Seit 2001 wird in Ellwangen ein spannendes Kapitel der süddeutschen Landesgeschichte in einem neuen Museum beleuchtet. Im Zuge der Völkerwanderung von den Sueben an der Elbe aus hier eingewandert sind die Alamannen sozusagen die Ur-Schwaben, denn der alte Name geriet offensichtlich nie in Vergessenheit.
Archäologische Funde aus ganz Süddeutschland bieten einen Überblick über fünf Jahrhundert alamannischer Besiedlung vom 3. bis zum 8. Jahrhundert nach Christus. Zahlreiche Originalfunde, Inszenierungen und interaktive Medien animieren zur Auseinandersetzung mit dieser Epoche. Im Mittelpunkt steht das nahe gelegene Lauchheim, wo von 1986 bis 2005 nicht nur der größte alamannische Friedhof mit wertvollen Grabbeigaben, sondern auch die zugehörige Siedlung mit einem Herrenhof und reich ausgestatteten Hofgrablegen entdeckt wurde. Ein Glücksfall, der einmalige Einblicke in das Leben in einem frühmittelalterlichen Dorf ermöglicht.
Das Museum befindet sich direkt an der B 290 Aalen – Crailsheim im Gebäude der Nikolauspflege, einem der ältesten noch erhaltenen Armen- und Siechenhäuser Südwestdeutschlands. Das Haus wurde 1593 unter dem Ellwanger Fürstprobst Wolfgang von Hausen errichtet, dessen Wappen auch die Außenfassade ziert. Der Ausstellungsbereich erstreckt sich über drei Stockwerke. Im 1. Obergeschoss sind zusätzlich regelmäßig Sonderausstellungen zu sehen. Nach dem Museumsbesuch laden die Cafeteria, der Museumsgarten mit der Nikolauskapelle und der Museumsshop zum Verweilen ein.
Der Rundgang beginnt mit dem Textilhandwerk: Die Herstellung von Textilien aus Wolle und Flachs war in alamannischer Zeit Frauensache. Da Flachs feucht verarbeitet wird, standen die Webstühle in tief in den Boden eingelassenen Webhütten. Der Blick auf auf die Landwirtschaft der damaligen Zeit zeigt: Die Alamannen waren Selbstversorger. Mit Hilfe von Sicheln und Sensen holten sie ihre Ernte ein. In Lauchheim stand sogar eine Wassermühle, wie es sie damals nur in bedeutenden Orten gab. Eine weiteres, durch entsprechende Funde gut dokumentiertes Thema ist das Holzhandwerk dieser Zeit: Möbel, Ess- und Tischgeschirr, aber auch Holzschilde wurden vom alamannischen Schreiner hergestellt. Dabei arbeitete er eng mit dem Drechsler zusammen, etwa bei Stühlen und Betten.
Die frühen Alamannen sind mit dem erst 2006 beim Bau einer Pipeline entdeckten Bernsteincollier aus Bopfingen-Trochtelfingen vertreten, in dem auch Glasperlen aus spätrömischen Werkstätten verarbeitet sind. Prunkschwerter mit Goldgriff wie das im Museum gezeigte aus Villingendorf bei Rottweil waren in der Zeit um 450 bis 500 ein Rangabzeichen hochstehender Amtsträger und Gefolgschaftsleute der alamannischen Kriegergesellschaft.
Die frühmittelalterliche Siedlung von Lauchheim bestand aus mehreren benachbarten Höfen. Eine adelige Familie bewohnte den Herrenhof am Ortsrand. Ein langer Zaun um das Dorf und die vorbeifließende Jagst boten Schutz. Reiten war für adelige Alamannen von besonderer Bedeutung – auch nach dem Tod. Für den Ritt ins Jenseits wurde ihnen das Pferdegeschirr, manchmal sogar ihr Reitpferd mit ins Grab gegeben. Goldschmiede waren Kunsthandwerker mit modischem Gespür. Für die reich verzierten Goldscheibenfibeln (Gewandspangen) stellten sie Drähte aus goldenen Blechstreifen her. Beliebt war Goldschmuck mit roten Granateinlagen. Als besonderes Zeichen seiner Macht fand sich im Grab eines Adeligen in Lauchheim ein 12,58 Gramm schwerer Siegelring aus purem Gold – gefertigt, um Urkunden zu besiegeln. Andere Adelige ließen sich Hügel über ihren Gräbern errichten.
Ein besonderes Kapitel der alamannischen Geschichte sind die Goldblattkreuze aus hauchdünnem Goldblech, die den Toten in der Spätzeit auf das Leichentuch genäht wurden. Die Christianisierung der Alamannen zog sich lange hin. Erste Kirchen gab es hier ab etwa 550. Aber selbst nach 700 wurden in Lauchheim noch einzelne Verstorbene traditionell mit Schmuck oder Waffen bestattet.
Sonderausstellung: Bis 7. Juli 2024 ist im Alamannenmuseum die Fotoausstellung „Du bist Welterbe“ des Vereins Deutsche Limes-Straße zu sehen. Gezeigt werden die preisgekrönten Fotos eines Fotowettbewerbs anlässlich des 25-jährigen Jubiläums dieser Tourismusstraße.
Alamannenmuseum Ellwangen
Haller Straße 9
73479 Ellwangen
Telefon 07961 969747
Telefax 07961 969749
www.alamannenmuseum-ellwangen.de
Öffnungszeiten:
Di-Fr 14.00–17.00 Uhr
Sa, So 13.00–17.00 Uhr
Eintrittspreise
Erwachsene: 4,00 €
ermäßigt: 3,00 €
Familie (2 Erwachsene mit Kindern): 9,50 €
Schulklassen: pro Schüler 1,20 €
Kinder unter 6 Jahren: frei
Gruppen ab 12 Personen: pro Person 3,50 €
Führung (max. 25 Personen): 45,00 €
Besuchen Sie uns auch bei Facebook.
Foto: Frühalamannisches Bernsteincollier aus Bopfingen-Trochtelfingen (Foto: Museum)
PM Alamannenmuseum Ellwangen