- EU-Kommission will gefährliche Pestizide unbefristet zulassen
- Selbst bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Risiken bliebe ein Wirkstoff erlaubt
- Sogenannte „Omnibus”-Gesetzespakete sind europarechtlich fragwürdig
Die EU-Kommission versucht gerade im Eiltempo, zahlreiche Umwelt- und Verbraucherschutzstandards aufzuweichen. Mit dem sogenannten „Omnibus“-Paket zur Deregulierung der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit will die Kommission zum Beispiel die Zulassung von Pestiziden deutlich lockern. Das hätte nicht nur massive Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschen in Europa. Das beschleunigte „Omnibus“-Gesetzgebungsverfahren ist zudem europarechtlich höchst fragwürdig. Das haben Wissenschaftler, Rechtsexpertinnen und die Organisationen Deutsche Umwelthilfe, Umweltinstitut München und foodwatch auf einer Pressekonferenz kritisiert. Einen Tag bevor die Kommission das „Omnibus”-Paket offiziell vorstellen will, forderten die Expert:innen, die Pläne zu stoppen.
Der „Food and Feed Omnibus” ist eines von mehreren Deregulierungsvorhaben der EU-Kommission. Damit will die Kommission eine ganze Reihe an Standards lockern – von Vorgaben zu BSE-Kontrollen bis zu Futtermittelzusätzen. Besonders umstritten sind die Pläne zu Pestiziden. So sollen Ackergifte in Zukunft unbefristet zugelassen werden. Die bisher vorgeschriebenen regelmäßigen Sicherheitsprüfungen sollen entfallen. Das hieße: Selbst bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Krebsrisiken oder zur Belastung des Grundwassers bliebe ein Wirkstoff ungeprüft – und weiterhin erlaubt. Zudem will die Kommission die Übergangsfristen deutlich verlängern, wie lange ein Stoff selbst nach einem Verbot noch weiter verwendet werden darf.
Das beschleunigte Gesetzgebungsverfahren, mit dem die Omnibus-Pakete beschlossen werden sollen, stößt darüber hinaus auf grundsätzliche europarechtliche Bedenken. Experten wie der Professor für Europarecht an der Hochschule HEC Paris, Alberto Alemanno, kritisieren zum Beispiel, dass kein einziges der Sammelgesetze „einer ordnungsgemäßen Folgenabschätzung oder einer umfassenden öffentlichen Konsultation unterzogen” wurde.
Zitate:
Prof. Carsten Brühl, Institut für Umweltwissenschaften, Technische Universität Kaiserslautern-Landau: „Die Handschrift der Lobbyisten ist bedauerlicherweise im EU Omnibus Entwurf zur Pestizidregulatorik deutlich zu sehen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse sollen die Zulassung nicht mehr beeinflussen. Trotz dringender Probleme bezüglich der Belastung von Mensch und Umwelt wird das Rad zurückgedreht und die Pestizid-Zulassung vereinfacht.”
Alberto Alemanno, Professor für Europarecht an der Hochschule HEC Paris: “None of the 2025 omnibus proposals underwent proper impact assessment or full public consultation. Omnibus legislation functions as a procedural bypass. It allows the Commission to move fast, but at the cost of transparency, evidence, and participation.”
Moritz Tapp, Referent für Landwirtschaft am Umweltinstitut München: „Die Vorschläge der EU-Kommission sind ein Angriff auf den europäischen Umwelt- und Verbraucherschutz. Wenn Sicherheitsprüfungen abgeschafft, wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert und verbotene Pestizide noch länger ausgebracht werden, sind amerikanische Verhältnisse der Deregulierung endgültig in Europa angekommen. Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Pläne entschieden zurückzuweisen und sich klar zum europäischen Vorsorgeprinzip zu bekennen.“
Agnes Sauter, Leiterin ökologische Verbraucherberatung und Marktüberwachung bei der Deutschen Umwelthilfe: „Die in den letzten Jahren mühsam erzielten Verbesserungen im Zulassungsverfahren für Pestizide zum Schutz von Umwelt und menschlicher Gesundheit würden mit einem einzigen Federstrich zunichte gemacht. Das können wir nicht hinnehmen.”
Annemarie Botzki, foodwatch Deutschland: „Regelmäßig werden Rückstände von Pestiziden in unseren Lebensmitteln nachgewiesen. Statt die Menschen zu schützen, will die Politik jetzt noch die Regeln lockern und dreht damit den Gifthahn weiter auf. Pestizid-Cocktails auf dem Teller sind ein Risiko für unsere Gesundheit und ein Desaster für die Umwelt.”
Weitere Informationen und Quellen:
PM foodwatch e.V.