Es geht insbesondere um die Ersteinschätzung und Erhebung einer Anamnese nebst Arbeitsdiagnose, den Ausschluss von weiteren Erkrankungen und Kontraindikationen, so wie der Aufklärung zu beabsichtigten Maßnahmen.
Als gemeinsames Ziel, steht die optimale Erstversorgung des Notfallpatienten, ggf. auch unter Einbeziehung von Ersthelfern
Ich nehme als Teilnehmer an einem Selbstverteidigungsseminar in München teil. Es ist ein herrlicher Tag, und ich, als Baden-Württemberger, hatte die Gelegenheit, an diesem schönen Seminar dabei zu sein. Die Stimmung war sehr gut. Viele nette Menschen waren zugegen – einige kannte ich bereits, und andere habe ich kennengelernt.
Meine Expertise beschränkt sich nicht nur auf den Sportbereich – auch in der Notfallmedizin bin ich tief verwurzelt. Über dreißig Jahre Erfahrung als professionelle Rettungskraft im Einsatzdienst, auf einer Vielzahl von Rettungsfahrzeugen und jahrelange Tätigkeit in der Notfallvorsorge und -versorgung bei großen Kampfsportevents, bilden eine solide Arbeitsbasis. Zudem sichern tausende Stunden fortlaufender Weiterbildung meinen aktuellen Kenntnisstand.
Während ich den Ausführungen des Referenten folge, bemerke ich einen Sportler, der mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden liegt. Eine Gruppe von Sportlern und Zivilpersonen deutet auf das Geschehen hin. In der Annahme, dass Hilfe benötigt werden könnte, entschuldige ich mich bei meiner Gruppe und begebe mich zur vermuteten Unfallstelle. Schon aus der Ferne sehe ich, wie die Ersthelfer versuchen, den Sportler auf dem Hallenboden zu positionieren – seine Schmerzensschreie untermalen die Szene. Offensichtlich war ein Kniegelenk verletzt.
Es war schwierig, mich dem Patienten zu nähern. Trotz meiner Vorstellung als „Rettungsfachkraft“ war es eine Herausforderung, mitwirken zu dürfen. Fachkundige Unterstützung wurde wiederholt von Begleitern und dem Patienten selbst abgelehnt. Komplexe Abläufe waren aufgrund der Eigendynamik unter den vielen hilfsbereiten Personen nicht umsetzbar. Sie alle waren eifrig dabei, mit Ratschlägen und Anweisungen zu helfen, legten Kühlpads an und verwendeten Kühlspray.
Ich habe keine qualifizierte Ersteinschätzung vorgenommen, da der Wille des Patienten zu respektieren ist. Über den weiteren Verlauf bin ich nicht informiert, da ich mich vom Notfallort entfernt hatte.
Letztendlich waren die Bemühungen der Ersthelfer und Sportler im Vergleich zur oft fehlenden Hilfsbereitschaft bei Notfällen in der Öffentlichkeit zumindest zufriedenstellend.
Trotzdem besteht das Risiko, dass ernsthafte Verletzungen mit der Gefahr dauerhafter Schäden übersehen werden könnten.
Fachliche fundierte Hilfe darf man schon in Anspruch nehmen, denn es wird erwartet, dass Rettungsfachkräfte mit dem Staatsexamen einen umfassenden Wissensstand erreicht haben, da präklinische Notfallmaßnahmen keine trivialen Handlungen darstellen. Dies umfasst vor allem die Ersteinschätzung und Anamneseerhebung sowie die Arbeitsdiagnose, den Ausschluss weiterer Erkrankungen und Kontraindikationen und die Aufklärung über geplante Maßnahmen. All dies erfordert eine angemessene Aus- und Weiterbildung, die selbst andere medizinische Berufsgruppen nicht immer haben.
Die Person mit der besten Qualifikation übernimmt die Führungsposition im Team. Ein offener und ehrlicher Umgang, gepaart mit dem nötigen gegenseitigen Respekt, ist die unverzichtbare Basis aller Handlungen. Unser gemeinsames Ziel ist es, die optimale Erstversorgung von Notfallpatienten zu gewährleisten, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Ersthelfern, die bereits vor unserem Eintreffen Erstmaßnahmen ergriffen haben – sie haben unsere Anerkennung verdient!
Alfred Brandner