Warum viele Obdachlose Unterkünfte meiden – ein Systemversagen mit Ansage

Offiziell heißt es oft, obdachlose Menschen „wollen“ nicht in Unterkünfte. In der Realität ist diese Erzählung bequem – und falsch. Wer auf der Straße lebt, hat meist nicht die Wahl zwischen zwei guten Optionen, sondern zwischen Überforderung und Entwürdigung.
Viele Betroffene haben den Bezug zu festen Tagesstrukturen verloren, weil ihr Alltag seit Jahren aus Überleben besteht. Wer jeden Abend um einen sicheren Schlafplatz kämpfen muss, lässt sich nicht plötzlich in ein starres Regelsystem pressen. Hausordnungen, Anwesenheitspflichten, Verbote – all das wirkt nicht wie Hilfe, sondern wie ein erneuter Kontrollverlust.
Hinzu kommt ein Punkt, den Politik und Verwaltung ungern aussprechen: Suchterkrankungen. Alkohol und Drogen sind für viele nicht „Laster“, sondern Bewältigungsstrategien. Doch zahlreiche Einrichtungen schließen genau diese Menschen aus. Wer seinen Stoff nicht mitnehmen darf, bleibt draußen. Das ist keine Entscheidung – das ist ein Ausschlussmechanismus.
Dazu kommt ein tief sitzender Vertrauensbruch. Viele obdachlose Menschen haben über Jahre erlebt, wie Institutionen sie ignorieren, verwalten oder sanktionieren. Wer so behandelt wurde, erwartet in Unterkünften selten Schutz, sondern die nächste Demütigung.
Und dann ist da der Faktor, über den am liebsten gar nicht gesprochen wird: Hunde. Für viele obdachlose Menschen sind sie Familie, Sicherheit und emotionale Stabilität. Doch viele Unterkünfte verbieten Tiere – und verlangen damit, dass Menschen ihren letzten Halt aufgeben. Diese Forderung ist nicht nur realitätsfern, sie ist unmenschlich.
Das Ergebnis: Ein Hilfesystem, das genau jene ausschließt, die es am dringendsten bräuchten.
Alfred Brandner

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