MP Kretschmann will Sektorenziele beim Klimaschutz debattieren – BWIHK-Präsident Erbe: Anpassungen wären aus Sicht der Südwestwirtschaft zu begrüßen

„Es ist gut, wenn das Land das eigene Klimaschutzgesetz mit den Vorgaben des Bundes abgleicht und entsprechend harmonisieren würde. Denn mit dem baden-württembergischen Klimaschutzgesetz liegt die Messlatte der Landesregierung durch die angestrebte Klimaneutralität in 2040 ohnehin bereits deutlich höher als auf Bundesebene. Es ist auch zu beachten, dass schon mehrere Studien die wirtschaftliche Erreichbarkeit analysiert und in Frage gestellt haben“, so Christian O. Erbe, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK). Dies sei nicht nur bei der jüngst durch Prognos für den BWIHK erarbeiteten Studie ‚Umsetzung der Klimapfade in Baden-Württemberg‘, sondern ebenso beispielsweise in der Untersuchung ‚Sektorziele 2030 und klimaneutrales Baden-Württemberg 2040‘ (u.a. ifeu, Fraunhofer ISI, Öko-Institut) aus 2022 der Fall.

Erbe weiter: „Insgesamt muss bereits für jeden einzelnen Sektor ein äußerst hohes Ambitionsniveau festgehalten werden. Da es im Klimaschutz jedoch maßgeblich auf Geschwindigkeit ankommt, sind frühe Einsparungen wert- und sinnvoller als spätere – unabhängig in welchem Sektor diese erreicht werden. Ansonsten ist weder dem Klima noch der Wirtschaft oder der Gesellschaft geholfen. Es ist sinnvoller, vorausschauend in Vermeidung und auch in etwaige Anpassung zu investieren, als nachträglich gesamtgesellschaftliche und volkswirtschaftliche Schäden ausgleichen zu müssen.“ Klimaschutz werde durch erzwungene lineare Steuerung ineffizienter und teurer. Investitionen brauchten Zeit und bestimmte Voraussetzungen (z.B. Infrastruktur), um wirken zu können. „Eine erzwungene Einhaltung der Sektorenziele sollte im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit im nationalen und internationalen Kontext also nicht einseitig zu Lasten der Wirtschaft erfolgen. Besser sollte im Sinne eines Effizienzgebots agiert werden, dass das Maximum an eingesparten Tonnen Treibhausgas im Verhältnis zu den dafür eingesetzten finanziellen Mitteln forciert.“

Es sei zudem nach wie vor unklar, wie die Operationalisierung der ressortspezifischen Maßnahmen durch das Klimaschutzgesetz in den einzelnen Sektoren aussehen solle. Ein stringenter Umsetzungspfad, der zur jeweiligen Zielerreichung führe, existiere in kaum einem Sektor. „Es müssen also dringend konkrete Dekarbonisierungspfade für die einzelnen Wirtschaftszweige aufgezeigt werden – hierzu fand bisher keine echte Einbindung der Wirtschaft statt. Gerade die Industrie wird hier gewissermaßen sich selbst überlassen, wie die ambitionierten Ziele realisiert werden sollen“, betont der BWIHK-Präsident. Klimaschutz sei in der Wirtschaft klar angekommen und gelte mittlerweile als Paradigma des Wirtschaftens. Perspektivisch beschleunige sich die Geschwindigkeit auf dem Weg der Transformation zu einer emissionsarmen Wirtschaft also.

„Gerade vor diesem Hintergrund sollten der Wirtschaft keine Flexibilitätsoptionen verbaut werden, indem bestimmte technologische Ansätze ausgeschlossen oder starre Maßnahmen zur Sektorenzielerreichung beibehalten werden. Anstelle steigender Bürokratie bedarf es vor allem einer gravierenden Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien und genehmigungsbedürftige Industrieanlagen. Denn ohne massiven Zubau erneuerbarer Energien und ohne den drastischen Umbau der Industrie inklusive Transformation der Produktionsanlagen ist es nicht realistisch, das Ziel im Industriesektor zu erreichen“, so Erbe. Zudem bedürfe es dringend der Weichenstellung für die Wasserstofferzeugung und -verteilung in Baden-Württemberg, da nicht alle Sektoren vollständig elektrifizieren könnten – „zumindest mittelfristig kommen wir hier nicht ohne die Verbrennung flüssiger oder gasförmiger Energieträger aus“, ergänzt Erbe. „Um den Weg zum großflächigen Zugang zu ‚grünen Molekülen‘ zu ebnen, braucht es ein unmittelbares und klares politisches Bekenntnis, kürzere Genehmigungszyklen, infrastrukturellen Ausbau und internationale Partnerschaften.“

Weiter stelle sich die grundsätzliche Frage nach der Realisierbarkeit der Sektorenziele des Landes in den Bereichen Industrie und Verkehr. Diese gehen über die Ziele des Bundes hinaus, gleichzeitig sind hier aber die tatsächlichen Möglichkeiten zur Einflussnahme seitens der Landesregierung äußert begrenzt. Selbiges gilt für die nach wie vor ungeklärte Diskrepanz zwischen dem Neutralitätsziel des Landes bis 2040 und des Bundes bis 2045. „Hier sollte das Land auf Anreizwirkungen und widerspruchsfreie Regelungen setzen, da sonst Fehlinvestitionen drohen und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts in Gefahr ist“, schließt der BWIHK-Präsident.

Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) ist eine Vereinigung der zwölf baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (IHKs). In Baden-Württemberg vertreten die zwölf IHKs die Interessen von weit mehr als 650.000 Mitgliedsunternehmen. Zweck des BWIHK ist es, in allen die baden-württembergische Wirtschaft und die Mitgliedskammern insgesamt betreffenden Belangen gemeinsame Auffassungen zu erzielen und diese gegenüber der Landes-, Bundes- und Europapolitik sowie der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und anderen Institutionen zu vertreten.

 

PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag

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