NABU: Baden-Württemberg muss FFH-Mähwiesen besser schützen

Europäischer Gerichtshof verurteilt Deutschland wegen Verlust von artenreichem Lebensraum – Südwesten trägt besondere Verantwortung.

Sie sind bunt, duftend und bieten mit ihrem Blüten- und Nektarreichtum einer Fülle von Schmetterlingen, Wildbienen und anderen Insektenarten eine Heimat. Doch artenreiche Mähwiesen sind ein bedrohtes Paradies, auch in Baden-Württemberg. Sie werden vernachlässigt, überdüngt, übernutzt. Weil ihr Zustand bundesweit miserabel ist und zu wenig getan wurde, um eine Verschlechterung abzuwenden, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Deutschland heute verurteilt. „Das EuGH-Urteil ist ein Paukenschlag für Deutschland und sollte für uns in Baden-Württemberg Ansporn sein, deutlich schneller und effektiver die verbliebenen Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Mähwiesen zu schützen“, sagt dazu der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle.

Absurd: Bebauung von Mähwiesen trotz EU-Urteil

Baden-Württemberg hat insgesamt über 62.700 Hektar Mähwiesen, das entspricht knapp 40 Prozent der Mähwiesenfläche Deutschlands. Damit hat Baden-Württemberg eine besondere Verantwortung, um den Verlust dieser Lebensräume zu stoppen und die artenreichen Wiesen wiederherzustellen. Allein in FFH-Gebieten sind seit 2006 rund 7.700 Hektar davon verloren gegangen. „Viel hängt von Baden-Württemberg ab, dessen Mähwiesen in einem ungünstig-schlechten Erhaltungszustand sind. Zugleich hat das Land mit dem Umbruchverbot, attraktiveren Förderangeboten für bäuerliche Betriebe, zusätzlichem Personal und mehr Beratungsangeboten die Voraussetzung geschaffen, dass sich der Zustand verbessern kann. Was fehlt ist der Team-Spirit zwischen Land, Landratsämtern und Kommunen“, sagt Ingrid Eberhardt-Schad, Leiterin Naturschutz des NABU Baden-Württemberg.

„Wir sind erstaunt, dass einige Landratsämter FFH-Mähwiesen einfach zur Bebauung freigeben, obwohl sie wissen, dass sie verpflichtet sind, diese zu schützen. Damit wird die vom EuGH nun verlangte Wiederherstellung dieser wertvollen Lebensräume ad absurdum geführt, beispielsweise im Hohenlohekreis, in der Gemeinde Schöntal, in Rottenacker im Alb-Donau-Kreis oder in Weil der Stadt im Kreis Böblingen. Wir erwarten, dass mit Genehmigungen für die Bebauung von artenreichen Wiesen in Zukunft wesentlich restriktiver umgegangen wird“, so die NABU-Expertin.

Alarmierender Weckruf an Politik und Kommunen

Sollte Deutschland seinen Verpflichtungen jetzt nicht nachkommen, drohen empfindliche Geldstrafen. Bereits im September 2023 wurde die Bundesrepublik vom EuGH verurteilt, da sie in ihren FFH-Schutzgebieten gegen EU-Naturschutzrecht verstoßen hat. „Wo bleibt die Verantwortung gegenüber unserer Natur? Die EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur zeigt auf, was jetzt nötig ist: Bis 2030 müssen mindestens 30 Prozent der stark beeinträchtigten FFH-Lebensraumtypen wieder in einen guten Zustand gebracht werden. Dafür braucht es Investitionen in die Natur, denn artenreiche Wiesen sind wichtige Lebensräume für eine Vielzahl von Insekten, darunter sind viele Bestäuber. Das Urteil ist ein alarmierender Weckruf an Politik und Kommunen, gemeinsam aktiv zu werden. Wo FFH-Mähwiesen blühen, haben Bagger und zu viel Gülle nichts verloren“, so Enssle.

Hintergrund:

  • FFH-Mähwiesen sind artenreiche Wiesen, die nach der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie geschützt sind. Für sie trägt Deutschland eine europäische Verantwortung. Die Mähwiesen sind durch traditionelle Bewirtschaftung entstanden und zeichnen sich durch eine hohe Blüten- und Artenvielfalt aus. Mähwiesen wurden früher extensiv zur Heugewinnung genutzt, haben aber in der intensiven Landwirtschaft von heute an Bedeutung verloren. Daher wird ihre Pflege durch zusätzliche Fördermittel (in Baden-Württemberg durch FAKT, LPR) unterstützt. Mähwiesen sind mit ihrer Vielzahl an Kräutern und blühenden Pflanzen ein wichtiger Lebensraum bedrohter Tierarten, wie zum Beispiel für die Schmetterlinge Großer Feuerfalter und Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling. In Baden-Württemberg gibt es 62.700 Hektar FFH-Mähwiesen. Nur 37 Prozent davon liegen in FFH-Gebieten, 63 Prozent außerhalb. Allein in den FFH-Gebieten sind seit 2006 rund 7.700 Hektar FFH-Mähwiesen verloren gegangen. Insgesamt befinden sich die FFH-Mähwiesen in Baden-Württemberg in einem ungünstig-schlechten Zustand.
  • FFH-Richtlinie: Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ist eine EU-weite Richtlinie, die seit 1992 dem Schutz bedrohter Arten und Lebensräume dient. Sie bildet die Grundlage für das Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000, in dem Lebensräume (FFH-Gebiete) und Arten geschützt werden.
  • Vertragsverletzungsverfahren: Durch die EU-Naturschutzrichtlinien sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Natura 2000-Schutzgebiete aufzubauen und zu sichern. Diesen Verpflichtungen ist Deutschland bei seinem artenreichen Grünland (dazu gehören die FFH-Mähwiesen) systematisch nicht nachgekommen. Deshalb hat der NABU 2014 eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht, die ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat. Das hat nun zu dem EuGH-Urteil geführt (Rechtssache C-47/23). Darin wird bemängelt, dass Deutschland trotz kontinuierlicher Verschlechterung des Zustands und dem Verschwinden von Wiesen nur unzureichende Erhaltungs- und Widerherstellungsmaßnahmen durchführt. So gibt es in vielen Schutzgebieten keine Gebote oder Regelungen zur Mahd oder Düngung, um die Mähwiesen zu schützen. Zudem werden Landwirtinnen und Landwirte nicht ausreichend für ihre Pflege entlohnt und beratend begleitet.
  • EU-Wiederherstellungsverordnung: Die EU-Wiederherstellungsverordnung gilt seit August 2024. Mit ihr sollen geschädigte Ökosysteme innerhalb der EU wiederhergestellt werden. Bis 2030 müssen mindestens 30 Prozent der stark beeinträchtigten FFH-Lebensraumtypen, wie z.B. die FFH-Mähwiesen, wieder in einen guten Zustand gebracht werden. Die EU-Wiederherstellungsverordnung erhöht den Druck auf Deutschland und die Bundesländer, die Ziele der seit 1992 geltenden FFH-Richtlinie wirklich ernst zu nehmen und ihre Maßgaben umzusetzen.

 

Weitere Infos:

 

Foto: Artenreiche Wiese mit Wiesensalbei, © NABU/Bernhard Etspüler

 

PM NABU Baden-Württemberg

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