Ganztag tritt in 365 Tagen in Kraft – ver.di fordert verlässliche Standards und auskömmliche Finanzierung

Am 1. August 2026 tritt auch in Baden-Württemberg der Rechtanspruch auf ganztägige Förderung für Grundschulkinder stufenweise beginnend mit der 1. Klasse in Kraft. In Baden-Württemberg wurden bereits über das Investitionsprogramm des Landes Mittel für den Ausbau freigemacht. Was bislang fehlt, ist eine auskömmliche Finanzierung des Regelbetriebes ab nächstem Jahr. 

Hanna Binder, stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin: „Mit den bisherigen Vorschlägen ist weder eine verlässliche Umsetzung des Ganztags noch dessen Finanzierung sichergestellt. Aus Angst vor dem Konnexitätsprinzip spielt die Qualität der Ganztagsförderung in den Plänen der Landesregierung bisher so gut wie keine Rolle. Die Inklusion im Regelbetrieb wird nicht mitgedacht und geplant.“

Kinder haben einen Anspruch auf frühkindliche Bildung und ihre Eltern auf verlässliche Angebote. Die prekäre Situation im Kitabereich droht sich im schulischen Ganztagsbereich fortzusetzen oder sogar zu verschärfen. Deshalb hat ver.di Baden-Württemberg die Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, Theresa Schopper, den Minister für Soziales, Gesundheit und Integration, Manne Lucha, sowie den Minister für Finanzen, Dr. Danyal Bayaz, gestern aufgefordert, für verbindliche Regelungen auf Landesebene zu sorgen, solange noch Zeit ist.

Anschreiben an Minister Lucha:

https://bawue.verdi.de/++edit++/++file++688b7336dc57233e4ea85595/download/Anschreiben%20Minister%20Lucha.pdf

Sabine Leber-Hoischen, Vorsitzende des Landesfachgruppenvorstandes Erziehung, Bildung und soziale Arbeit bei ver.di Baden-Württemberg: „Bund und Länder sind aufgefordert, sich an einer verlässlichen Finanzierung zu beteiligen. Deshalb schlagen wir heute bundesweit Alarm: Der Countdown für den Ganztag läuft. Die unterschiedliche und teilweise prekäre Finanzsituation der Kommunen darf nicht das Angebot bestimmen. Alle Kinder im eigentlich reichen Baden-Württemberg haben ein Recht auf eine gute Qualität der Ganztagsförderung. Der Ganztag muss ein attraktives Arbeitsfeld für Beschäftigte und ein guter Lebens- und Lernort für die Kinder sein.“

Binder: „Es ist an der Zeit, auf die Expert:innen der Kinder- und Jugendhilfe zu hören und verlässliche Regelungen einzuführen. Ganztägige Förderung der Grundschulkinder ist nicht reine Angelegenheit der Schulgesetzgebung, wie in Baden-Württemberg aktuell so umgesetzt, sondern gehört eigentlich in die Sozialgesetzgebung. Das zuständige Ministerium darf sich seiner Verantwortung nicht entziehen und muss die Ausführungsbestimmungen auf Landesebene maßgeblich mitgestalten.“

ver.di Forderungen zum Ganztag:

https://bawue.verdi.de/++edit++/++file++6825d67753695e8a65e23734/download/Flugblatt%20Forderungen%20Ganztag.pdf

PM Bundesvorstand:

Nur noch ein Jahr bis zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung: ver.di fordert verlässliche Standards für Pädagogik und Personal

Auf den Tag genau ein Jahr noch – dann tritt der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder in Kraft. Doch was nützt Eltern ein einklagbarer Anspruch auf acht Stunden Bildung und Betreuung pro Tag für ihre Kinder, wenn die Voraussetzungen für eine qualitätsvolle Umsetzung nicht stimmen? Leider droht der geplanten Ganztagesbetreuung bereits jetzt ein organisatorischer und pädagogischer Fehlstart – mangels Vorbereitung insbesondere der Bundesländer. Dazu darf es nicht kommen, erklärt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) an diesem Stichtag, genau 365 Tage vor dem Start des Ganztagsanspruchs in Deutschland.

„Wir stellen mit großer Sorge fest, dass sich gerade die Jugend- und Bildungsministerien der westdeutschen Flächenländer immer noch nicht um Standards bei Qualität, Finanzierung und Organisation des Ganztagsanspruchs kümmern“, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle am Freitag. Die Länder seien dafür zuständig, rechtzeitig praktikable Ausführungsbestimmungen zur neuen Rechtslage für ihre Kommunen zu erlassen. Nur so werde gesichert, dass zum Start des Ganztagsanspruchs hinreichend Personal eingestellt, Kostenübernahmen geklärt, der Ausbau der Einrichtungen erfolgt und die Qualität des pädagogischen Angebots gewährleistet sei.

„Leider steuern wir auf das genaue Gegenteil zu“, sagte Behle. „Die klammen Kommunen werden mit der Umsetzung des Ganztagsanspruchs allein gelassen. Damit droht eine katastrophale Einführung mit massenhaft fehlenden Plätzen, prekären Arbeitsbedingungen, Personalmangel und ungeeigneten Räumen.“ Es dürfe nicht sein, dass die allzu oft prekäre Finanzlage der Kommunen über die Qualität des örtlichen Ganztagsangebots entscheide. „Sonst haben wir in einem Jahr vor allem überlastete Beschäftigte, unterversorgte Kinder und frustrierte Eltern – alles auf einmal“, warnte die Gewerkschafterin.

ver.di verbindet mit der 2021 beschlossenen Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung im Kinder- und Jugendhilfegesetz (Sozialgesetzbuch VIII) die Hoffnung auf mehr Chancengerechtigkeit für alle Kinder sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und für Väter. Dies ist aber nur durch eine hohe pädagogische Qualität und durch Verlässlichkeit des Angebots möglich. Dafür müssen die Länder via Ausführungsregelungen einen verbindlichen Rahmen setzen, in dem die Kommunen die Umsetzung realisieren können: Hierzu zählen klare Zusagen über die Mitfinanzierung durch die Länder, über die Personalschlüssel, Fortbildungen, aber auch etwa über die Zusammenarbeit mit den Landesjugendämtern und den Jugendhilfeträgern jeweils am Ort.

Schon jetzt, noch ohne Rechtsanspruch, werde zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen deutlich, dass fehlende Landesregelungen zu prekären Ganztagsbedingungen für Kinder und auch für Beschäftigte führen: Viel zu häufig beaufsichtigen pädagogische Laien und Laiinnen mit befristeten Arbeitsverträgen große Kindergruppen in ungeeigneten Räumen. Damit werde verletzendes Verhalten zwischen Kindern, problematische Situationen zwischen Kolleginnen und Kollegen, aber auch ein pädagogisch inadäquater Umgang mit Kindern riskiert.

„Dies ist für uns in keiner Weise hinnehmbar“, betonte ver.di-Vize Christine Behle. „Wir fordern die zuständigen Landesministerien auf, die verbleibenden zwölf Monate bis zum August 2026 zu nutzen, um im Interesse der Kinder, der Familien und der Beschäftigten die dringend notwendigen Ausführungsregelungen zum Kinder- und Jugendhilfegesetz auf den Weg zu bringen.“

PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg

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