Das hat es in Uhingen bisher noch nicht gegeben: Die besten Köche eines Landes bereiteten sich in Uhingen für die Intergastra auf die Olympiade der Köche vor. Das Team aus Estland verbrachte einige Tage im Kreis Göppingen und nutzte die Großküche des Uditoriums für die Vorbereitungen. „Das hat man nicht alle Tage“, staunt auch Uhingens Bürgermeister Matthias Wittlinger. Am Ende springen zwei Medaillen für das Koch-Team heraus.
Köche aus der ganzen Welt hatten Anfang Februar ein Ziel: Bei der 26. IKA/Olympiade der Köche, die während der Intergastra vom 3. bis 7. Februar in Stuttgart stattgefunden hat, die Jury von sich, den eigenen Kochkünsten und den Rezepten aus dem Heimatland zu überzeugen. Bei diesem Wettbewerb spielte auch die Stadt Uhingen eine gewisse Rolle. Denn das Nationalteam der Köche aus Estland logierte in Uhingen im Hotel Ochsen und nutzte im benachbarten Uditorium die Großküche für die Vorbereitungen.
„Die Küche ist sehr gut, wir haben genügend Platz für unsere Arbeitsschritte und um uns zu bewegen und ausreichend Stauraum im Kühlschrank, um unsere Lebensmittel zu lagern“, sagt Taigo Lepik, Präsident des estnischen Kochverbands, auf Englisch. Und Stauraum ist für das Team um deren Captain Marko Somer enorm wichtig: Zirka zwei Tonnen an Fracht machten sich vor Beginn der Intergastra auf den Weg von Estlands Landeshauptstadt Tallinn ins zirka 2100 Kilometer entfernte Uhingen. In den zwei Transportern samt einem Anhänger befanden sich neben notwendigem Equipment wie Messer, Küchenmaschinen (Vakuumierer, Aufschnittmaschine und vieles mehr) auch für die typisch estnischen Gerichte notwendige Zutaten.
Und voller Feuereifer legen die Köchinnen und Köche in der Großküche los, jeder Handgriff sitzt: Gemüse wird geschält, kleingeschnitten, verpackt und im Kühlschrank gelagert. Das gleiche gilt für Fisch und Fleisch. Denn bei der Intergastra bleibt keine Zeit für vorbereitende Arbeiten. Da müssen die Teams abliefern. Und wie sie abliefern, das trainieren die Frauen und Männer ebenfalls in der Großküche des Uditoriums, studieren jeden einzelnen Schritt bei der Zubereitung der estnischen Gaumenfreuden ein.
Insgesamt traten zirka 1200 Köchinnen und Köche aus 55 Nationen bei der Olympiade der Köche in Stuttgart an. Und für das Team aus Estland stellte die Erfahrung eine Premiere dar: Erstmals nahm das Land an der IKA/Olympiade der Köche teil. Sechs Nationalmannschaften traten immer gegeneinander an. Am 3. Februar konkurrierten die estnischen Köchinnen und Köche mit den Teams aus Malaysia, Tschechien, der Schweiz, Hongkong sowie Schweden und servierten ein 3-Gänge-Menü: unter anderem eine Walnussforellenterrine, Langustenmousse Buchweizenrolle mit Frischkäse und Forellenbeeren sowie Hirsch-Buchweizen-Ragout, Wildpilzkrokette mit Speck, schwarze Johannisbeere und abschließend weiße Schokoladen-Brombeer-Ganache. Am 6. Februar galt es, gegen die gleichen Konkurrenten ein 7-Gänge-Menü zu kreieren sowie eine Skulptur aus Schokolade zu zaubern: ein filigraner Schwan entstand in mühsamer Handarbeit.
„Das ist kein Zuckerschlecken“, weiß Susanne Weißkopf aus langjähriger Erfahrung als Gastronomin. Sie hatte auch dafür gesorgt, dass das Team aus Estland, das aus hochdekorierten Köchen besteht, nach Uhingen gekommen ist. Die Vorsitzende im Kreisverband des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) ist zugleich im Landesverband Baden-Württemberg im Vorstand aktiv und daher bestens mit der Intergastra vertraut. Denn der DEHOGA organisiert die Leitmesse für die Hotellerie und Gastronomie in Stuttgart. „Daher weiß ich, dass für die Teams aus aller Herren Länder nach geeigneten Räumen gesucht wird“, sagt Susanne Weißkopf. Während Unterbringungsmöglichkeiten kein Problem sind, sieht es mit adäquaten Räumen zur Vorbereitung anders aus: Ein großes Küchenteam kann sich auf die Internationale Kochkunst-Ausstellung (IKA)/Olympiade der Köche schließlich nicht in einer kleinen Kochnische vorbereiten. „Glücklicherweise haben wir im Uditorium eine geeignete Küche, die den Anforderungen gerecht wird“, fügt Susanne Weißkopf hinzu, die sich mit Herzblut um ihre Gäste kümmert. Denn: „Das ist eine tolle Werbeaktion, um die Stadt Uhingen weit über die Grenzen des Landkreises, des Landes und der Bundesrepublik bekannt zu machen.“
Und diese machten im Hotel Ochsen, wo sie einquartiert waren, ganz große Augen wegen eines kleinen Details über einen bedeutsamem Mann aus ihrem estnischen Heimatland: An einer Wand hängt ein Bild von Erki Nool, mehrfacher Medaillengewinner im Zehn- und Siebenkampf bei Europa- und Weltmeisterschaften sowie olympischen Spielen. „Er war früher immer mal wieder bei uns und mittlerweile sind wir befreundet“, verrät Susanne Weißkopf. Uhingen und Estland haben demnach schon eine langjährige Tradition miteinander. Und der jüngste Höhepunkt war also der Besuch des estnischen Nationalteams der Köche.
„Das kommt nicht alle Tage vor“, weiß auch Bürgermeister Matthias Wittlinger, der die Gäste der Stadt im Uditorium begrüßt hat. Nicht nur der Besuch sei eine Premiere, sondern auch die Tatsache, dass er nun Grußworte nach fast 20 Jahren im Amt als Bürgermeister in englischer Sprache halten darf. „Ich hoffe, dass wir Ihnen sehr gute Rahmenbedingungen für ihren Wettbewerb zur Verfügung stellen können“, sagt er eingangs und skizziert in einigen wenigen Sätzen die Stadt an der Fils, die es dank Automobil- und Werkzeugbau sowie Dank Biathlet Simon Schempp zu einer gewissen Berühmtheit geschafft hat. Eine Kocholympiade sei eine spannende Möglichkeit für Profis, ihr Talent zu zeigen und sich mit anderen kulinarischen Experten zu messen. Wer ein Talent habe, übe es gerne aus und möchte seine Fähigkeiten immer weiter verbessern und steigern. Gut zu sein sei dabei relativ einfach, „zu den Besten zu gehören dagegen umso schwieriger“. Es erfordere viel Disziplin und noch mehr Training, seine Fähigkeiten auf so hohem Niveau zu halten und weiter auszubauen. „Mit der Teilnahme an der Koch-Olympiade haben Sie bereits eine große Auszeichnung erreicht. Sie vertreten Ihre Nation im Wettbewerb. Für mich ist das etwas ganz Besonderes.“
Zugleich lobt Matthias Wittlinger Susanne Weißkopf, die sich außerdem im Gemeinderat der Stadt Uhingen engagiert. „Sie hat nicht nur Weitblick und Sachverstand, sie zeichnet auch aus, dass ihr Herz am rechten Fleck sitzt und sie bei ihrer Arbeit nie den Menschen aus den Augen verliert.“ Das estnische Nationalteam der Köche und deren Begleiter seien bei einer sehr aktiven, rührigen und menschlichen Gastgeberin untergekommen. Die Bestätigung folgte prompt: „Uns gefällt es sehr hier“, sagt Taigo Lepik. Das wirke sich auch auf das Miteinander auf: „Wir haben einen tollen Teamspirit“, betont der Gast.
Und als gute Gastgeber überreichte Uhingens Bürgermeister den Gästen kleine Geschenke als Erinnerung an den Aufenthalt in Uhingen: Stifte und Handtücher mit dem Wappen der Stadt sowie Pralinen im Stadt-Design. Zudem lud er das Team aus Estland ein, sich im goldenen Buch der Stadt Uhingen einzutragen und diesen historisch erstmaligen Moment für die Nachwelt festzuhalten. Doch auch die Küchencrew um Taigo Lepik und Team-Captain Marko Somer kam nicht mit leeren Händen. Sie überreichten Matthias Wittlinger als Dank Edelpralinen und das erste Estland-Rezeptbuch mit typisch estnischen Speisen.
Und nun, wie ist denn eigentlich nun das Essen aus Estland, was landet bei den Menschen auf den Tellern? Das verriet Taigo Lepik im Smalltalk mit Matthias Wittlinger anhand eines prominenten Beispiels – dem estnischen Präsidenten Alar Karis. Denn seit 2014 ist Taigo Lepik der Küchenchef im Büro des Präsidenten. „Er ist eigentlich nicht wählerisch, weshalb ich in der Zubereitung der Speisen mehr Freiheiten habe“, verrät der Este. So bereitet er typisch estnische Gerichte vor, die sich stark an der Saison orientieren: Fisch, Fleisch, Wild, Kartoffeln und Gemüse.
Die Esten haben eine besondere Beziehung zum Essen; wichtig ist es ihnen zu wissen, woher die Lebensmittel kommen. Regionalität spielt eine große Rolle. Im Spätsommer und Herbst sammeln viele Esten Beeren und Pilze. Hinzu kommen frisch gepflückte Äpfel, Wurzelgemüse und Wild wie Elch. Durch Einlegen und Einmachen werden diese Lebensmittel konserviert und dann im Winter gegessen. Doch es kommt nicht nur allein auf das Zubereiten der Speisen an, erklärt Taigo Lepik dem Uhinger Bürgermeister im englischsprachigen Smalltalk: „Das Auge isst auch mit; wenn das Essen nicht gut aussieht, schmeckt es auch nicht so gut.“
Und wie Estland schmeckt, das haben die preisgekrönten Köchinnen und Köche, in deren Reihen sich auch Konditoren befinden, auf der Intergastra gezeigt. Am ersten Wettkampftag überzeugten sie die Jury und holten Bronze; am zweiten Wettkampftag übertrafen sie sich und freuten sich über Silber. Dementsprechend glücklich ist das Team aus Estland – aber auch erschöpft nach der Intergastra. „Wir sind sehr zufrieden, das Team ist super“, lobt Taigo Lepik, bevor es Mitte der Woche zurück in die estnische Heimat ging. „Einen kleinen Anteil an dem Erfolg“, fügt Matthias Wittlinger schmunzelnd hinzu, „dürfte die Stadt Uhingen als Gastgeber beigesteuert haben.“
Hintergrund: Estland und Deutschland haben mehr gemeinsam, als man meinen könnte. Beide Länder haben den Euro als Zahlungsmittel und bestehen in ihrer jetzigen Form nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion seit knapp über 30 Jahren. Estland ist ein nordeuropäisches Land, das an die Ostsee und den Finnischen Meerbusen grenzt und früher zur Sowjetunion gehörte. Die abwechslungsreiche Landschaft des Staatsgebiets, das auch über 1.500 Inseln umfasst, ist durch felsige Strände, Wälder mit altem Baumbestand und Seen geprägt. Im ganzen Land finden sich zahlreiche Schlösser, Kirchen und Hügelfestungen. Die Hauptstadt Tallinn ist für ihre gut erhaltene Altstadt sowie ihre Museen und den 314 Meter hohen Fernsehturm mit Aussichtsplattform bekannt.
Das Team aus Estland wird von Marko Somer als Kapitän angeführt. Weitere Mitglieder sind Merle Jakobson, Anna Shaluhina, Maksim Ivanuskin, Kirill Beljakov, Denis Golik, German Macharashvili, Lauri Ööpik, Karl Markus Lehtoja und Koit Uustalu. Unterstützt werden sie von einem Support-Team mit mehreren Mitgliedern, das von Taigo Lepik, Külli Värnik und Maru Metspalu geleitet wird.
Foto: Das Nationalteam der Köche hat sich in Uhingen auf die IKA/Olympiade der Köche vorbereitet und dort Bronze und Silber gewonnen.
PM Stadt Uhingen