Dürre und Widerstandsfähigkeit in Ostafrika – Wie Bauern und Viehhirten Hungersnöte bekämpfen

Am heutigen 22. April ist Tag der Erde. Vor genau einem Jahr wurde das bahnbrechende Klima-Abkommen von Paris unterzeichnet, das eine historische Wende beim Kampf gegen den vom Menschen verursachten Klimawandel darstellen könnte.

Es geht dabei nicht um Präventionsmaßnahmen, die ein zukünftiges Problem verhindern sollen: der Klimawandel ist in vollem Gang und die Auswirkungen sind bereits verheerend, besonders in dürregefährdeten Regionen. Es ist Ironie des Schicksals, dass die ärmsten Länder, die am wenigsten zur Verschmutzung beitragen, die Hauptlast dieser Auswirkungen zu tragen haben. Aber es besteht noch Grund zur Hoffnung. Die Bauern in Afrika geben nicht klein bei, und ihre Widerstandsfähigkeit ist essentiell für unsere Nahrungsmittelsicherheit.

Ohne die Unterstützung durch Regierungssubventionen und Gesetze zum Schutz der Rechte von Bauern, wie ihre Kollegen sie in den entwickelten Ländern genießen, bestreiten Bauern und Viehhirten in Afrika trotz härtester wirtschaftlicher und schwieriger Umweltbedingungen ihr Auskommen. Die Probleme durch schwere Dürren und Hungersnöte in Ostafrika wurden in den letzten Jahrzehnten immer gravierender. Millionen von Menschen und ihr Viehbestand waren davon betroffen. Wir berichten nachfolgend exemplarisch von einigen Krisen, die sich in diesem Jahr in Kenia, Tansania und Uganda abspielen und die vermutlich zu den schlimmsten seit 70 Jahren gehören.

Im Bezirk Marsabit von Kenia berichtete uns der Gouverneur Ukur Yatani, dass „die Dürre immer schlimmer wird und zum Verlust von Menschen- und Tierleben führen könnte, wenn die Regierung nicht umgehend handelt.” Nomadische Hirten, die ihr Auskommen durch Viehwirtschaft bestreiten, hatten stark unter der Dürre zu leiden. Tumal Orto aus dem Unterbezirk North Horr von Marsabit und Mitglied des Netzwerks Indigenous Terra Madre gab an, dass „wir vor einer großen Herausforderung standen, da die Bohrlöcher und Brunnen ausgetrocknet waren (die nächste Wasserstelle ist 80 km von unserem Dorf entfernt). Das bedeutet: keine Weide für das Vieh und kein Essen für die Menschen, und die Lage wird immer schlimmer.” In Baringo County gab es einen drastischen Rückgang der Milchproduktion. Der Viehhalter Isaac erzählte uns: „Die Entfernungen zu den Wasserstellen werden für die einzelnen Haushalte immer größer. Das wird zu einer echten Gefahr für das Leben der Anwohner und ihrer Tiere. Die Regierung hat jetzt eine Initiative gestartet, bei der sie gut 100.000 Tiere aus den am schlimmsten betroffenen Gebieten aufkauft, um die Bauern gegen eventuelle Schäden aufgrund von Wasserknappheit und Verlust von Weideland abzusichern.”

In den Slow Food Kiti Gemeinschaftsgärten und dem Michinda Schulgarten wurden Samen von Spinnenkraut, Gänsefuß, Sorghum und Hirse aufgrund des ausbleibenden Regens von Vögeln verwüstet. „Bevor wir Sorghum und Hirse ernten konnten, wurden sie von Vögeln aufgefressen, wodurch wir auch die Samen für die nächste Saison verloren haben“, sagte Herr Jackson, Schirmherr des Michinda Schulgartens.

In West-Uganda verzeichnete das Slow Food Presidio der Teso Kyere Fingerhirse-Sorten einen erheblichen Saatgut-Rückgang. Die Bananenernte sowie einige andere Nutzpflanzen wurden komplett zerstört. Auch einige hybride Sorten, die als dürreresistent vermarktet werden, haben keine guten Ergebnisse erzielt. Hirse-Hersteller der Teso-Region behaupten sogar, die Erträge der lokalen Sorten seien besser gewesen als die der hybriden. Im ‚Vieh-Korridor‘ des Landes blieb fünf Monate lang der Regen aus, wodurch die Familien nicht nur einige Tiere, sondern ganze Herden verloren und die Bauern gezwungen waren, immer weiter wegzuziehen, um Weiden für die verbleibenden Tiere zu finden. Mitglieder des Slow Food Presidio der Ankole Langhorn-Rinder mussten bis zu 40 km zurücklegen, um anständiges Weideland vorzufinden. Angesichts des eingebrochenen Marktpreises für Rinder in den betroffenen Gebieten spitzt sich die Lage immer weiter zu. In Nakasongola ist der durchschnittliche Rinderpreis von 500.000 Uganda-Schillingen auf nicht einmal 50.000 gefallen.

Im Norden und im Zentrum von Tansania fielen dieses Jahr extrem wenig Niederschläge und viele Nutzpflanzen in diesen Gebieten trugen keine Früchte. Mnayah Mwambapa, Mitglied des Slow Food-Netzwerks in Tansania, berichtet von zunehmenden Konflikten zwischen Bauern und Viehhirten: „Die Hirten sind aufgrund eines Mangels an Weideland für ihr Vieh in benachbarte Bauernhöfe vorgedrungen und haben ihre Herden dort weiden lassen.”   Die Region Kilimanjaro hatte unter Wasserknappheit und langen Trockenzeiten zu leiden. In Kigoma beispielsweise sind die geringe Niederschlagsmenge und die schwindenden Ernteerträge klar zu sehen.

Trotz der mangelhaften Regenfälle, unter denen Ostafrika seit geraumer Zeit leidet, haben die Bauern und Viehhirten aus Kenia, Tansania und Uganda ihr traditionelles Know-How erfolgreich dazu eingesetzt, die aktuelle Dürrezeit zu überstehen. Wie haben sie es geschafft, eine Ernte zu erzielen und ihre Herden durchzubringen?

Adrofina Gunga, Mitglied des Slow Food-Netzwerks in Dar es Salaam erklärte, wie ihr Sohn durch den Anbau von Sonnenblumen eine Ernte erzielen konnte. „Nachdem seine komplette Maisproduktion in Kigoma vertrocknet war, beschloss mein Sohn, Sonnenblumen anzubauen. Der Erfolg gab ihm Recht.”

In Kenia nahm die Dürre seit 2016 ziemlich drastische Ausmaße an und die Bauern mussten mehr als fünf Monate ohne Regen bewältigen. Salome Njeri Mwangi, Koordinatorin des Slow Food Karirikania Familiengartens in Kenia und Vertreterin des Presidio der Getrockneten Brennnesseln des Mau-Waldes erzählte uns, dass ihr Garten trotz allem noch grün sei. „Obwohl seit nunmehr einigen Monaten keine Niederschläge gefallen sind und mein Garten natürlich nicht mehr taufrisch aussieht, ist er nach wie vor grün und es wächst etwas Gemüse ( lokale Kohlsorten, Amarant, Brennnessel, Frühlingszwiebeln, Schwarzer Nachtschatten, etc.), Obst (wie Baumtomaten, Pepino-Melonen, Erdbeeren, etc.), Knollengewächse (wie Maniok, Süßkartoffeln und Kartoffeln) und Hülsenfrüchte (wie Saubohnen und Augenbohnen). Das ernährt uns, da die Preise aufgrund von steigender Nachfrage und stark gesunkenem

Böden immer fruchtbar zu halten. Dadurch wird eine bessere Wasserspeicherfähigkeit des Bodens gewährleistet, der dann einige Tage ohne Wasser überstehen kann, wenn die Pflanzen noch zusätzlich gemulcht werden. Man braucht also nur sehr wenig Wasser. Sie erklärte auch, wie wichtig es ist, dürreresistente Sorten zu pflanzen, die weniger Wasser erfordern. „Man muss Maniok, Brennnessel, Yamswurzel, Gartenbohnen, Kichererbsen, Straucherbsen, Sorghum, Hirse, und indigene Gemüsesorten wie Amarant und Schwarzen Nachtschatten anbauen.”

Tumal Orto aus Marsabit County erzählte uns: „Meine Vorfahren weideten hier 235 Jahre lang Kamele und Ziegen, viele Generationen lang. Ich mache das heute noch und muss die Dürre überstehen, egal wie schwierig die Situation ist. In guten Zeiten denke ich immer schon an die nächste Dürre. Man ist vorbereitet. Man muss es schaffen, eine Anpassungsfähigkeit zu entwickeln, damit die Tiere sowohl in guten Zeiten als auch in Dürrephasen genug zum Überleben haben. Vor der Dürre war mein ganzer Viehbestand in gutem Zustand und selbst jetzt habe ich noch 90% der Herde. Keins der Tiere ist an Wasser- oder Futtermangel gestorben. Dank ihrer Anpassungsfähigkeit sind sie alle gesund. Wenn wir das alle beachten würden, würde es uns Viehhirten besser gehen.”

Die Problematik ist natürlich nicht nur auf diese Länder beschränkt. Auch andernorts, wie in Somalia, hat die Bevölkerung mit einer der schlimmsten Dürrezeiten seit Menschengedenken zu kämpfen, und bekommt von der chronisch schwachen Regierung noch weniger Unterstützung. Aber sowohl in Somalia als auch in anderen Ländern versuchen die Bauern, vor Ort Lösungen zu finden, um ausreichend Nahrungsmittel für die Bevölkerung zu produzieren.

Vor der Klimakonferenz COP22, die im Pariser Klimaabkommen gipfelte, sagte Carlo Petrini: „Um das Problem der globalen Erwärmung anzugehen, müssen die Regierungen ihre Zusagen zur Reduzierung von Emissionen erneuern und vervielfachen. Aber das allein ist noch nicht genug. Es muss auch ein wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Paradigmenwechsel stattfinden, der unser aktuelles Lebensmittelsystem radikal umkrempelt.” Die Regierungen der reichen, Verschmutzung erzeugenden Länder nähern sich nur schleppend der Implementierung von maßgeblichen und konkreten Gesetzen, die dieses globale Problem von oben bekämpfen. In der Zwischenzeit kämpfen die Bauern und Viehhirten erhobenen Hauptes an vorderster Front, um in dieser Krise auf Gemeinschaftsebene von unten nach oben Widerstand zu organisieren und Lösungen für ein Problem zu finden, das sie nicht erzeugt haben.

 

Zitierte Werke

Arbeit der FAO zum Klimawandel. (2017) Abgerufen unter http://www.fao.org/climate-change/en/

Thompson, William. (15. Juli 2017). Besuch in dürregefährdeten Regionen in Tansania. Abgerufen unter http://canwefeedtheworld.wordpress.com

Erhebliche Nutzpflanzen-Einbußen durch Vuli bedingen steigende Nahrungsmittelunsicherheit. (2017, Januar) Abgerufen unter http://www.fews.net/east-africa/tanzania/key-message-update/january-2017

Sage, Collin. Umwelt und Nahrung. (226) Routledge, 2012.

Ibrahim, Thoriq. Nachhaltige Entwicklung findet nicht ohne Klimaschutzmaßnahmen statt. 22. März 2017, http://news.trust.org/item/20170322165445-wvi0h/?cid=social_20170326_71082286&adbid=845994766714134529&adbpl=tw&adbpr=295713773

PM

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