Meistens antworte ich auf diese Frage: „Ach, ganz gut. Naja, bis auf…“ und dann fange ich an, die vielen kleinen Dinge zu nennen, die mich nerven oder mir Sorgen machen und das Ganze endet in einer „Jammerlitanei“: über die zu vielen Termine, die nicht enden wollenden Wäscheberge, die Aufgaben mit den Kindern, der kranke Hase, die bevorstehende Konfirmation des Neffen, überhaupt die Weltlage und so weiter….
Bei den vielen Bergen, die sich da auftürmen, gedanklich und real auf dem Boden, kommt mir ein Vers aus Psalm 121 in den Sinn: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?“
Und dann bekam ich kürzlich ein Buch in die Hand über die Frauen in der Reformationszeit. Hingerissen lese ich von den Schicksalen der Ottilie Müntzer, Katharina Zell, Margarete Blarer, Katharina von Bora und vielen mehr. Ich bin beeindruckt und zugleich erschüttert, was diese Frauen gewagt, erlebt und erlitten haben. Ich staune über ihren Mut, wie sie sich über die Konventionen ihrer Zeit hinwegsetzten, als sie sich in die gesellschaftlichen Debatten mit einmischten, Flugschriften verfassten, predigten, Lieder dichteten, Flüchtlinge beherbergten, selbst zu Flüchtlingen wurden oder ertragen mussten, dass ihre Männer verfolgt, gefoltert und getötet wurden. Spannend ist da zu lesen, wie auch diese Reformationsfrauen sich mit Alltagsproblemen herumplagten: Wenn das Geld knapp wurde, wenn der Mann eine Medizin gegen Blasen- und Nierensteinen brauchte, wenn es Probleme beim Abstillen gab oder wie man am besten ein kleines Nebengewerbe mit gesponnenem Flachs auf den Weg brachte. Aber daneben gab es auch die Tischgespräche, die Debatten in großer Runde, in denen bei gutem Essen über Gott und die Welt gesprochen wurde. Wie sollte es mit der Kirche, dem Glauben und dem Christsein in der Gesellschaft weitergehen?
Beim Lesen merke ich: die kleineren Alltagsprobleme haben ihre Berechtigung. Aber darüber dürfen wir die großen Fragen nicht vergessen. Wie sieht eine Welt aus, in der alle ein gutes Leben haben? Welchen Beitrag können wir dazu leisten?
In Anlehnung an die Tradition der Tischreden der Reformationszeit treffen sich heute Abend in der Stadtkirche über 100 Frauen bei einem festlichen Essen. 7 Frauen aus den Bereichen Politik, Religion, Kultur, Wirtschaft, Gesundheit und Soziale Arbeit halten engagierte Tischreden und zeigen auf, wo Frauen heute Kirche und Gesellschaft bewegen. Ob beim 2. Göppinger Frauenmahl oder zu Hause am Tisch – es lohnt sich, die Frage zu diskutieren: „Wie geht´s?“ und „Wie kann`s besser werden?“
Pfarrerin Annett B.-Comtesse, Stadtkirchengemeinde-Oberhofen Göppingen