Aus dem Gemeinderat Hattenhofen

Für Gold beim European Energy Award: Hattenhofen übernimmt Klimaschutzziele des Landkreises

Die Gemeinde erlässt nachhaltige Beschaffungsrichtlinien. Dies hat der Gemeinderat bei einer Enthaltung beschlossen. Außerdem übernimmt Hattenhofen die klimapolitischen Zielsetzungen, wie sie in der Fortschreibung des Integrierten Klimaschutzkonzepts des Landkreises Göppingen festgelegt sind, für sich selber. Dabei wird das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 angestrebt. Dies hat der Gemeinderat bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung beschlossen.

Den Beschlüssen war eine Präsentation durch Timm Engelhardt und Lisa Binder von der Energieagentur des Landkreises mit ausgiebiger Diskussion vorangegangen.

Bürgermeister will Gold-Medaille und Vorbildrolle für Hattenhofen

Es gehe um weitere Maßnahmen für den European Energy Award (EEA), so eingangs Bürgermeister Jochen Reutter. Auch wolle man die Öffentlichkeit hier weiter sensibilisieren, die Gemeinde müsse Beispiel geben und vorangehen. Die unterschiedlichen, teils ideologischen Haltungen zum Klimaschutz wolle er nicht kommentieren, so Reutter, Konsens sei aber, dass die erforderlichen Maßnahmen eine Herausforderung seien. Es gehe darum, für die Kinder und Enkel eine Perspektive zu schaffen. Beim EEA sei Hattenhofen letztlich die federführende Gemeinde im Landkreis und kurz vor der Goldzertifizierung.

Lisa Binder erläuterte den Ablauf beim EEA. Sie betonte das bevorstehende Gold-Audit für die Gemeinde Hattenhofen, die damit eine große Vorbildfunktion einnehme. Voraussetzung für Gold sind 75 Prozent der erfüllten Kriterien. Um einen Puffer nach oben zu haben, weil manche Kriterien Auslegungssache sind, müssen bei der Anmeldung bis Ende Februar 78 Prozent erfüllt sein. Um diese Punkte zu erzielen, benötigt Hattenhofen auch noch formale Beschlüsse, die in der Sitzung gefasst wurden. Die Gemeinde ist 2012 in den Prozess eingestiegen und wäre die erste Kommune im Landkreis, die eine Gold-Auditierung erhält.

Beschaffung: Nach Vorarbeit bei Maßnahmen nun formaler Akt

In Sachen klimaneutraler Beschaffungsrichtlinien habe die Gemeinde schon Vorarbeit geleistet und Maßnahmen umgesetzt, so die Referentin unter Verweis auf die Vorarbeit und Workshopteilnahme einer Rathaus-Mitarbeiterin. Öffentliche Auftraggeber in Deutschland beschaffen jährlich Produkte im Umfang von 19 Prozent des Brutto-Inlandprodukts. Die Hälfte der Ausgaben entfallen auf die Kommunen. Hier habe man also einen Bereich, wo man etwas bewirken könne. Nun soll eine von der Energieagentur vorbereitete formelle und schriftlich festgehaltene Beschaffungsrichtlinie für die Anwendungen der Verwaltung erlassen werden. Zu prüfen sind die Vermeidbarkeit der geplanten Beschaffung, die Betrachtung der Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus, die Betrachtung und Kosten über den Lebenszyklus und Langlebigkeit sowie Reparatur zu Recyclingfreundlichkeit. Bei der Sicherstellung von umweltfreundlichen Beschaffungen kann man sich an Standards und Öko-Labels orientieren. Zur Seriosität und Aussagekraft der Gütezeichen gibt es untern anderem die Website www.siegelklarheit.de.

Man habe dann sehr formalisierte Richtlinien, so Frau Binder, diese seien aber nötig für die weiteren Punkte zum EEA. Inhaltlich seien die Maßnahmen und Vorgaben schon weitestgehend umgesetzt.

Richtlinien, aber keine überbordende Bürokratie

Er sei grundsätzlich für diese ökologische Beschaffung, so ein Gemeinderat, und vieles mache man ja schon. Aber wie dokumentiere man das? Schaffe man ein bürokratisches Monster? Müsse man zum Beispiel, wenn man Boller Apfelsaft beschafft, dokumentieren wer dies wo besorgt, in welchem Umfang und wo er eingesetzt wird? Brauche man da zusätzliches Personal?

Man müsse die Richtlinien dokumentieren, so Lisa Binder, damit klare Handlungsanweisungen vorliegen. Es gehe nur um Produktkategorien, aber keine verbindliche Festlegung bestimmter, einzelner Produkte.

Land und Kreis wollen Pariser Klimaschutzziele unterbieten

Timm Engelhardt, der Leiter der Energieagentur, referierte zum Thema „Integriertes Klimaschutzkonzept“. Der Landkreis schreibe hier sein eigenes Konzept fort, energiepolitisch sei derzeit viel Druck auf dem Kessel. Der Referent bezog sich auf die Klimabeschlüsse in Paris in 2015. Auf der Klimakonferenz wurde beschlossen, dass die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad beschränkt werden soll, ab 2050 soll die Erde treibhausgasneutral werden. Betroffenen Entwicklungsländern ist zu helfen und die nationalen Klimaschutzziele sollen regelmäßig überprüft und gesteigert werden. Einig war und sei man sich, dass die Absenkung schnell erfolgen müsse. Deutschland habe daher die europäischen Ziele verschärft, Baden-Württemberg habe sich nochmals mehr vorgenommen und der Landkreis habe diese baden-württembergischen Ziele, darunter die Klimaneutralität bis 2040, übernommen.

Aufklärung und technische Lösungen statt „nur“ Öko-Labels gefordert

Ein Gemeinderat wollte vom Referenten wissen, was „klimaneutral“ bedeute. Woher wisse man, wieviel an klimaschädlichen Gasen ausgestoßen und wieder aufgenommen werde? Klimaneutral bedeute, so Timm Engelhardt, dass nur soviel Kohlendioxid produziert werden darf, wie durch natürliche Senken wieder aufgenommen werden kann, also durch Wald, Moore oder auch durch technische Maßnahmen. Es gebe hier rechnerische Beispiele, wieviel Kohlendioxid beispielsweise die Kleiderproduktion verursache oder die Tierhaltung.

Für ihn sei wichtig, so ein anderer Gemeinderat, dass es letztendlich nicht um Kohlendioxid, sondern um Kohlendioxid-äquivalente Gase gehe. Die seien in ihrer Auswirkung noch viel heftiger. CO2 sei nicht das größte Problem, das Thema werde zu schlicht erklärt. Dazu verwies der Sprecher auf die weltweite Kohlendioxid-Produktion, vor allem in China oder Indien. Deutschland lobe sich für seine Einsparungen, dabei liege die Ursache für die Treibhausgase bei den dortigen Produktionen, die Deutschland ausgelagert habe. Die ganzen Öko-Label seien ja schön und gut, aber letztlich eine Klein-klein-Lösung. Das sei für ihn Augenwischerei, so der Sprecher. Deutschland als Industriestaat müsse hochtechnologisch weltweit wettbewerbsfähig sein. Andernfalls habe man überhaupt keinen Einfluss mehr auf den Klimaschutz. In China würden Batterien mit viermal höheren Ausstoßwerten hergestellt, aber weil die billig sind, kaufe man sie und importiere nach Deutschland.

Öko-Label seien legal und legitim, aber das sei eine ganze Industrie geworden, so der Sprecher. In manchen Bereichen seien die Werte von Produkten mit Öko-Label genauso schlecht wie bei der Verwendung von Erdöl, zum Beispiel bei der Herstellung von gelben Säcken. Viele Menschen fühlten sich hinters Licht geführt. Er sei kein Verhinderer von Klimaschutz, betonte der Redner, ganz im Gegenteil.

Ausgelagerte Produktion verursacht deutlich mehr als zwei Prozent am globalen Ausstoß

Er gebe seinem Vorredner recht, so Timm Engelhardt, vor allem bei dem Thema CO2-Äquivalente. Ein Problem sei das derzeitige Tempo im Klimaschutz, dem könnten die Leute nicht mehr folgen. China beispielsweise wolle auch klimaneutral werden, schon im eigenen Interesse, und werde es mit dem dortigen Regierungssystem schneller schaffen als Deutschland. Eine Aufklärung bei dem Thema sei schwierig, weil es sehr komplex sei. Schwierig ist für den Fachmann die Haltung in Deutschland, man trage ja nur zwei Prozent zum weltweiten Klimaausstoß bei. Das sei der ganz falsche Ansatz, bestätigte der Kritiker im Gremium, unter Verweis auf die ausgelagerte Produktion: Man lebe in Deutschland auf Kosten der Menschen in China und Indien.

Großes Potential beim Ausbau erneuerbarer Energien

Daher sei es wichtig zu wissen, wo man steht, so Herr Engelhardt. Der Landkreis beispielsweise habe eine ziemlich genaue Treibhausgasbilanz erstellen lassen. Natürlich spare Papier und dieses Konzept noch kein Gramm CO2 zu vermeiden, nur die Umsetzung helfe. Aktuell werden in Deutschland sieben Tonnen CO2-Äquivalente pro Person und Jahr erzeugt, zur Erreichung der Klimaneutralität müsse man auf 0,5 Tonnen je Person herunterkommen. Für jede Gemeinde habe die Energieagentur (EA)  mittlerweile einen individuellen Steckbrief erstellt. Ein großes Potenzial bei den zu bearbeitenden Feldern sieht die EA in Hattenhofen beim Ausbau erneuerbarer Energien, auch wenn man sich hier seit 2014 deutlich verbessert habe.

Engelhardt verwies auf die Möglichkeit der Wertschöpfung durch Klimaschutzmaßnahmen. Hattenhofen gebe Stand 2019 77 Prozent für fossile Brennstoffe aus, dieses Geld gehe nach außerhalb. Bei Erhöhung des regenerativen Anteils verbleibe die Wertschöpfung in der Gemeinde.

Es müsse uns gelingen, so BM Reutter, wie in der Diskussion angesprochen, die Mitbürger mitzunehmen, alles andere helfe niemandem. Auch für ihn gehe in der öffentlichen Diskussion unter, wo Deutschland produzieren lasse. Jedenfalls liege man deutlich über diesen oft genannten zwei Prozent Weltanteil am Kohlendioxid-Ausstoß.

Massive Kritik an formalen Vorgaben, Bürgermeister widerspricht

Prinzipiell finde er das alles richtig, so ein Gemeinderat, Verbrauch und Emissionen zu senken und sinnvoll einzukaufen. Aber es werde nur geschwätzt, irgendwelche Prozente festgelegt, die dann jeder unterbieten wolle und viel Geld für Planungen ausgegeben. Durch entsprechende Beschlüsse konterkariere die Politik ihre eigenen Klimaziele, beispielsweise durch die Subvention von Industriestrom. Daher sei er strikt dagegen, dass sich die Gemeinde ein Ziel in Form von Jahreszahlen und Einsparprozenten setze. Lieber solle man konkrete Maßnahmen voranbringen. Man müsse das Maximale rausholen, das müsse doch für den EEA ausreichen. Nein, so BM Reutter, er sehe Hattenhofen als Vorreiter und wenn man Gold wolle, seien diese formellen Beschlüsse für die Punktzahl erforderlich. Außerdem seien Verwaltung und Planer hier die falsche Adresse für die Kritik, man möge sich doch bitte an die jeweiligen Abgeordneten wenden. Er persönlich habe auch viel Kritik an der Bundespolitik, so der Reutter. Bislang habe die Gemeinde keinen Nachteil aus der EEA-Zertifizierung. Ein anderer Gemeinderat verwies darauf, dass die genannten Zahlen als Ziel nur angestrebt würden und nicht fixiert seien.

„Wissenschaft statt Ideologie und Plakate“

Jeder Mensch auf der Welt müsse die klimaschädlichen Ausstöße vermeiden und reduzieren, so der Sprecher mit Kritik an ausgelagerten Produktion , und so ein Zertifikat wecke Interesse in der Bevölkerung. Aber wichtiger sei es, Menschen auszubilden, das sei der Schlüssel. Man müsse in Physik und Thermodynamik wieder besser werden, man müsse die Menschen in den naturwissenschaftlichen Fächern bilden, weil es gehe um Wissenschaft. Ideologie und Plakate würden nicht ausreichen. Und die Menschen müssten verstehen, was los ist, es gehe um Zusammenhänge. Deutschland werde industriell immer mehr abhängig von China und Indien. Er unterstütze die von der Energieagentur vorgeschlagenen Maßnahmen, aber man müsse noch mehr Aufklärungsarbeit leisten.

Schulgasse: Gefahr durch „Elterntaxis“?

Gemeinde lässt Landratsamt prüfen

Der Gemeinderat hat nach einer intensiven, aber eher einseitigen Diskussion die Verwaltung beauftragt, die Ausweisung von verkehrsberuhigten Zonen in der Schulgasse (hinter der Apotheke) und auf der Zufahrt von der Hauffstraße zum Kindergarten mit der Verkehrsschau des Landkreises zu prüfen. Zusätzlich sollen Eltern und Öffentlichkeit für das Problem der zahlreichen „Elterntaxis“ sensibilisiert werden.

Eine Mutter von Grundschulkindern hatte bei der Gemeinde beantragt, wegen der zahlreichen Autos von Eltern, die ihre Kinder zur Schule fahren, die Schulgasse hinter der Apotheke von 7.30 Uhr bis 7.50 Uhr zu sperren. Die Gefahr für die Kinder, die dort auf der Mischfläche ohne Gehweg zu Fuß gehen, sei zu groß.

In einer von BM Jochen Reutter angefragten Stellungnahme hat die Schulleiterin

Stephanie Stähle bestätigt, dass tatsächlich immer wieder gefährliche Situationen durch rücksichtsloses Fahren von Eltern entstünden. In der Elternvertetung habe man dazu unterschiedliche Ansichten geäußert. Unter anderem wurden Bodenschwellen, Schülerlotsen oder Verkehrserziehung für Eltern aufgezählt. Eine Sperrung beinträchtige, das sehen die Elternvertreter durchaus, die Anlieger und verlagere das Problem womöglich nur auf den großen Parkplatz.

Staat oder Eigenverantwortung?

BM Reutter betonte, dass die Entscheidung bei verkehrsrechtlichen Anliegen beim Landratsamt liege. Außerdem müsse man die Frage nach Eigenverantwortung stellen. Es gehe auch grundsätzlich darum, was soll und könne der Staat alles regeln und wer kontrolliere das? Man habe hier verschiedene Interessenslagen: Auf der einen Seite die Verkehrssicherheit für die Fußgänger, man müsse aber auch den Anliegerverkehr gewährleisten. Erziele man eventuell eine Verlagerung? Sei es gegen 12 Uhr, beim Unterrichtsende, besser und nur morgens das Problem?

Gemeinderatsmehrheit ohne Verständnis, Kinder sollen laufen

So lange die Eltern nicht in der Lage seien und keinen Mumm hätten, so ein Gemeinderat, hier selbst für Ordnung zu sorgen, sehe er in dem Antrag eine Zumutung für die Anlieger, das gehe gar nicht. Es müssten beispielsweise auch die Kunden der Apotheke reinfahren oder Patienten zum Zahnarzt, er sei strikt gegen eine Sperrung. Für den Antrag fehle ihm jedes Verständnis.

Für mehrere Gemeinderäte ist eine Sperrung der Schulgasse zu der genannten Zeit absolut keine Lösung. Man müsse an die Vernunft der Eltern appellieren. Außerdem stelle sich das Ganze nicht so gravierend dar wie von den Antragstellern beschrieben. Anliegern hätten darauf verwiesen, dort sei eh nur Schrittgeschwindigkeit möglich. Die, die dort das Fahren bemängeln, machten es selber.

Es sei kein Fehler, so ein Sprecher, hier etwas zu tun, aber man könne die Straße nicht sperren. Man könne den Eltern über ihre Kinder Hand- Informationszettel übergeben. Dabei könne man darauf hinweisen, dass die Kinder wie früher auch zu Fuß gehen sollen, das sei auch ökologisch besser. Für ihn sei es paradox, so ein Gemeinderat, dass man die Kinder vor ihren eigenen Eltern oder denen ihrer Freunde schützen müsse. Die Lösung sei, die Eltern zu erziehen. Für einen weiteren Gemeinderat ist eine verkehrsberuhigte Zone in Ordnung, aber Problem seien die Eltern, die dort fahren. Die würden außerdem den gefahrenen Kindern die Entwicklungsmöglichkeiten nehmen, wenn die nicht zu Fuß gehen.

Plädoyer für verkehrsberuhigte Zone, auch bei Zufahrt von Hauffstraße

Eine Gemeinderätin konnte sich ihren Vorrednern nicht anschließen. Sie habe vor ein paar Jahren dort schon einmal eine Spielstraße aus den genannten Gründen gewollt und sei dafür belächelt worden. Und heute sei sie wieder mit ihrer Meinung allein, sie habe den Eindruck, nur sie sei mit kleinen Kindern unterwegs. Den „Drive-In-Briefkasten“ müsse man versetzen, immerhin gebe es dort keinen Gehweg. Warum müsse erst etwas passieren, bevor man reagiert? Das mache sie richtig sauer.

In dem Zusammenhang, so eine andere Gemeinderätin, solle man auch den Stichweg von der Dobelstraße zum Kindergarten prüfen. Dort sei eine verkehrsberuhigte Zone ebenfalls sinnvoll. Da führen die Eltern teilweise mit dem Handy am Ohr um die Kurve, völlig rücksichtslos.

BM Reutter wird beide Strecken und geeignete Maßnahmen mit Landratsamt und Polizei besprechen.

PM Gemeindeverwaltung Hattenhofen

 

 

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