Viele Senioren verbringen fast das ganze Jahr über, einschließlich der Feiertage und Weihnachten, allein zu Hause in der Hoffnung auf Kontakt zu ihren Kindern und Enkeln. Aber das Telefon schweigt, und an der Haustür erscheint niemand. Wenn man mit den Betroffenen spricht, ist es herzzerreißend.
Selbst im Sterben sind sie allein – vergessen in ihren Wohnungen und Häusern. Es ist ein unbehagliches Thema, aber es ist wichtig, nach den Ursachen zu fragen: Resultiert dies aus Gleichgültigkeit, Egoismus oder einem Mangel an Kommunikation? Oder liegt bereits ein grundlegendes Empathiedefizit in unserer Gesellschaft vor?
Briefkästen quellen über, Rechnungen bleiben unbezahlt, und nicht selten haben Energieversorger bereits Strom und Gas abgestellt.
Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste entdecken häufig verstorbene Personen in ihren Wohnungen, die bereits seit Wochen, Monaten oder sogar Jahren tot sind. Diese Vorfälle gehören zunehmend zur täglichen Routine der Einsatzkräfte und werden mit Professionalität behandelt. Die Berichterstattung in den Medien erfolgt dann sachlich und nüchtern, ähnlich wie bei Meldungen über einen Ladendiebstahl oder einen Einbruch in einen Kartoffelkeller.
Doch hinter jedem Einsatz verbirgt sich weit mehr, und wer annimmt, dass er für die Einsatzkräfte mit dem Dienstende endet, der täuscht sich. Es bereitet mir große Sorge, immer wieder zu erkennen, dass es in unserer westeuropäischen Kultur möglich ist, umgeben von Tausenden, nebst zahlreichen Verwandten, Freunden und Bekannten einsam zu sterben.
Es kommt immer wieder vor, dass Wochen, Monate oder sogar Jahre vergehen, bevor Verstorbene gefunden werden. Die Betroffenheit ist anscheinend groß. Kinder, Verwandte, Nachbarn – keiner wollte bemerkt haben, dass ein geschätzter Mitmensch über lange Zeit vermisst wurde.
Es ist wirklich erstaunlich, dass es oft klare Anzeichen gibt, die jedoch selten beachtet werden. Überquellende Briefkästen, unbezahlte Rechnungen und häufig abgestellte Strom- und Gasversorgungen sind solche Hinweise. Viele Kleinkriminelle sind in der Lage, diese Signale, die eine gewisse, wenn auch geringe, Anforderung an den menschlichen Verstand stellen, zu ihrem Vorteil zu nutzen. Es scheint, als könnten Nachbarn, Postboten, Stadtwerke und zunehmend auch Verwandte diese eindeutigen Zeichen nicht immer richtig deuten.
Ich beobachtete, wie ein Mitarbeiter eines Catering-Services von einem Altenheim die Behälter mit Mahlzeiten vor der Tür einer älteren Dame stapelte, da offenbar niemand die Tür öffnete. Nachdem bei den Verantwortlichen nachgefragt wurde, öffnete man die Wohnung und stellte fest, dass die Empfängerin der „warmen Mahlzeiten“ bereits so viele Tage verstorben war, wie Mahlzeitenbehälter vor ihrer Tür standen.
Verwandte, Bekannte, Nachbarn und Freunde sind aufgerufen, sich zu engagieren. Die überwiegende Mehrheit der Menschen in unserer westeuropäischen Kultur zelebriert die Weihnachtszeit mit allem, was dazugehört. Es wäre wünschenswert, die Bedürftigen aus unserem Umfeld einzubeziehen – idealerweise nicht nur zu Weihnachten.
Kümmert euch um eure Liebsten, denn eines Tages werden sie nicht mehr sein.
Alfred Brandner