Erfolgreiche Klage der Deutschen Umwelthilfe für Saubere Luft: Bundesregierung muss Nationales Luftreinhalteprogramm verbessern

  • Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verurteilt Bundesregierung wegen zu hoher Luftschadstoffemissionen zu einem der Realität entsprechenden Nationalen Luftreinhalteprogramm
  • Gericht bestätigt Kritik der DUH: Nationales Luftreinhalteprogramm weist erhebliche Mängel auf, um europäische Vorgaben zur Reduzierung von insbesondere Stickstoffoxiden, Feinstaub und Schwefeldioxid einzuhalten
  • DUH fordert als Sofortmaßnamen die Nachrüstung von 8 Millionen Betrugs-Dieseln oder deren Stilllegung auf Kosten der Dieselkonzerne, ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h außerorts, die Reduktion der Tierzahlen in der Massentierhaltung für weniger landwirtschaftliche Emissionen und Filterpflicht für Baumaschinen und Holzheizungen

Die Bundesregierung muss das Nationale Luftreinhalteprogramm ändern. Dazu wurde sie heute vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg aufgrund einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) verurteilt. Die DUH hatte im Mai 2020 Klage erhoben, weil das Nationale Luftreinhalteprogramm nicht ausreicht, um die Europäischen Reduktionsvorgaben für Stickstoffoxide, Feinstaub, Ammoniak und Schwefeldioxid aus der NEC-Richtline sicher einzuhalten. Diesem Vorwurf der DUH ist das Gericht in seinem heutigen Urteil gefolgt, in dem es feststellte, dass das am 15. Mai 2024 beschlossene Nationale Luftreinhalteprogramm auf in wesentlichen Teilen veralteten Daten beruht. Die Bundesregierung muss nun unverzüglich mit geeigneten Maßnahmen nachbessern. Das heutige Urteil zieht erstmals die Bundesregierung für die Verbesserung der Luftqualität in Deutschland juristisch zur Verantwortung. Die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt die Klage.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, kommentiert das Urteil: „Heute ist ein besonders guter Tag für die Saubere Luft in Deutschland. Anders als bei den 40 regionalen Luftreinhalteklagen ist es uns mit diesem wegweisenden Urteil erstmals gelungen, die Giftstoffe an der Quelle zu begrenzen und die Bundesregierung zu konkreten zusätzlichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz für die Menschen in Deutschland zu verurteilen, um zehntausende vorzeitige Todesfälle zu verhindern. Zum ersten Mal wird nun die Bundesregierung für ihre jahrelange Untätigkeit bei der Luftreinhaltung verurteilt. Das Gericht hat heute der Verschleppungstaktik der Bundesregierung einen Riegel vorgeschoben und sie dazu verpflichtet, ihr unzureichendes Nationales Luftreinhalteprogramm mit effektiven und bundesweit wirkenden Maßnahmen zu verbessern. Wir werden nun die seit neun Jahren überfällige technische Nachrüstung von acht Millionen Dieselfahrzeugen mit bis zu vierzigfach überhöhten Abgaswerten durchsetzen, alternativ deren Stilllegung – auf Kosten der des Betrugs bereits überführten Dieselkonzerne, die Filterpflicht für Holzheizungen und Baumaschinen und eine deutliche Reduzierung der intensiven Nutztierhaltung in Verbindung mit einer Flächenbindung der Tierzahlen in Deutschland für weniger Ammoniakausstoß, damit die Menschen endlich Saubere Luft zum Atmen haben.“

Durch die ungenügende Maßnahmenumsetzung in der nationalen Luftreinhaltepolitik wird den Menschen in Deutschland seit Jahren ihr Recht auf Saubere Luft verwehrt. Allein in Deutschland sterben jährlich knapp 28.000 Menschen vorzeitig aufgrund von Stickstoffdioxid und 68.000 Menschen aufgrund von Feinstaub PM2,5. Weitere Folgen der Luftverschmutzung sind schwerwiegende Erkrankungen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma und Schlaganfälle.

Emma Bud, Anwältin von ClientEarth: „Das Gericht in Berlin hat heute bestätigt, was wir schon seit Jahren wissen: Die Bundesregierung tut nicht genug, um Bürgerinnen und Bürger vor giftiger Luftverschmutzung zu schützen. Jedes Jahr werden Unmengen an illegalen Schadstoffen in die Luft gepumpt. Das führt jedes Jahr zu vorzeitigen Todesfällen und einem stark belasteten Gesundheitssystem. Es ist an der Zeit, dass die Regierung endlich ausreichende Schritte unternimmt, um die Gesundheit von Einwohnerinnen und Einwohnern zu schützen und das öffentliche Gesundheitssystem vor diesen völlig vermeidbaren Kosten zu bewahren.“

Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH zusammen mit Caroline Douhaire vor Gericht vertrat: „Ein ‚Augen-zu-und-durch-Programm‘ wie es die Bundesregierung im Mai 2024 beschlossen hat, hat rechtlich keinen Bestand. Es enthält zu viele Fehler, die vor allem darauf zurückzuführen sind, dass sich die Koalition über ein Jahr nicht einigen konnte. Viele Annahmen des Programms waren daher mittlerweile veraltet.“

Hintergrund:

Die National Emissions reductions Commitments Richtlinie (NEC-Richtline 2016/2284/EU) ist eine 2016 eingeführte europäische Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen und verpflichtende Reduktionsvorgaben für Emissionen von fünf Luftschadstoffen: Stickstoffoxide (NOx), Schwefeldioxid (SO2), flüchtige organische Verbindungen außer Methan (NMVOC), Ammoniak (NH3) und Primärer Feinstaub (PM2,5). Im Rahmen der NEC-Richtlinie sind Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Nationale Luftreinhalteprogramme (NLRP) zu erstellen, die Maßnahmen zur Erreichung der verpflichtenden Minderung des Luftschadstoffausstoßes bundesweit enthalten und alle vier Jahre aktualisiert werden müssen. Zur Kontrolle der Vorgaben müssen überdies die EU-Staaten jährlich Emissionsberichte veröffentlichen und alle zwei Jahre Emissionsinventare erstellen.

Konkret wirft die DUH der Bundesregierung vor, gegen die NEC-Richtlinie zu verstoßen: Die Maßnahmen im Nationalen Luftreinhalteprogramm reichen nicht aus, um sämtliche Reduktionsziele für 2025 und 2030 sicher einhalten zu können. Zudem hat die Regierung viele der in ihren Prognosen bereits eingerechneten Maßnahmen abgesagt oder abgeschwächt: So wurde im Heizungsgesetz die Nutzung von Holzheizungen nicht beschränkt und es wurde keine verpflichtende Abgasreinigung vorgeschrieben. Die im NLRP einkalkulierte Verlängerung der Kaufprämie für Elektrofahrzeuge wurde zum Jahresende 2023 gestrichen und auch die Abgasnorm Euro 7 sieht entgegen der Planung keine Verschärfungen für Pkw vor, was zu erheblich mehr Schadstoffen, insbesondere des Dieselabgasgifts Stickstoffdioxid, führt.

Link:

PM Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)

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