zu investieren“, erläutert Dahlbender. „Die Gutachterbüros sind in der Pflicht, durch eigene Qualitätsstandards dafür zu sorgen, dass fachliche und rechtliche Vorgaben eingehalten werden“, betont Bronner. „Daran müssen die Landesregierung und die Betreiberfirmen, vor allem aber die Gutachter selbst, ein großes Interesse haben. Denn wer von vornherein gute Gutachten macht, spart hinterher Zeit und Geld, weil dadurch langwierigen Klagen vorgebeugt wird“, ergänzt Enssle.

Hintergrund:

Beim Windenergiegutachten-Check haben die drei Natur- und Umweltschutzverbände BUND, LNV und NABU eine Stichprobe von acht aus insgesamt 24 Genehmigungsverfahren geprüft, die im November und Dezember 2016 von den Landratsämtern genehmigt und den Verbänden übermittelt worden sind. Im gesamten Jahr 2016 wurden rund 45 Verfahren zur Genehmigung von Windenergieanlagen abgeschlossen. Mit acht Verfahren haben die Verbände in ihrem Gutachten-Check knapp 18 Prozent davon auf den Prüfstand gestellt. Da das Ziel der Verbände eine strukturelle Verbesserung der Gutachten- und der Genehmigungspraxis ist, werden die Ergebnisse ausschließlich in anonymisierter Form veröffentlicht.

Planungshinweise der LUBW:

www4.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/216927

Weitere Informationen:

  • Die Ergebnispräsentation,
  • den ausführlichen, anonymisierten Gutachten-Check der acht untersuchten Genehmigungsverfahren,
  • sowie Antworten auf häufige Fragen (FAQ)

>> finden Sie online unter https://www.bund-bawue.de/service/pressemitteilungen/detail/news/windenergie-gutachten-check-belegt-eklatante-maengel/

PM

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