BUND und NABU in Baden-Württemberg lehnen den Entwurf einer neuen Biber-Verordnung grundsätzlich ab. Das haben beide Verbände in ihren Stellungnahmen klar gemacht, die heute (17.12.) fristgerecht an das Umweltministerium gingen. Denn das Ziel, bestehende Konflikte in den Lebensräumen der Biber unbürokratisch und rechtssicher zu lösen, verfehlt die neue Verordnung klar.
Die Verbände sehen darin vielmehr einen unnötigen Rückschritt, der das funktionierende Biber-Management im Land gefährdet und gegen geltendes Recht zu verstoßen droht. BUND und NABU erwarten, dass ihre Einwände gehört werden. Angesichts des kürzlich von Ministerpräsident Winfried Kretschmann geäußerten Versprechens, die Verordnung werde noch vor Weihnachten verabschiedet, wirkt der extrem kurze Zeitraum von nur vier Werktagen zwischen der Frist zur Abgabe von Stellungnahmen und der angekündigten Verabschiedung wie eine Abkehr von der Politik des Gehörtwerdens.
Martin Bachhofer, Landesgeschäftsführer des BUND Baden-Württemberg:
„Es ist komplett unverständlich, warum die Landesregierung ihre Naturschutzpolitik am Ende der Legislatur mit solch einem Unsinn garnieren will. Das ist Symbolpolitik von der schädlichsten Sorte: unnötig, unkonkret und sowohl naturschutzfachlich als auch rechtlich unhaltbar. Außerdem ist er ein Schlag ins Gesicht der vielen ehrenamtlichen Biber-Berater*innen, die seit Jahren engagiert und fachkundig die Konflikte vor Ort lösen. Wertschätzung sieht anders aus. Der Entwurf darf in dieser Form nicht weiterverfolgt werden. Das Töten von Bibern wird das naheliegende Mittel, bietet aber keine nachhaltige Lösung. Wir müssen vielmehr den hohen ökologischen Wert des Bibers anerkennen, seine Bautätigkeiten als Chance im Kampf gegen das Artensterben begreifen und genau deshalb eine langfristige Koexistenz von Mensch und Biber gewährleisten.“
Johannes Enssle, Landesvorsitzender des NABU Baden-Württemberg:
„So wie sie jetzt vorliegt, ist die Biber-Verordnung nicht geeignet, Konflikte mit dem Biber sinnvoll zu lösen. Ich gehe sogar davon aus, dass dadurch mehr Probleme geschaffen als gelöst werden. Wer im Vertrauen auf die Verordnung Biber-Abschüsse vornimmt, kann dafür persönlich haftbar gemacht werden und muss sich im schlimmsten Fall einem Strafverfahren vor Gericht stellen. Es ist unverantwortlich, die Jägerinnen und Jäger in so eine Situation zu bringen. Die Biber-Verordnung wird damit ihr Ziel, Bürokratie abzubauen und Verfahren zu beschleunigen, komplett verfehlen. Völlig ohne Not werden die seit Jahren im Bibermanagement ehrenamtlich tätigen Menschen verprellt. Ein großer Teil dieser Biber-Beratenden hat bereits angedroht, die Arbeit niederzulegen, wenn die Verordnung so kommt. Gleichzeitig werden bei Landnutzenden und Kommunen Hoffnungen nach schnellen und einfachen Abschüssen geweckt, die sich so nicht erfüllen werden. Wer die Politikverdrossenheit und den Vertrauensverlust in staatliche Institutionen weiter vorantreiben möchte, der legt diese Biber-Verordnung unter den Weihnachtsbaum.”
Hauptkritikpunkte von BUND und NABU an der Biber-Verordnung:
- Zweifelhafte Erfordernis und Begründung: Es gibt bisher keinen einzigen dokumentierten Fall im Land, bei dem der Abschuss eines Bibers einen Konflikt langfristig gelöst hat. Bürokratie wird nicht abgebaut, sondern nur auf die unteren Behörden verlagert, die dann wiederum mit rechtlichen Unsicherheiten zu kämpfen haben.
- Gefährdung des Biber-Managements: Das Töten von Bibern führt höchstens zu einer kurzfristigen Beruhigung von Konflikten, aber nicht zu nachhaltigen Lösungen. Darauf setzt aber das gut funktionierende Biber-Management im Land. Die Verordnung erschwert die Arbeit der ehrenamtlichen Biber-Beratenden, weil sie eine kurzfristige Scheinlösung durch vermeintlich einfachen Abschuss verspricht. Viele der Engagierten werden sich überlegen, ihr Engagement aus Frust und mangelnder Akzeptanz zu beenden.
- Rückschritt im Natur-, Arten- und Klimaschutz: Der Biber ist eine Schlüsselart mit erheblichen positiven Effekten auf die Gewässerökologie, die Biodiversität, den natürlichen Klimaschutz und die Klimaanpassung. Angesichts der kritischen Lage in diesen Bereichen ist es fahrlässig, dass die Verordnung diese kostenlosen Leistungen des Bibers in den Wind schlägt.
- Rechtsunsicherheit und absehbare Rechtswidrigkeit: Der Entwurf bleibt an vielen Stellen so unkonkret, dass er in seiner aktuellen Form aus Sicht der Naturschutzverbände zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führt. Artenschutzrechtliche Ausnahmen müssen stets eindeutig begründet werden, verhältnismäßig sein und im Einzelfall geprüft werden. Das geplante Instrument der Allgemeinverfügung hingegen ist nicht rechtssicher ausformulierbar und stellt die Unteren Naturschutzbehörden vor eine kaum lösbare Aufgabe. Wer im Vertrauen auf die Biber-Verordnung Abschüsse vornimmt, kann dafür persönlich haften und muss im schlimmsten Fall mit einem Strafverfahren vor Gericht rechnen. Erst im August wurde eine vergleichbare Allgemeinverfügung in Bayern vom dortigen Verwaltungsgericht gestoppt. Das Ergebnis: noch mehr Bürokratie.
Alternativvorschläge für den Umgang mit dem Biber im Land
BUND und NABU fordern von der Landesregierung, von der neuen Biber-Verordnung abzurücken und auf nachhaltige Lösungen zu setzen. Dazu gehört:
- naturnahe Gewässer und Auenlandschaften zu stärken und bauliche Eingriffe sowie die intensive Nutzung bis nahe an die Uferböschungen zu verhindern,
- das etablierte Bibermanagement mit seinen langfristigen Lösungen personell und finanziell zu stärken und dessen Instrumente, wie z. B. den Schutz von Bäumen mit Drahthosen oder den Einsatz von Elektrozäunen, konsequent anzuwenden,
- den Biber als heimische Art zu akzeptieren und seine positiven Leistungen für die Renaturierung anzuerkennen, statt den Fokus auf wenige Konflikte zu legen.
Hintergrund:
Mit dem Entwurf über die „Verordnung zum Schutz vor Beeinträchtigungen durch den Biber“ (BiberVO) will die Landesregierung nach eigenen Angaben einen unbürokratischeren Rahmen schaffen, um Konflikte mit Infrastruktur sowie land- und forstwirtschaftlicher Nutzung in den Lebensräumen der schätzungsweise 11.500 Biber im Land schneller und rechtssicher lösen zu können. Bislang ist das Töten von Bibern nur mit einzelnen Ausnahmegenehmigungen möglich. Denn die Art ist durch das Bundesnaturschutzgesetz und die europäische Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie streng geschützt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte in der Landespressekonferenz am 2. Dezember 2025 versichert, dass die neue Biber-Verordnung noch vor Weihnachten verabschiedet werde. Die Frist zur Beteiligung der Verbände endet jedoch erst am 17. Dezember 2025.
Weitere Informationen:
Stellungnahme des BUND Baden-Württemberg zur Biber-Verordnung
Stellungnahme des NABU Baden-Württemberg zu Biber-Verordnung
BUND zum Biber in Baden-Württemberg
NABU zum Biber in Baden-Württemberg
Tipp für den Start ins Naturschutzjahr: Naturschutztage am Bodensee, 3.-6.1.2026, Anmeldung und Infos: www.naturschutztage.de
PM NABU (Naturschutzbund Deutschland), Landesverband Baden-Württemberg e. V.