Als nur schwer eingrenzbare Spirituosengattung erinnert Amaro an Bitterliköre wie Campari und Aperol. Das italienische Wort bedeutet “bitter” und der Name ist auch Programm. Tatsächlich schmeckt ein Amaro ähnlich wie ein deutscher Kräuterlikör, unterscheidet sich aber von ihm in einigen grundlegenden Eigenschaften wie Geschmack und Herkunft.
Botanicals, Kräuter und Wurzeln
Die Kräuter, die vom Destillateur in der Fachsprache “Drogen” genannt werden, sind beim Amaro heimisch. Das bedeutet, dass sie aus Italien kommen und somit auch über ein mediterranes Geschmacksprofil verfügen. Klassischerweise werden demnach Rhabarber, Enzian, Thymian, Kamille, Artischocke und Zitronenmelisse, aber auch Orangenschalen, Sternanis und Vanille verwendet. Bei der Auswahl geht es nicht nur um den Geschmack, sondern auch die gesundheitsfördernden Eigenschaften der Kräuter und Wurzeln. So wird beispielsweise gern Fenchel für seine verdauungsfördernden Eigenschaften verwendet und Minze als schmerzlinderndes und beruhigendes Heilmittel.
Mazeration in Glas oder Eiche
Ähnlich wie bei der Produktion von Gin werden die Zutaten zunächst in Alkohol eingelegt, der in der Regel aus Getreide gewonnen wird. Dieser Vorgang nennt sich Mazeration und sorgt mit ein wenig Zeit dafür, dass der Alkohol die verschiedenen Aromen aufnimmt. Anschließend wird er mit Zuckersirup gesüßt und in Flaschen oder Eichenfässern gereift. Ist dieser Prozess abgeschlossen, erhält das finale Produkt einen Alkoholgehalt von 16 bis 45 Prozent. Die Abweichungen sind genauso vielfältig wie die Zutaten selbst. Die Herstellung der Amari ist eben eine kulturell sehr diverse Sache, die sich von Ort zu Ort grundlegend unterscheiden kann. Charakteristischerweise sind Amari allerdings bitter-süßlich, haben einen vollmundigen Körper und sind farblich dunkel.
Kalt, warm oder im Cocktail
Ein Amaro kann im Schnapsglas gut pur oder mit Eis und Zitrone genossen werden. Während deutsche Kräuterliköre sowohl vor als auch nach dem Essen serviert werden können, dient der Amaro meist als Digestif, also als Absacker nach der Speise. An kühlen Tagen ist er aber auch warm und mit Orangenschale ein wahrer Gaumenschmaus und braucht keine weiteren Zutaten um zu strahlen. Wer lieber an seinem Getränk nippt, sollte den Amaro unbedingt als sanfte Zugabe in einem Cocktail wie dem klassischen “Old Fashioned” probieren. Als zarte Alternative zu den sonst üblichen Cocktailbitters ist der Amaro ein echter Alleskönner.
Historisch wertvoll
Amari wurden bereits lange vor dem 17. Jahrhundert produziert, doch zu dieser Zeit setzten Heilkundler sie vorwiegend zu medizinischen Zwecken ein. Sie sollten bei Magenverstimmungen und Verdauungsbeschwerden helfen, aber auch Kinder beruhigen. Die Italiener waren schon damals davon überzeugt, dass eine gute Verdauung die Grundlage für Gesundheit und Wohlbefinden ist. In manchen Fällen wurden Amari sogar morgens getrunken, um nach kurzen Nächten schneller wach zu werden und besser in den Tag starten zu können. Schon damals erhielten sie Zucker, um das Trinken zu erleichtern. Im 19. Jahrhundert wurden die Amari zunehmend kommerziell hergestellt und gehandelt, denn in diesem Zeitraum begannen die Italiener, den Likör dem Genuss zuliebe zu trinken. Als dann im 20. Jahrhundert die Kultur des Cocktails begann und kreative Rezepturen eine ganze Bandbreite an neuen Getränken erzeugten, wurden Amari allerorts bekannt und beliebt. In Italien befindet sich wohl auch heute noch in fast jedem Haushalt eine Flasche Amaro.
PM