Fünf Jahre Nutri-Score in Deutschland: Mehrheit der Verbraucher:innen für verpflichtende Lebensmittelampel

Fünf Jahre nach Einführung des Nutri-Score auf freiwilliger Basis wünscht sich eine Mehrheit der Verbraucher:innen in Deutschland eine verbindliche Kennzeichnung aller Produkte mit der Lebensmittelampel. Das zeigt eine Befragung im Auftrag von foodwatch.

Die Agentur Zühlsdorf & Partner und der Lehrstuhl Lebensmittelmarketing der Universität Göttingen haben erstmals umfassend ermittelt, wie die Menschen in Deutschland zu der Nährwert-Kennzeichnung stehen. Dabei zeigt sich: Fast alle Verbraucher:innen (91 Prozent) kennen den Nutri-Score, und eine Mehrheit (61 Prozent) spricht sich für eine verbindliche Kennzeichnung aller Produkte mit der Lebensmittelampel aus. Bisher nutzt nur knapp jede:r Dritte das Label häufig oder sehr häufig beim Einkauf – aus Sicht von foodwatch kein Wunder, ist der Nutri-Score doch nur auf wenigen Produkten im Supermarkt zu finden, so dass ein Vergleich kaum möglich ist. Die Verbraucherorganisation forderte Bundesernährungsminister Alois Rainer auf, den Nutri-Score in Deutschland verpflichtend einzuführen.

„Fast alle Verbraucher:innen kennen zwar den Nutri-Score – doch solange nur vereinzelte Produkte im Supermarkt damit gelabelt sind, kann die Lebensmittelampel ihre positive Wirkung nicht entfalten. Verbraucher:innen können auch 2025 nicht auf einen Blick vergleichen, welches das ausgewogenste Tiefkühlgericht, Knuspermüsli oder Toastbrot ist. Erst wenn vom Junkfood-Konzern bis zum Bio-Hersteller alle Farbe bekennen müssen, ist der Nutri-Score ganz praktisch beim Einkauf nutzbar. Ernährungsminister Rainer muss zu einem guten Ende bringen, was seine christdemokratische Amtsvorgängerin Klöckner gestartet hat und die verbraucherfreundliche Ampelkennzeichnung verpflichtend einführen”, sagte Luise Molling von foodwatch.

Die damalige Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte den Nutri-Score im November 2020 offiziell in Deutschland eingeführt – jedoch nur auf freiwilliger Basis. Seitdem nutzen etwa 960 Firmen (von rund 6.000 in Deutschland) mit 1420 Marken die Nährwertkennzeichnung in Ampelfarben.

Die breit angelegte Verbraucher:innenbefragung der Agentur Zühlsdorf und Partner und der Universität Göttingen im Auftrag von foodwatch hat ergeben:

  • 91 Prozent der Verbraucher:innen kennen den Nutri-Score.
  • 61 Prozent der Verbraucher:innen plädieren für eine verpflichtende Kennzeichnung von Lebensmitteln mit der Ampel.
  • 31 Prozent nutzen den Nutri-Score bisher häufig oder sehr häufig beim Einkauf.
  • Dabei lehnen ihn nur 12 Prozent klar ab – das zeigt ein hohes unausgeschöpftes Potenzial.
  • Obwohl der Nutri-Score von unabhängigen Wissenschaftler:innen entwickelt wurde, gibt es ein Vertrauensdefizit: Zweifel bestehen insbesondere an der Neutralität des Systems (59 Prozent sind mindestens teilweise skeptisch) und an der Zuverlässigkeit der Bewertungen (67 Prozent halten den Nutri-Score mindestens teilweise für irreführend).
  • Zudem besteht noch große Unkenntnis darüber, wie der Nutri-Score funktioniert: 80 Prozent der Befragten sind unsicher, ob sie den Nutri-Score richtig anwenden. 71 Prozent der Verbraucher:innen wünschen sich mehr Erklärungen und Informationen zum System.

foodwatch forderte Alois Rainer auf, mit einer Informationskampagne Missverständnisse auszuräumen und für den Nutri-Score zu werben.

Professor Dr. Achim Spiller, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz sowie Mitautor der Verbraucherbefragung, spricht sich für eine Kennzeichnung aller Produkte mit dem Nutri-Score aus: „Das ernährungspolitische Potenzial des Nutri-Score wird derzeit bei Weitem nicht ausgeschöpft – auch weil zu wenige Unternehmen ihre Produkte mit dem Nutri-Score kennzeichnen. Der Nutri-Score hilft gerade den Menschen, die über nicht so viel Wissen zu Ernährung verfügen und setzt damit bei der Gruppe an, die besonders negativ von ungesundem Essen betroffen sind.”

Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass der Nutri-Score die verständlichste Form der Nährwertkennzeichnung ist und Verbraucher:innen zu gesünderen Produkten greifen lässt. Auch die Ergebnisse der Befragung deuten darauf hin, dass der Nutri-Score breiter zugänglich ist als die Nährwerttabelle auf der Rückseite der Verpackung – auch für weniger engagierte Verbraucher:innen. Angesichts der hohen Prävalenz von Adipositas und anderen ernährungsbedingten Erkrankungen wäre seine verpflichtende Einführung ein wichtiger Baustein, um die Kostenexplosion im Gesundheitswesen einzudämmen und eine gesunde Ernährung für die Breite der Bevölkerung zu erleichtern. Verbraucherverbände, medizinische Fachgesellschaften und Ärzt:innen setzen sich deshalb seit Jahren für die verpflichtende Einführung der Lebensmittelampel ein.

Weil die EU-Kommission ihre Pläne für eine europaweite Einführung einer vereinfachten Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite von Verpackungen offenbar begraben hat, fordert foodwatch die Bundesregierung auf, den Nutri-Score auf nationaler Ebene als Pflicht-Kennzeichnung einführen.

Für die Verbraucherbefragung im Auftrag von foodwatch hat die auf Lebensmittelmarketing und Verbraucherforschung spezialisierte Agentur Zühlsdorf + Partner im August 2025 online 1.103 Menschen ab 16 Jahren befragt – weitgehend repräsentativ für die in Deutschland lebende Bevölkerung.

Quellen und weiterführende Informationen:

 

PM foodwatch e.V.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://filstalexpress.de/freizeit/199580/fuenf-jahre-nutri-score-in-deutschland-mehrheit-der-verbraucherinnen-fuer-verpflichtende-lebensmittelampel/

Schreibe einen Kommentar