Im Hafen von Dakar, gab es Treibstoff, Briefe, Päckchen und ein Weihnachtslied für den Kapitän

Wir schreiben das Jahr 1970. Unser Kombischiff ist auf dem Weg nach Afrika. Über Dakar, Pointe Noire, Kongo-Matadi, Lobito, und Luanda wird die Reise führen.

Eine Weihnachtsgeschichte von Alfred Brandner    

Unser Kapitän, ein ruhiger und besonnener  Mann- er sprach sehr wenig. Eine Ausnahme war beim Dienstantritt neuer Besatzungsmitglieder zu verzeichnen. Jeder wurde persönlich begrüßt. Nebenbei notierte der „Alte“ die Anschriften  der Angehörigen.

So sollte es auch bei den drei Neuen sein. Doch diese weigerten sich beharrlich, und teilten mit, dass zu  den Angehörigen kein Kontakt bestehen würde, und ein solcher auch nicht gewünscht wäre. Weiterhin gaben sie zu erkennen, dass es den Kapitän eines Schiffes nichts angehen würde, wer die Angehörigen seiner Mannschaft sind.

Diese Jungs machten einen verwegenen Eindruck. Schlägertypen, deren Auftreten in dümmlicher, burschikoser und chauvinistischer Manier, für ein empfindlich gestörtes Bordklima sorgen sollte.

Sobald die drei wieder an Deck waren, gaben diese vor den anderen mächtig an. Sie waren richtig Stolz darüber, dass sie unseren Kapitän nun wohl verarscht hatten. Es wurden Lieder mit Schmähworten gesungen. Die Typen freuten sich über die betroffen wirkenden Gesichter der Stamm – Mannschaft. Auffällig war hierbei, wenn auch die Liedtexte nicht so recht dazu passten, dass die neuen prächtige Stimmen hatten, und eine hervorragende Gesangsgruppe bildeten.

Die Reise hatte begonnen, und es stand fest, dass wir am Heiligen Abend in Dakar einlaufen würden. Nur ein kurzer Aufenthalt, zum Treibstoff  Bunkern, dann  soll es weitergehen in den Kongo – nach Matadi.

Man muss wissen, in der Seefahrt gab es einst eine Besonderheit, auf die sich jeder Seemann freute. Außer Treibstoff und anderen wichtigen Gebrauchsgegenständen, kam  im Hafen auch regelmäßig die Post.

Das Verhalten der Neuen während der Überfahrt war nahezu unerträglich, zumal wir an Bord einen offenen, und ehrlichen Umgang, mit dem gebotenen gegenseitigen Respekt gewohnt waren.  Alle Besatzungsmitglieder waren entsetzt, so etwas hatte es noch nie gegeben. Zudem hatten wir raue See, und waren rund um die Uhr im Einsatz. Die physische- und psychische Belastung war erheblich. Die Kombination aus hartem Einsatzstress, dem Spott, Häme und den verdeckten Drohungen der Störer, hinterließ deutliche Spuren.

Wir sahen uns  gezwungen, mit der Schiffsführung entsprechende Vorgehensweisen zu planen. Selbst die Festnahme der Provokateure, und die anschließende Übergabe an die Polizei in Senegal, war nun eine der vorgesehenen Optionen.

Endlich in Dakar eingelaufen und festgemacht. Neben dem Tankschiff kommt der Agent der Reederei und bringt die heiß begehrte Weihnachtspost. Unser Funker und der „Alte“ teilen Briefe und Päckchen aus. Für alle ist etwas dabei, nur nicht für die Störer. Ihren Gesichtsausdruck werde ich nicht vergessen. Dämlich – traurig und betroffen, standen diese nun in der Mannschaftsmesse. Plötzlich sagte der Kapitän, „beinahe hätte ich was vergessen“. Er ging in seine Kammer und kam mit Briefen und Päckchen zurück-diese war für die „Auffälligen“ bestimmt. Mit seinem gütigen Lächeln, und seinem Ruhe ausstrahlendem Blick, übergab er die Post an die Menschen, die allen an Bord das Leben erschwert hatten. Er gab zu erkennen, dass er sich trotz aller Mühen, mit den Angehörigen der Neuen in Verbindung gesetzt hätte. Nicht nur das, auch die von ihm angeforderten Geschenke für seine Auszubildenden sind noch pünktlich eingetroffen.

In den zuvor sehr unglücklich wirkenden Gesichtern, sah man plötzlich ein Lächeln- ich glaube auch Tränen sind geflossen. Und nun die Überraschung –  die Störer bitten den Kapitän ein Weihnachtslied singen zu dürfen. Dieser stimmt trotz erheblicher Bedenken zu, und die drei beginnen zu singen. Wieder waren die prächtigen Stimmen zu hören, die wir bereits kannten, aber nun mit einem angemessenen Text. Wunderschön und rührend, insbesondere vor dem Sachverhalt, dass die „Sänger“ so richtige Ganoven waren.

Während der Überfahrt sorgten etliche Gespräche für große Überraschung. Alle drei kamen aus der gleichen Gegend, und hatten in der Kinderzeit im gleichen Chor gesungen. Die Gründe,  für  deren  Abtriften in die Kriminalität, haben wir nicht erfahren. Aus dem Erziehungsheim heraus hatten sie sich für eine Ausbildung bei der Marine beworben, und sich dort wieder getroffen.

Die drei durften unter Androhung von Zwangsmaßnahmen, für den Rest der Reise an Bord bleiben. Dennoch, ein solches Verhalten an Bord eines  Seeschiffes, ist durch nichts zu entschuldigen. In Bremen, im Überseehafen,  musste das Trio sofort das Schiff verlassen.

Das Thema Ausbildung in der Seefahrt, war für diese Menschen nun endgültig vorbei.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://filstalexpress.de/filstalexpress/20701/

Schreibe einen Kommentar