„Ein persönlicher Impuls von Alfred Brandner“ – Vom Altwerden und der Zeit, die in uns wohnt

Wäre ich Zuckerbäcker, hätte ich manche nachhaltig wirkenden und auch leicht angsteinflößenden Erfahrungen nicht gemacht.  Doch vier Jahrzehnte als Rettungsfachkraft in der Notfallrettung – das bedeutet nicht nur unzählige Notfalleinsätze, sondern auch intensive Begegnungen mit alten, kranken Menschen: im privaten Umfeld, in Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Dabei entsteht – fast zwangsläufig – eine stille, oft unterschwellige Auseinandersetzung mit dem eigenen Altern.

Die täglichen Bilder von Gebrechlichkeit, Einsamkeit und Abhängigkeit graben sich ein. Sie formen latente Ängste  aus gelebter Nähe zur Realität. Wer hilft, sieht – und wer sieht, beginnt zu fragen: Wie werde ich selbst einmal altern? Und: Wird man mir dann auch mit Würde begegnen?

Ich behaupte mal, die Angst vor dem Altwerden ist kein Privileg des Alters. Sie kann jeden treffen – selbst Menschen in der Mitte ihres Lebens, mit gerade einmal vierzig Jahren. Denn das Alter ist längst nicht mehr nur eine Zahl, sondern ein Gefühl, ein Schatten, eine Frage an die eigene Vergänglichkeit.

Doch wer so denkt und das Alter allein an Geburtstagen misst, verkennt seine Tiefe. Die biologische Zeit folgt nicht dem Takt der Uhr. Sie ist ein innerer Rhythmus, ein leiser Prozess, der sich mit den Jahren verändert. Während die Welt sich weiterdreht, verlangsamt sich unser inneres Tempo – nicht als Schwäche, sondern als Reife.

Altwerden ist kein Defizit, sondern ein Übergang. Es ist die Einladung, das Leben nicht mehr in Geschwindigkeit zu messen, sondern in Bedeutung. Nicht mehr in Leistung, sondern in Erfahrung. Nicht mehr in Zukunftsplänen, sondern in gelebter Gegenwart.

Wer sich vor dem Alter fürchtet, fürchtet oft den Verlust von Kontrolle, von Kraft, von Sichtbarkeit. Doch gerade im Alter liegt eine neue Form von Freiheit: die Freiheit, sich selbst zu genügen. Die Freiheit, nicht mehr alles beweisen zu müssen. Die Freiheit, das Wesentliche zu erkennen.

Der Weg aus der Angst beginnt mit der Anerkennung: Dass wir altern, ja – aber nicht vergehen. Dass wir langsamer werden, ja – aber nicht weniger wertvoll. Dass unsere Zeit nicht weniger wird – sondern kostbarer.

Alfred Brandner

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://filstalexpress.de/filstalexpress/198751/

Schreibe einen Kommentar