Am 27. September 1940 wurde auf Adolf Hitlers Initiative der Dreimächtepakt zwischen Deutschland, Italien und Japan geschlossen – spätestens damit waren die Achsenmächte geboren. Ein weiterer Schritt in Richtung totaler Vernichtung, die hätte vorher gestoppt werden müssen. Die Achsenmächte verbündeten sich, um gemeinsam einen totalen Vernichtungskrieg zu führen, dem später noch Ungarn, Rumänien und diverse Vasallenstaaten beitreten sollten.
Das Paradoxe an diesem Pakt war, dass auch Staaten im Gespräch waren, bei denen zumindest innerhalb der europäischen Länder klar war, dass diese wenig später angegriffen werden sollten. Wenn es an diesem sinnlosen Bündnis ein gutes gab, dann die Tatsache, dass NS-Deutschland nach dem Angriff auf Pearl Harbor in Nibelungentreue zu Japan den USA den Krieg erklärte und damit seinen eigenen Niedergang befeuerte, was nach viel Leid und Zerstörung zu einem demokratischen Neuanfang im westlichen Europa führte. Trotzdem hätte es gar nicht erst zu diesem Pakt kommen dürfen, da das Nazireich spätestens nach seinem Angriffskrieg auf Polen hätte vernichtet werden müssen. Ich muss an dieser Stelle eine Parallele zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ziehen. Die militärische Hilfe – in welcher Form auch immer – für Kiew ist unerlässlich, denn was passiert, wenn die Ukraine fällt und Russland vor den Toren Warschaus, Budapests oder Vilnius steht? Ich möchte mir dieses Szenario nicht ausmalen.
Am 1. Oktober 1990 erhielten die BRD und die DDR ihre volle Souveränität zurück. Im Fall der DDR war dies ein formaler Akt, da diese zwei Tage später nicht mehr existieren sollte, aber für die BRD war dies ein historisches Ereignis – aus meiner Sicht ein viel größeres als der 3, Oktober und man sollte eher darüber nachdenken, diesen denkwürdigen Tag zum Feiertag zu machen. Nachteil war, dass der Sonderstatus West-Berlins damit nicht mehr existierte, aber auch damit sollte man leben können. Viel mehr ins Gewicht fällt, dass die BRD endgültig volles Mitglied der Gemeinschaft der freien Völker dieser Welt wurde, was ein großer Meilenstein internationaler Geschichte war. Aber diese Freiheit ist heute so bedroht wie schon lange nicht mehr – von äußeren und inneren Feinden. Es bedarf im Inneren großer Kraftanstrengungen demokratischer und progressiver Kräfte, damit populistische und radikale Kräfte nicht die Oberhand gewinnen. Im Äußeren müssen sich diese Kräfte unterschiedlichster Länder zusammenfinden und gegen Hass und Hetze kämpfen.
Am 30. September 2010 fand im Stuttgarter Schlossgarten der sogenannte „Schwarze Donnerstag“ statt, wo Wasserwerfer auf friedliche Demonstranten schossen, die gegen die Abholzung liebgewonnener Bäume protestierten. Ich selbst war zufällig vor Ort und wurde ebenfalls nass. Mich haben die fürchterlichen Ereignisse lange geprägt und ich sage bis heute, dass dieser Tag einer der schlimmsten meines Lebens war. Ich empfehle dazu auf Youtube „Schwarzer Donnerstag Stuttgart“ einzugeben und sich Videos anzuschauen, da dies die Ereignisse von damals am besten wiedergibt. Am 1. Oktober 2010 war ich erneut im Stuttgarter Schlossgarten und die Atmosphäre war eine ganz andere. Winfried Kretschmann und Cem Özdemir wurden wie Hoffnungsträger empfangen und man hatte das Gefühl, dass etwas außergewöhnliches passieren kann. Und das Wunder geschah einige Monate später: Mit Winfried Kretschmann wurde zum ersten Mal in der deutschen Gerichte ein Grüner Ministerpräsident, Stefan Mappus war Geschichte und die Vorherrschaft der CDU in Baden-Württemberg war beendet. Heute, eine halbe Generation später, ist von der Euphorie von damals nicht mehr viel zu spüren. Der Geist von Stuttgart sprühte nicht auf das Land über, Winfried Kretschmann hat jegliche Strahlkraft verloren und es ist zweifelhaft, ob Cem Özdemir ihn nächstes Jahr beerben wird. Nicht nur Deutschland ist nach rechts gerückt und was damals als fürchterlich angesehen wird, ist heute irgendwie normal geworden. Ich befürchte, dass ein Stefan Mappus, wenn er ein Comeback wagen würde – womöglich sogar bei der AfD – weitaus höhere Zustimmungswerte hätte als damals.
Menschen, die sich noch an den Dreimächtepakt erinnern können, leben kaum noch. Menschen, die den Kalten Krieg – sprich die Zeit vor der vollen Souveränität Deutschlands – noch aktiv miterlebt haben, sind weitestgehend in Rente und oftmals frustriert von den heutigen Zuständen. Menschen unter 25 wissen nicht mehr, was der Schwarze Donnerstag war und jeden Tag werden neue, potenzielle AfD-Wähler volljährig, während die letzten Kriegskinder langsam wegsterben. Dinge, die hart erkämpft werden mussten, werden als normal angesehen, während Fürchterlichkeiten nicht mehr präsent sind und sich zu wiederholen drohen. Es muss dringend wieder ein Spirit von Stuttgart durch das Land gehen, damit man die Souveränität Wertschätzt und sich die Achsenmächte nicht wiederholen. Sonst sind wir auf einem sehr dunklen Weg.
Marcel Kunz