BUND Baden-Württemberg und BUND Hessen küren zum fünften Mal gemeinsam eine besondere Art, deren Leben den meisten Menschen verborgen bleibt. Für 2025 fällt die Wahl auf die Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera), eine Orchidee, die zwar optisch alles andere als zurückhaltend, aber wegen der hohen Ansprüche an ihren Standort nicht an jeder Ecke zu entdecken ist, und daher den Titel der Heimlichtuerin verdient.
Wie ihr Name schon vermuten lässt, hat die Bienen-Ragwurz eine besondere – wenn auch sehr opportunistische – Beziehung zu Bienen: Als geübte „Hochzeitsschwindlerin“ imitiert sie das Aussehen von Weibchen bestimmter Wildbienenarten, um männliche Bienen anzulocken. Diese lassen sich von der täuschend echt gestalteten Blütenlippe verleiten und versuchen, mit der vermeintlichen Biene zu kopulieren. Dabei bleibt der Pollen an ihnen haften und wird zur nächsten Blüte transportiert, wodurch die Orchidee bestäubt wird. Doch die liebestollen Bienen-Männchen gehen dabei leer aus: Anders als bei herkömmlichen Blütenbesuchen, gibt es bei der Ragwurz keinen Nektar als Belohnung. Die Bienen-Ragwurz hat aber noch mehr Tricks parat: Wenn keine passenden Bestäuber zur Verfügung stehen, bestäubt sich einfach selbst.
Die Bienen-Ragwurz ist eine von rund 70 heimischen Orchideen-Arten in Deutschland. Wie fast alle dieser heimischen „Exoten“ ist auch diese Art bei ihrem Lebensraum sehr wählerisch: Sie ist eine Hungerkünstlerin und liebt kalkhaltige, stickstoffarme, sonnige Standorte wie Halbtrockenrasen oder lichte Eichen-Kiefernwälder. Aufgrund dieser hohen Ansprüche ist eine artgerechte Pflege ihrer Lebensräume wichtig. Diese wird oft von BUND-Gruppen übernommen.
Klimawandelgewinnern, aber Landwirtschaftsopfer
Insgesamt haben die Bestände der Bienen-Ragwurz in den vergangenen Jahren in Baden-Württemberg und Hessen zugenommen. Die wärmeliebende Orchidee wird als Gewinnerin des Klimawandels betrachtet. In beiden Bundesländern gilt sie derzeit als ungefährdet. Dennoch gibt es Risiken für die Vorkommen dieser Art. Vor allem Eingriffe durch den Menschen machen der Bienen-Ragwurz das Leben schwer: Da sie sehr sensibel auf Nährstoffeinträge in die Böden reagiert, ist der Mineraldüngereinsatz in der intensiven Landwirtschaft ein Todesurteil für die Art. Sobald sich Stickstoff an ihren Standorten anreichert, wird die Bienen-Ragwurz binnen kürzester Zeit durch Konkurrenten verdrängt und kann sich nicht mehr durchsetzen. Auch die im Regen enthaltenen Stickstoffverbindungen setzen der Art zu.
Durch ihre späte Blütezeit zwischen Mai und Juli fällt die Bienen-Ragwurz zudem oft der Mahd zum Opfer. Bevor sie ihre Samen verteilen kann, wird die Orchidee bereits abgemäht und kann sich nicht ausreichend verbreiten. Der BUND fordert daher eine angepasste Pflege sowie den konsequenten Schutz von Orchideenstandorten und artenreichen Blühwiesen. Wie das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur mangelhaften Umsetzung des Schutzes von FFH-Mähwiesen gezeigt hat, gibt es in Deutschland weiterhin erhebliche Defizite in der praktischen Umsetzung dieser Schutzmaßnahmen. Wie alle heimischen Orchideen-Arten ist auch die Bienen-Ragwurz besonders geschützt, dennoch wird sie häufig von Menschen für den Privatgebrauch oder Verkauf ausgegraben oder gepflückt. Das ist nicht erlaubt!
Die Bienen-Ragwurz im Porträt
Die Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera) ist eine von 70 heimischen Orchideen. Die Staude wird 6 bis 50 cm hoch und bildet mehrere Blüten aus. Die Blüten bestehen aus drei äußeren Blütenblättern und einer ausgeprägten Blütenlippe. Die spitz zulaufenden Blütenblätter erblühen in Rosa bis Pink, selten auch in Gelb. Die ausgeprägte Blütenlippe ist meist Dunkelbraun und leicht behaart mit einer Maserung, die Wildbienen ähnelt.
Sie liefert keinen Nektar, lässt sich stattdessen aber von Wildbienen-Männchen, wie der Hornbiene, bestäuben, die die Unterlippe mit paarungswilligen Bienen-Weibchen verwechseln. Da die Blütezeit von Mai bis Juli recht spät ist, haben viele Bestäuber ihr Brutgeschäft bereits beendet und fliegen nicht mehr. Die Art bestäubt sich daher überwiegend selbst. Im Vergleich zu anderen Ragwurz-Arten, wie der Hummel- oder Fliegen-Ragwurz, gilt sie daher als genetisch wenig veränderlich und zeigt weniger Vermischungen. Die Bienen-Ragwurz ist in Europa heimisch und hat ihr Haupt-Verbreitungsgebiet im Mittelmeerraum. Sie ist sehr wählerisch, was ihren Standort anbelangt. Damit aber nicht genug: Der winzige Samen der Bienen-Ragwurz besitzt so wenige Vorratsstoffe, dass er zur Keimung auf die Ernährung durch einen bestimmten Pilz im Boden angewiesen ist. Der Pilz versorgt die Pflanze in den ersten Jahren vollständig mit Nährstoffen. Erst nach einigen Jahren beginnen die Pflanzen Blätter auszubilden und Photosynthese zu betreiben. Auch nach dem Austreiben leben die Pflanzen mit dem Pilz in Symbiose und sind auf diesen angewiesen. Illegales Ausgraben der Orchideen-Art für den Privatgebrauch wird aufgrund dieser besonderen Lebensraum-Ansprüche daher nicht erfolgreich sein.
Deutschlandweit gilt die Bienen-Ragwurz als ungefährdet und verzeichnet in den vergangenen Jahren eine positive Entwicklung. In Mitteldeutschland sowie im Südwesten ist die Bienen-Ragwurz verbreitet. In Hessen ist die Art lediglich im Nordwesten stark gefährdet. Vor allem im mäßigen Klima Südhessens fühlt die Art sich ebenso wohl wie auf den kalkhaltigen Böden der offenen Landschaften in Nordosthessen. Baden-Württemberg ist ein ausgesprochenes „Bienenorchidee“-Land: Größere Bestände gibt es etwa in den Regionen Schwäbische Alb, südwestliches Hegau, Bodensee, Heckengäu, Baar und Oberrhein.
Weitere Informationen:
Arten-Porträt der Bienen-Ragwurz beim BUND Hessen: www.bund-hessen.de/arten-entdecken/bienen-ragwurz
Themenseite Orchideenwiese beim BUND BW: https://www.bund-bawue.de/tiere-pflanzen/artenschutz/heimische-arten-entdecken/orchideenwiese/
BUND-Kommentar zum EuGh-Urteil: FFH-Mähwiesen: https://www.bund-bawue.de/service/pressemitteilungen/detail/news/bund-baden-wuerttemberg-muss-endlich-verantwortung-fuer-ffh-wiesen-uebernehmen/
Hintergrund
Pottwale sehen Geräusche, Jesus-Echsen laufen über das Wasser und es gibt Spinnen, die ein Lasso um ihre Beute schwingen können – aber auch unsere heimische Natur steckt voller Arten mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Oft kann man deren Besonderheiten erst beim genauen Hinsehen wahrnehmen. Der BUND Hessen und BUND Baden-Württemberg küren deshalb zum fünften Mal gemeinsam den Heimlichtuer des Jahres, um auf diese Arten aufmerksam zu machen. 2021 fiel die Wahl auf das Glühwürmchen, 2022 auf den Ameisenlöwen, 2023 auf den Eisvogel und 2024 auf die Bechsteinfledermaus.
Foto: Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera) in (Zell) Gronau_Cara Schweiger
PM Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e.V.