Schwalbenstau am Bodensee: Warten auf besseres Flugwetter – NABU Baden-Württemberg: Verlassene Schwalbennester nicht entfernen

Tausende Schwalben harren derzeit am Bodensee aus und jagen, sofern es das Wetter erlaubt, nach Mücken und anderen Insekten. Sie warten auf ein Hoch, dass ihnen beim Abflug gen Süden unter die Flügel greift. „Für Schwalben und Mauersegler als Insektenfresser wird tagelanger Dauerregen schnell lebensbedrohlich. Fluginsekten müssen auch auf dem Vogelzug verfügbar sein, deshalb ist ein plötzlicher Kälteeinbruch ein riesiges Problem, weil Insekten bei nasskaltem Wetter nicht fliegen“, sagt der NABU-Schwalbenbeauftragte Rudi Apel. Ein Großteil der Schwalben aus dem Südwesten ist schon auf der Reise. Wer die Alpen noch nicht überqueren konnte, sitzt jedoch fest und wartet auf besseres Wetter. Durch den Klimawandel treten vermehrt Extremwetterereignisse auf und gefährden die Tiere auf dem Vogelzug. „In Österreich mussten tausende Schwalben, die auf ihrer Route von Norden nach Süden waren, aufgrund des plötzlichen Wetterumbruchs notlanden, viele verhungern und erfrieren“, berichtet Apel.

Rauchschwalbe

Klimaschutz hilft Insektenjägern

Notleidende Schwalben aufzupäppeln ist mühsam – man benötigt viel Zeit, Futter und Geld. Starke Bestandseinbrüche können Schwalben innerhalb weniger Jahre nur dann kompensieren, wenn ihnen die richtigen Lebensräume, Nistplätze und Nahrung in ausreichender Menge und flächendeckend zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass Klimaschutzmaßnahmen auch die Artenvielfalt fördern und damit die besonders betroffenen Insektenjäger stützen. „Umfassender Schwalbenschutz ist in unserer Zeit besonders wichtig, damit Baden-Württemberg weiterhin Schwalbenland bleibt“, betont Bosch.

Aktueller Schwalbenbestand in Baden-Württemberg

Schwalbenexperte Apel hat jüngst die Rückmeldungen aus Baden-Württemberg zum Schwalbenjahr 2024 gesichtet, seine Bilanz fällt gemischt aus: „Es gibt Orte und Regionen mit relativ konstantem Schwalbenbestand, dazu zählen Aspach, Bretzfeld, Nürtingen, Freiburg, Pforzheim und Bernau. In anderen ist er stark eingebrochen, etwa in Bad Säckingen oder Hotzenwald. Generell ist die Zahl der Rauch- und Mehlschwalben seit Jahren rückläufig – vor allem aufgrund von Nahrungsmangel und fehlenden Brutplätzen. Immer noch entfernen Hausbesitzende Schwalbennester, obwohl diese streng geschützt sind. Hinzu kommen Probleme im Winterquartier“, so Apel. Er ruft dazu auf, mehr für den Schwalbenschutz zu tun, sei es durch eine insektenfreundliche Landwirtschaft und ebensolche Gärten sowie das Anbringen von künstlichen Schwalbennestern, denn der diesjährige Nachwuchs braucht nächstes Frühjahr ein eigenes Nest zur Familiengründung.

Neue Nester helfen Schwalbennachwuchs

Mit ihrem Aufbruch in die Winterquartiere im südlichen Afrika markieren die Schwalben jedes Jahr den Startschuss für den Herbst. Beim Abflug merken sie sich ihr Heimatnest, zu dem die Langstreckenzieher nach vielen tausend Flugkilometern im nächsten März zurückkehren. „Für Schwalben ist es einfacher, ein altes Nest zu reparieren als aus 700 bis 1.500 Lehmkügelchen mühsam ein neues Nest zu mauern. Nicht nur besetzte Nester, auch verlassene sind deshalb geschützt und dürfen nicht entfernt werden“, ergänzt NABU-Vogelexperte Stefan Bosch.

NABU-Aktion „Schwalbenfreundliches Haus“

Die Fähigkeit, sich einen guten Nistplatz zu merken und dorthin zurückzukehren, ist wichtiger denn je. Mehl- und Rauchschwalben finden immer seltener geeignete Brutplätze an oder in Wohngebäuden, Reithallen und Stallungen. Aufgrund der zunehmenden Flächenversiegelung fehlt lehmiges Baumaterial fürs Nest. Deshalb zeichnet der NABU interessierte Vogelfreundinnen und -freunde, die sich um den Schutz von Schwalben und deren Nestern an ihren Gebäuden kümmern, mit der Plakette „Schwalbenfreundliches Haus“ aus. „Ob Haus oder Hof, wer die Möglichkeit hat, sollte Schwalben unterstützen, mit einheimischen Pflanzen, die Insekten und damit indirekt Schwalben Nahrung bieten, mit Lehmpfützen als Quelle für Baumaterial und mit Toleranz gegenüber ihren Nistplätzen an Gebäuden“, rät der NABU-Ornithologe daher.

Wer baut und renoviert, muss Nester schützen

Schwalbennester sind zu dulden, egal ob man zur Miete oder im Eigenheim wohnt. Zum Schutz von Schwalben und ihren Nestern empfiehlt der NABU, Dächer und Dachrinnen nur außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten zu erneuern oder zu reinigen. „Der naturfreundlichste Termin für Sanierungsarbeiten am Haus ist die Zeit zwischen Oktober und Februar.“ Vor jeder Renovierungs- oder Umbaumaßnahme oder auch vor einer Gebäudereinigung gilt es, Schwalbennester zu schützen. Wenn im Zuge von Baumaßnahmen Nester entfernt werden müssen, hat der Hausbesitzer oder die Hausbesitzerin für einen Ersatz durch künstliche Nisthilfen zu sorgen. „Eine Ersatzwohnung anzubieten, sollte selbstverständlich sein“, so Apel. Am besten ist es, sich vor Beginn von Bauarbeiten am Haus mit der Unteren Naturschutzbehörde bei der Kreisverwaltung in Verbindung zu setzen und die Ersatzmaßnahmen mit ihr abzustimmen. Dann ist man auf der sicheren Seite und vermeidet eventuelle Rechtsstreitigkeiten und Bußgelder.

Hintergrund:

Infos und Bewerbungsformular „Schwalbenfreundliches Haus

Arteninfos: www.NABU-BW.de/schwalben

Bauanleitung für Kunstnester

Bestände: In Baden-Württemberg stuft die Rote Liste der Brutvögel Baden-Württembergs Schwalben und Mauersegler in verschiedene Gefährdungsgrade ein. Die außen an Häusern brütende Mehlschwalbe (38.000 bis 58.000 Brutpaare) und der Mauersegler (16.000 bis 23.000) werden auf der Vorwarnliste geführt, beide Arten nehmen hierzulande stark ab. Die Rauchschwalbe, die bevorzugt in Ställen brütet, ist als „gefährdet“ eingestuft. Ihr Bestand lag zuletzt laut der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) bei 28.000 bis 40.000 Brutpaaren, schrumpft aber sehr stark.

Foto von Mathias Schaef

PM NABU (Naturschutzbund Deutschland), Landesverband Baden-Württemberg e. V.

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