„In der Gesundheitspolitik liegt vieles im Argen“ Know-how von Göppinger Expertin geschätzt – Denise Hradecky initiiert Projekt in Usbekistan

Wenn es  ums Gesundheitswesen und den Pflegebereich geht, kann sie ein gewichtiges Wort mitreden: Denise Hradecky aus Göppingen gehört zu den Expertinnen, deren Know-how auch international geschätzt wird. Wie zum Beispiel jüngst in Usbekistan, wo sie die Reform im Gesundheitswesen begleitet und den Aufbau einer Hochschule für Gesundheitswissenschaften mit initiiert. In ihrer Wahlheimat Göppingen bringt sich die zweifache Mutter mit ihrem Fachwissen auch ehrenamtlich ein – unter anderem bei der Mittelstands- und Wirtschaftsunion.

Als Denise Farro in Oranjestad auf Aruba, eine zu den Niederlanden gehörende Karibikinsel, ihr Abitur machte und sich anschickte, in Europa Medizin zu studieren, träumte die junge Frau noch von einer Karriere als Ärztin. In Eindhoven startete sie ihr Studium mit den Schwerpunkten medizinische Diagnostik, Strahlen- und Nuklearmedizin. Als radiologische Laborantin wollte sie später ihr Wissen in die Praxis umsetzen. Doch soweit kam es nicht. Sie erkannte bald, dass es im Gesundheitsmanagement und im Verhältnis Arzt-Patient viele Baustellen gab, die es zu beackern gilt. „Ich wollte schon immer Menschen helfen. Aber ich habe gemerkt, dass ich den Patienten im Krankenhaus am besten helfen kann, wenn ich mich um die Organisation und die Regeln im Krankenhaus kümmere. So können sich die Pflegefachkräfte und Ärzte besser um die Patienten kümmern. Ich kann so mehr Menschen helfen, als wenn ich nur am OP-Tisch arbeiten würde.“

Denise Farro wechselte die Seiten. Statt OP-Tisch beriet sie im renommierten Erasmus-Klinikum in Rotterdam den Vorstand, steuerte diverse Projekte u.a. im Bereich Finanz- und Prozessmanagement, im Marketing und im Bereich der Pflege. Dabei setzte sie sich mit der Finanzierung des niederländischen Gesundheitswesens auseinander und war mit Gesundheitsrecht, Gesundheitsökonomie und diversen Organisationsfragen betraut. In jener Zeit hatte sie durch internationales ehrenamtliches Engagement für junge Unternehmen und Führungskräfte auch ein Event der Göppinger Wirtschaftsjunioren besucht.  Dadurch lernte sie den Chef eines Forschungs- und Entwicklungslabors für Pharma, Material und Umwelt in Göppingen kennen und lieben. „Ich habe dann meine Arbeit in Rotterdam aufgegeben und bin hierher ins wunderschöne Göppingen gezogen“, erzählt die Expertin. Hier läuteten bald die Hochzeitsglocken, aus Denise Farro wurde Denise Hradecky.

In ihrer neuen Heimat arbeitete Denise Hradecky zunächst im Labor ihres Mannes mit. Mit Unterbrechungen, denn die Geburt von zwei Kindern ließen für sie erst einmal nach Familienleben in den Mittelpunkt rücken. Doch kaum waren Sohn und Tochter aus dem Gröbsten raus, orientierte sich die Mutter beruflich neu, startete als stellvertretende Pflegedirektorin bei der Medius-Klinik in Nürtingen, wo sie nicht nur mit der Führung von über 700 Pflegekräften betraut war, sondern sich auch um Prozessoptimierung, Budgetcontrolling und Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen kümmerte. Schließlich hatte sie für die Medius-Klinik mal Personal im ehemaligen Jugoslawien angeworben. „Ich bin  nach Serbien gereist, um die Kandidaten für die Pflegestellen kennenzulernen.  So konnte ich neben ihrer fachlichen Qualifikation auch ihre Persönlichkeit einschätzen und sicherstellen, dass sie ins Team passen.  Eine Emigration ist eine große Veränderung, deshalb ist es wichtig, die Kandidaten gut zu beraten. Ich halte es für unerlässlich, dass wir uns vor Ort ein Bild von ihnen machen, um Menschenhandel zu verhindern.“ Von Nürtingen ging der berufliche Lebensweg weiter nach Stuttgart, wo sie als Vertragsprojektleiterin einer hausärztlichen Vertragsgemeinschaft auch mit gesetzlichen Krankenkassen verhandelte oder Projekte zur Hausarztversorgung steuerte.

Frei- und nebenberuflich arbeitete sie als Dozentin. U.a. für die Akademie der Kreiskliniken Reutlingen, wo sie über Gesundheitspolitik, der Rechtsentwicklung im Gesundheitswesen und zur Organisationsfragen zur Weiterbildung referierte. Nicht missen möchte Denise Hradecky ihre Erfahrungen als Wirtschaftsprüfungsberaterin bei BW Partner in Stuttgart. Dort war sie u.a. mit der Erstellung von Prüfberichten und Jahresabschlüssen von kleinen und großen kommunalen Unternehmen betraut, darunter auch zahlreichen Kliniken im ganzen Bundesgebiet. „Hier habe ich ganz nah die miserable finanzielle Situation der Krankenhäuser erfahren können und gesehen, wie hart sie um ihr Überleben kämpfen. Die Politik muss den richtigen Fokus setzen und die richtigen Entscheidungen treffen“.

Ihre beruflichen  Tätigkeiten ließen ihr stets Zeit, sich weiterzubilden.  „Um mein größtes Ziel zu erreichen – Menschen zu helfen – brauche ich multidisziplinäre Kenntnisse. Ich möchte die Materie verstehen und alle Facetten und Besonderheiten der verschiedenen Berufe kennenlernen.“ So legte sie ein Augenmerk auf die Rechtswissenschaften und Finanzmärkte, belegte Online-Studienplätze  u.a. an der Harvard Law School in Massachusetts und  an der University of Cambridge. In Tübingen studierte sie dann Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht, absolvierte ein Praktikum am Amtsgericht in Göppingen und war Stipendiatin eines Kurses „Recht und Demokratie“ in der Universität in Rom. Zwei akademische Grade (Master of Science und Bachelor of Health) schon in der Tasche, belegte Denise Hradecky noch ein Studium an der Fernhochschule Hamburg, wo sie Wirtschaftsrecht studierte und dieses als Master of Laws abschloss.

Das geballte Wissen bringt Denise Hradecky in ihre schon 2016 gegründete Beratungsfirma Interorganizational ein, für die sie vor wenigen Wochen auch in Usbekistan an einer von der Konrad-Adenauer-Stiftung mit organisierten internationalen Konferenz zur Gesundheitspolitik und zum Gesundheitsrecht in der vornehmlich islamisch geprägten ehemaligen Sowjetrepublik teilnahm. Zudem konnte sie in Samarkand, der zweitgrößten Stadt Usbekistans, eine Hochschule für Gesundheitswissenschaften eröffnen, die sie zusammen mit Professor Gerald Sander von der Hochschule für Verwaltung in Ludwigsburg mit initiiert hat. Das Projekt liegt Denise Hradecky sehr am Herzen: „Hier können bis zu 300 Studenten nach deutschen Standards ausgebildet werden. Die ausgebildeten Fachkräfte haben die Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen oder in Usbekistan zu bleiben, um dort die Pflege auf ein höheres Niveau, nämlich den deutschen Standard, zu heben und so das Gesundheitswesen ein Stück zu verbessern.“

Sie gerät ins Schwärmen, wenn sie über die Tage im 19 000 Kilometer entfernten Usbekistan und die Gastfreundschaft der Menschen dort spricht. Man habe engagierte Ideen zur Fortentwicklung des staatlichen Gesundheitswesens diskutiert. Dessen Reform – medizinische Leistungen sind dort noch alle kostenfrei – sei dringend erforderlich.

Wie man Pflegekräfte aus dem Ausland für kommunale Krankenhäuser hierzulande gewinnen kann, hat Denise Hradecky in einem Buch veröffentlicht, wo sie auch eigene Erfahrungen mit verarbeitet hat.  Das Buch hat sie zusammen mit Professor Gerald Sander von der Hochschule für Verwaltung und öffentliches Recht  in Ludwigsburg verfasst und ist  bei SpringerGabler erschienen. Nach ihrem Engagement in Usbekistan legt Denise Hradecky ihre Hände nicht in den Schoss. Soeben schreibt sie an ihrem zweiten Buch, in dem es um die Transparenz im Gesundheitswesen geht.

Das berufliche Engagement bremst Denise Hradecky bei ehrenamtlichem Engagement nicht aus. So u.a. als Vorstandsmitglied beim Kiwanis-Club in Stuttgart aktiv, einer Hilfsorganisation für Kinder in Not. Zudem engagiert sie sich im Vorstand des CDU-Stadtverbandes Göppingen, sowie auf Bezirksebene in den Führungszirkeln bei der Frauenunion und in der Mittelstands- und Wirtschaftsunion. Ihr Credo: Von ihrem beruflichen Wissen soll auch die Politik profitieren. „In der deutschen Gesundheitspolitik liegt einiges im Argen, das reformiert gehört“, analysiert Hradecky und will mit ihren Ideen die Zuständigen in Parlamenten und Regierungen erreichen.

Foto:  Mit Professor Gerald Sander (l.) von der Hochschule in Ludwigsburg hat Denise Hradecky ein Buch über die Anwerbung von Pflegekräften veröffentlicht.

 

Rüdiger Gramsch

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