Rund 60 Organisationen aus Landwirtschaft und Zivilgesellschaft rufen einen Monat vor der Bundestagswahl zur zentralen „Wir haben es satt!“-Demonstration am 18. Januar in Berlin auf. Das Bündnis „Wir haben es satt!“ setzt sich für eine bäuerliche und agrarökologische Landwirtschaft ein, als Gegenentwurf zum agrarindustriellen System, welches seine wahren Kosten auf die Gesellschaft abwälzt. Ziel ist ein umweltverträgliches, gerechtes und krisenfestes Ernährungssystem, das auch noch zukünftige Generationen mit gesunden Lebensmitteln versorgen kann, ohne Tieren, Umwelt und Klima zu schaden. Slow Food Deutschland, von Anfang an Mitorganisator der Demo, macht mit Projekten und Kampagnen auf die aktuellen Missstände im Lebensmittelsystem aufmerksam und fordert die kommende Regierung zu einer mutigen Agrarpolitik auf. Dazu gehören verbindliche Gesetze, kostendeckende Erzeuger*innenpreise und eine sichere Finanzierung von Tierschutz- und Umweltmaßnahmen.
Tierarzt Dr. Rupert Ebner, Vorsitzender von Slow Food Deutschland e.V., liegt die Tierhaltung besonders am Herzen. Er praktiziert seit Jahrzehnten in einer Gemeinschaftspraxis für Tiere in der Landwirtschaft und ist Zeuge besorgniserregender Entwicklungen im Umgang mit Nutztieren. Er machte auf der heutigen Pressekonferenz im Vorfeld der „Wir haben es satt!“-Demo (am Sa. 19. Januar in Berlin) auf die Auswirkungen der industriellen Tierhaltung auf Mensch, Tier und Umwelt aufmerksam – hier und im Globalen Süden:
„Die derzeitige Tierhaltung fördert zu wenig Tierwohl und gefährdet die menschliche Gesundheit durch übermäßigen Antibiotikaeinsatz. Zudem führt die Belastung durch Gülle zu gravierenden Auswirkungen auf Böden und Trinkwasser. Hinzu kommen erhebliche externe Kosten, etwa für die Reinigung von Wasser, die von der Gemeinschaft getragen werden müssen. Die industrielle Tierhaltung profitiert außerdem vom Import von Soja aus Drittstaaten, die nicht an EU-Standards gebunden sind. Dessen Produktion verursacht in den Herkunftsländern schwerwiegende Gesundheits- und Umweltschäden. Besonders alarmierend ist, dass Rückstandshöchstgrenzen für einige der bei der Sojaproduktion eingesetzten, hochtoxischen Substanzen (z. B. Glyphosat) deutlich höher angesetzt sind als für andere Feldfrüchte – ein klarer Vorteil für die Industrie.
Es liegt an der kommenden Bundesregierung und der EU-Politik, Verantwortung für die eigenen Lieferketten zu übernehmen. Geregelte Importstandards – sogenannte Spiegelmaßnahmen – müssen sicherstellen, dass importierte Produkte den EU-Standards entsprechen. Dies schließt entwaldungsfreie, Land Grabbing-freie Lieferketten ein, die nicht mit Pestizidvergiftungen oder Belastungen durch in der EU verbotene hochgefährliche Pestizide (HHPs) verbunden sind. Neben einem fairen globalen Handel mit Soja ist es grundlegend, die Tierhaltung in Europa auf eine nachhaltige und ressourcenschonende Form umzustellen, die mehr Tierwohl gewährleistet und negative Auswirkungen auf natürliche Ressourcen wie Böden und Gewässer reduziert.“
Dr. Rupert Ebner ist Slow-Food-Mitglied der ersten Stunde, 2011 war er Mitorganisator der ersten Berliner Demo »Wir haben es satt« und ist seitdem jedes Jahr dabei. Der studierte Tiermediziner war lange Zeit Vizepräsident der Bayerischen Landestierärztekammer. Er war Umwelt- und Gesundheitsreferent von Ingolstadt und ist bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft aktiv. Mit Eva Rosenkranz ist er Autor des Buches „ Pillen vor die Säue. Warum Antibiotika in der Massentierhaltung unser Gesundheitssystem gefährden“ (oekom verlag, 2021).
Weitere Informationen:
Demoseite: www.wir-haben-es-satt.de
Aufruf: www.wir-haben-es-satt.de/aufruf
PM Slow Food Deutschland e. V.