Polizei setzt weiter auf ursachenorientierte Verkehrsüberwachung und Prävention
Die Zahl der Verkehrsunfälle im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Reutlingen stieg ähnlich wie im Land Baden-Württemberg im vergangenen Jahr um fast fünf Prozent auf 28.468an. Beim größten Teil der Unfälle handelt es sich um Unfälle mit Sachschaden, die sich um 1.163 auf 25.070 erhöhten. Bei 3.398 (2014: 3.213), das sind zwölf Prozent, kamen Personen zu Schaden. Die Gesamtzahl der Getöteten hat sich im Vergleich zum Vorjahr um elf Prozent verringert, die Zahl der Verletzten ist aber um 6,7 Prozent angestiegen. Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden beträgt über 352 Millionen Euro.
Nach einem Anstieg der Verkehrstoten im Jahr 2014 ist die Zahl der Menschen, die bei Verkehrsunfällen starben, zurückgegangen. Bei 30 Unfällen verloren 32 Menschen ihr Leben, das sind vier weniger als im Jahr 2014 (32 Unfälle/36 Getötete). 14 der Getöteten waren als Fahrer oder Beifahrer in einem Pkw unterwegs, neun Menschen verunglückten als Fahrer eines motorisierten Zweirads, darunter befanden sich sieben Motorradfahrer. Unter den Toten waren auch fünf Fußgänger, drei Radfahrer und ein Fahrer eines Pferdegespanns. Die Entwicklung in den Landkreisen differiert hier sehr stark: Während im Landkreis Esslingen ein erheblicher Rückgang von 14 auf vier Verkehrstote verzeichnet wurde, blieb die Zahl im Landkreis Tübingen mit sieben Getöteten auf dem Vorjahresniveau. Im Landkreis Reutlingen hingegen stieg die Zahl der Verkehrstoten von 15 im Jahr 2014 auf 21, wobei bei zwei Unfällen jeweils zwei Menschen ihr Leben verloren.
Die Zahl der Schwerverletzten stieg wie schon 2014 (+32) im Jahr 2015 nochmals um 33 auf insgesamt 761 an. 3.519 Personen und damit 238 mehr als im Vorjahr wurden leicht verletzt.
Die Auswertung der über die reinen Kleinstunfälle hinausgehenden Unfälle ergab als häufigste Ursache mit 2.387 Unfällen Fehler beim Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren, gefolgt von 1.977 Vorfahrts- und 938 Abstandsverstößen. Je schwerer die Unfallfolgen sind desto mehr schlägt als Ursache aber überhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit zu Buche: Bei allein neun und damit fast einem Drittel der 30 tödlichen Unfälle und etwa jedem vierten Unfall mit Schwerverletzten war Geschwindigkeit die Hauptunfallursache oder zumindest mitursächlich. Bei Geschwindigkeitskontrollen der Polizei wurden 2015 insgesamt über 54.700 Verstöße festgestellt (Gurt: 15.460, Handy: 5.544).
Nach mehrjährig rückläufiger Tendenz stieg die Zahl der alkoholbedingten Unfälle gegenüber dem Vorjahr um 4,3 Prozent wieder auf das Niveau des Jahres 2013, liegen aber mit 365 noch immer unter dem Durchschnittswert der vergangenen fünf Jahre. Unfälle mit Personenschäden fallen dabei mit 40 Prozent ins Gewicht. Bei diesen Unfällen waren zwei Verkehrstote – darunter ein alkoholisierter Motorradfahrer ohne Helm, 55 Schwerverletzte und 125 Leichtverletzte zu beklagen. Die meisten der insgesamt 182 Verunglückten, nämlich 175Personen, hatten jeweils unter Alkohol den Unfall auch verursacht.
Nochmals leicht um zwei auf 32 sind die Unfälle zurückgegangen, die durch Drogeneinfluss verursacht wurden, wobei es sich bei der Mehrzahl (25) um Unfälle mit Sachschaden handelt. Bei sieben Unfällenmit Personenschaden wurde eine Person schwer, sechs wurden leicht verletzt.
Im Rahmen der polizeilichen Verkehrsüberwachung wurden 1.440 Fahrzeugführer wegen Fahrens unter Alkoholeinwirkung und 283 Fahrer wegen Fahrens unter Drogeneinwirkung zur Anzeige gebracht.
Die Zahl der Zweiradunfälle (vom Mofa bis zum schweren Motorrad) stieg gegenüber 2014 nochmals deutlich um etwa zehn Prozent auf 744 und damit auf den Höchststand im Fünf-Jahres-Vergleich an. Wieder waren motorisierte Zweiradfahrer bei den getöteten und schwer verletzten Verkehrsteilnehmern auch im Jahr 2015 überproportional vertreten. Obwohl ihr Anteil am Unfallgeschehen im Jahr 2015 bei nur 6,2 Prozent lag, stellte diese Gruppe mit neun Getöteten (2014: 14) fast 28 Prozent der Verkehrstoten und mit 171 Schwerverletzten (2014:135) 22 Prozent der Schwerverletzten. 447 Zweiradnutzer wurden leichtverletzt (2014: 394).
Betrachtet man die Unfälle mit Motorrädern (Leichtkraftrad bis zum schweren Motorrad), bei denen 2015 mit 508 Unfällen ebenfalls ein Höchststand der letzten fünf Jahre zu verzeichnen war, fällt eine signifikante Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr um 12,4 Prozent auf. Zwar ging die Zahl der tödlich verunglückten Motorradfahrer von 13 im Jahr 2014 auf sieben zurück, jedoch stiegen die Schwerverletzen um 26 auf 135, die Leichtverletzten um 45 auf 298. Knapp 60 Prozent der Unfälle und mehr als zwei Drittel der Motorradunfälle mit Personenschaden wurden von den Bikern selbst verursacht. Bei mehr als der Hälfte der von Motorradfahrern verursachten Unfällen waren diese allein beteiligt. Nach wie vor stellen überhöhte bzw. nicht angepasste Geschwindigkeit oder Fehler beim Überholen die Hauptrisiken des Motorradfahrens dar. Allein 55 Prozent der Unfälle gingen im Jahr 2015 auf das Konto dieser beiden Unfallursachen. Bei rund 50 gezielten Kontrollaktionen, die auch unter Einsatz des Video-Pkw und des Video-Motorrads durchgeführt wurden, wurden in der Motorradsaison über 350 Biker beanstandet, 191 davon wegen überhöhter Geschwindigkeit.
Die Anzahl der Verkehrsunfälle unter Beteiligung von Fahrradfahrern stieg nochmals um 5,5 Prozent auf 979 Unfälle an. Drei Radfahrer (2014: sechs) wurden getötet, wobei keiner der Getöteten den Unfall selbst verursacht hatte. 211 Radfahrer, 33 mehr als im Vorjahr, wurden schwer verletzt. Auch die Zahl der Leichtverletzten stieg um 34 auf 665 an. In fast 59 Prozent der Fällesetzten die Radfahrer die Unfallursache selbst. 30 Prozent der Radfahrer, das sind 303 und damit 35 mehr als 2014, verunglückten dabei ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer. Bei diesen sogenannten „Alleinunfällen“ wurden 99 Menschen schwer und 204 leichtverletzt. Die Unfälle mit Beteiligung von Elektrofahrrädern stiegen in den vergangenen Jahren entsprechend dem wachsenden Aufkommen stetig an. 2010 waren vier Unfälle verzeichnet worden, 2015 waren es bereits 95.
Die Anzahl der Fußgängerunfälle ging um sechs Prozent auf 332 zurück (2014: 353) zurück. Bei diesen Unfällen starben fünf Fußgänger. 2014 waren es zwei gewesen. Die Zahl der Schwerverletzten ging um vier auf 83 zurück, die Zahl der Leichtverletzten reduzierte sich um 26 auf 215. 32 Prozent der Unfälle wurden durch die Fußgänger, mehr als zwei Drittel von anderen Verkehrsteilnehmern verursacht.
Von 214 auf 225 sind die Verkehrsunfälle angestiegen, an denen Kinder (im Alter bis 13 Jahre) beteiligt waren. Erfreulicherweise wurde wie in den vergangenen Jahren kein Kind getötet. Allerdings ist die Zahl der schwer verletzten Kinder um über 50 Prozent von 41 auf 62 angestiegen, während 232 Kinder (2014: 235) leicht verletzt blieben. Am häufigsten verunglückten Kinder mit Fahrrädern (122), alsMitfahrer im Pkw (79) und als Fußgänger (65).
Bei 78 Schulwegunfällen (2014: 75) kamen 85 Schüler im Alter von 6bis 17 Jahren zu Schaden. 2014 waren es 76 gewesen. In der Mehrzahl verunglückten die Schüler mit dem Fahrrad (52), darüber hinaus als Fußgänger (26) oder mit dem Zweirad (sieben). Erstmals seit 2011 war im Juni vergangenen Jahres ein Todesopfer auf dem Schulweg zu beklagen, nachdem ein 15-jähriger Schüler in Römerstein mit seinem Mofa-Roller mit einem Lkw kollidiert war. 25 Schüler, elf mehr als im Vorjahr, wurden schwer verletzt, 59 erlitten leichte Verletzungen (2014: 62).
Nach den leichten aber doch kontinuierlichen Rückgängen der vergangenen Jahre stieg 2015 die Anzahl der Verkehrsunfälle mit Beteiligung „junger Erwachsener“ (18 bis 24 Jahre) um knapp drei Prozent an. Insgesamt 53 Prozent der Unfälle wurden durch die jungen Erwachsenen verursacht. Bei 2.528 Unfällen kamen sechs Menschen, davon fünf junge Erwachsene (2014: vier), ums Leben. Die Zahl der Schwerverletzten sank aber um über elf Prozent um 23 auf 185. Leicht verletzt wurden 1.111 (2014: 1.107). Zwar sind die Hauptursachen mit 23 und 20 Prozent Vorfahrtsverstöße und Fehler beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren, mit 17,4 Prozent nimmt die Unfallursache „Geschwindigkeit“ bei den Unfällen mit jungen Erwachsenen aber einen auffallend hohen Anteil ein.
Die Unfälle mit Senioren ab 65 Jahren steigen entsprechend der demografischen Entwicklung seit mehreren Jahren an. 2015 waren es 2.287 Unfälle, 152 und damit über sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Viele dieser Unfälle gingen mit sehr schweren Folgen einher, starben doch hierbei wie schon im Jahr 2014 13 Menschen, zwölf davon – das ist mehr als ein Drittel der insgesamt im Präsidiumsbereich Getöteten- waren über 65 Jahre alt. Darunter sind drei Pkw-Lenker und zwei Beifahrer, drei Fußgänger, ein Motorradfahrer, ein Radfahrer und ein Fahrer eines Pferdegespanns. 64 Prozent der Unfälle wurden von den beteiligten Senioren verursacht. Hauptursachen sind wie bei den jungen Erwachsenen mit jeweils etwa 25 Prozent Vorfahrtsverstöße und Fehler beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren. Mit 3,4 Prozent spielt die Ursache Geschwindigkeit bei den Senioren eine deutlich untergeordnete Rolle.
Um fünf Prozent auf 1.143 sind die Unfälle gestiegen, an denen Lkw beteiligt waren. Dabei starben neun Menschen (2014: 7). 56 Personen, sieben weniger als 2014, wurden schwer, 262, neun mehr als im Vorjahr, wurden leicht verletzt. In 70 Prozent der Unfälle lag die Ursache bei den Lkw-Fahrern.
Mehr als jeder fünfte Verkehrsunfall zog eine Unfallflucht nach sich, wobei im Vergleich zum Vorjahr ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen war. Von den 6.070 Fällen (2014: 5.662) konnte etwa jeder Dritte aufgeklärt werden. Eine noch höhere Aufklärungsquote wurde beiden 226 Unfallfluchten nach Unfällen mit Personenschaden erzielt, bei denen zwei Tote, 33 Schwer- und 228 Leichtverletzte zu beklagen waren: Jeder zweite Fall wurde aufgeklärt.
Fortsetzung der ursachen- und zielgruppenorientierten Verkehrsüberwachungsmaßnahmen
Einen hohen Stellenwert werden weiterhin zielgerichtete und am jeweiligen Lagebild orientierte Kontrollmaßnahmen (Geschwindigkeit, Fahren unter Drogen- oder Alkoholeinfluss, Gurt- und Handyverstöße u.a.) sowie zielgruppenorientierte Schwerpunktaktionen einnehmen. Gemeinsam mit Behörden und anderen Partnern muss nach weiteren Möglichkeiten zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und zur Reduzierung der Unfälle mit schweren Folgen gesucht werden. So sind es immer wieder auch Initiativen der Polizei im Rahmen von Verkehrsschauen und der Mitarbeit in den Verkehrsunfallkommissionen der Landkreise und Kommunen, welche zur Entschärfung von Unfallhäufungsstellen beitragen. Gleichzeitig setzt die Polizei auch weiterhin auf Aufklärung:
Fußgänger:
Die Sicherheit der schwächsten Verkehrsteilnehmer steht weiter im Fokus der der Präventionsarbeit. Daher wird die erfolgreiche Verkehrssicherheitsarbeit mit den Kooperationspartnern und den Polizeipuppenbühnen insbesondere für Vorschulkinder und Erstklässler fortgesetzt. Unverändert bleibt auch das Engagement zu Schuljahresbeginn im gesamten Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen mit Sonderaktionen für Schulanfänger. Ergänzend hierzu erfolgen die Ausbildung von Schülerlotsen und Schulbusbegleitern und die Aktionen „SchülerFair-Verkehr“ und „Aktion sicherer Schulweg“.
Fahrradfahrer:
Ein besonderes Augenmerk richten wir auch auf die jungen Fahrradfahrer. Die flächendeckende Radfahrausbildung aller Viertklässler bleibt ein zentrales Angebot der Verkehrsprävention. ImJahr 2015 wurden im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Reutlingen mehr als 9.000 Kinder aus 471 Klassen geschult. Damit das Tragen des Fahrradhelms in jedem Alter zur Selbstverständlichkeit wird, gibt es für die sechste Klassenstufe das Angebot, dieses Thema nochmals mit den Schülerinnen und Schülern zu vertiefen. Mit der Info-Aktion „HELM TRAGEN. VORBILD SEIN.“ sollen auch Eltern und Großeltern für diese Thematik sensibilisiert werden.
Junge Fahrer:
Für die Zielgruppe der jungen Fahrer wurden neue Schulungskonzepteentwickelt. Im Landkreis Tübingen erfolgte der Einstieg in „P.A.R.T.Y.“, (Prävention-Alkohol-Risiko-Trauma-Youth) einem modifizierten Präventionsprogramm für Schulklassen und Jugendliche in Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen. In den Landkreisen Reutlingen und Esslingen werden den Berufsschulen neu entworfene Konzepte für Unterrichtseinheiten angeboten. Sehr bewährt haben sich Aktionstage, an denen junge Menschen u.a. über die Hauptunfallursachen Geschwindigkeit, Alkohol und Drogen aufgeklärt werden und sich daran selbst aktiv beteiligen können.
Senioren:
In Vorträgen werden Seniorinnen und Senioren über die spezifischen Risiken und Gefahren und mögliche Vorbeugungsmaßnahmen aufgeklärt. Im Jahr 2016 werden außerdem Schulungen für Nutzer von bei Senioren immer beliebter werdenden Pedelecs angeboten.
Motorradfahrer:
Hier setzen wir entlang der beliebten, aber oftmals gefahrenträchtigen Motorradstrecken auf Aktionen aus einer bewussten Kombination von Repression und Prävention. An wechselnden Veranstaltungsorten begegnet die Polizei mit ihren Partnern aus der Verkehrssicherheitsarbeit Bikern auf Augenhöhe. Im Peergroup-Ansatz werden Botschaften über lebensrettende Vorbeugungsmaßnahmen nachhaltig übermittelt, um das Gefährdungsrisiko zu minimieren.
PM