Susanne Herre: „Die Hausaufgaben sind noch nicht gemacht – Verfahren müssen einfacher und schneller werden“
Für die Unternehmen in Baden-Württemberg sind laut einer aktuellen BWIHK-Umfrage die komplizierten und langsamen Verfahren der größte Stolperstein, um Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland einstellen zu können. Das sagen 65 Prozent der Unternehmen im aktuellen Fachkräftereport, im Bund sind es nur 54 Prozent. „Die Hausaufgaben sind noch nicht gemacht. Beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz muss dringend nachgebessert werden, damit das Gesetz auch die Wirkung entfalten kann, die angesichts des Fachkräftemangels in mittlerweile fast allen Branchen notwendig ist“, fordert Susanne Herre, Hauptgeschäftsführerin der IHK Region Stuttgart, die für das Thema Fachkräfte in Baden-Württemberg federführend ist.
Die sechs Top-Forderungen der IHKs:
- Die neuen Regelungen müssen unbürokratisch, transparent und digital umgesetzt werden. Dafür braucht es gut ausgestattete Behörden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene
- Prüfungserfordernisse und -befugnisse seitens der Behörden sollten weiter reduziert werden, um die Verfahren schlanker und schneller zu machen
- Es müssen einfachere und unbürokratischere Möglichkeiten zur Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatzsuche als mit der Chancenkarte geschaffen werden
- Die Auskunfts- und Nachweispflichten für Unternehmen sollten verringert werden
- Das beschleunigte Fachkräfteverfahren muss optimiert und auf mehr Fallgestaltungen ausgeweitet werden
- Attraktive Rahmenbedingungen vor Ort in Deutschland sind für eine erfolgreiche Fachkräfteeinwanderung unabdingbar
In ihrem Papier „Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung – Das haben wir erreicht!“ ziehen die IHKs in Baden-Württemberg eine gemischte Bilanz zu den Neuregelungen der Fachkräfteeinwanderung. „Wir konnten zwar viele Forderungen der Wirtschaft einbringen, doch die Neuregelungen sind sehr komplex und erhöhen den Beratungsaufwand erheblich“, kritisiert Herre. „Deshalb setzen wir uns jetzt bei der Umsetzung dafür ein, dass keine weiteren Hürden für Unternehmen aufgebaut werden. Im Gegenteil, die Unternehmen brauchen erleichterte Bedingungen und mehr Spielräume, um auch erfolgreich Fachkräfte aus dem Ausland holen zu können.“
Wichtige Schritte schon erreicht
Viele Forderungen und Verbesserungsvorschläge der IHKs sind von der Politik im Gesetzgebungsverfahren bereits aufgenommen worden. So können ab März 2024 Berufsanerkennungsverfahren regelmäßig in Deutschland statt vom Heimatland der Fachkraft aus gestartet werden. Außerdem wurden zusätzlich Möglichkeiten geschaffen, in nicht-reglementierten Berufen auch ganz ohne Anerkennungsverfahren hier zu arbeiten oder einen Job zu suchen. Der Wechsel des Aufenthaltszwecks im Inland wurde erleichtert, so dass Fachkräfte dafür seltener ausreisen und wieder einreisen müssen. Ein weiterer Erfolg für die IHKs ist, dass die Vorrangprüfung für die Ausbildung von Drittstaatlern abgeschafft wurde und es jetzt die Möglichkeit gibt, auch mit bestimmten Zertifikaten deutscher Auslandshandelskammern, die einer deutschen dualen Ausbildung sehr nahekommen, in Deutschland zu arbeiten. Ebenso wichtig sind die seit Mitte November 2023 geltenden Erleichterungen für die Erteilung der Blauen Karte EU, dem attraktivsten Aufenthaltstitel für besonders qualifizierte Fachkräfte.
Dennoch müssen Fachkräfte und Unternehmen oft zahlreiche Voraussetzungen erfüllen, um die neuen Möglichkeiten in Anspruch nehmen zu können. „Einfache, transparente Regelungen mit geringerem Prüfaufwand und damit weniger Bürokratie wären hier zielführender gewesen“, so Herre. So könnten die beteiligten Stellen wie Auslandsvertretungen oder Ausländerbehörden, die unter chronischem Personalmangel litten, auch entlastet werden. Diese sollten die ausländerrechtlich dringend notwendigen Punkte in den Fokus nehmen, aber Entscheidungen zu Qualifikationen und Berufserfahrungen noch mehr den Unternehmen überlassen. Dazu muss laut IHKs noch eine umfassende Digitalisierung der Prozesse kommen, um die Verfahren schlanker, schneller und damit wirkungsvoller zu machen.
Doch auch bei den Rahmenbedingungen vor Ort in Deutschland gebe es zahlreiche Hausaufgaben für die Politik. Herre betont: „Eine Verbesserung von Einwanderungsgesetzgebung und deren Umsetzung kann nur dann erfolgreich sein, wenn ausländische Fachkräfte hier attraktive Rahmenbedingungen, zum Beispiel hinsichtlich Wohnmöglichkeiten, (digitaler) Infrastruktur, Nahverkehr oder schlanker bürokratischer Verfahren, vorfinden.“
Die IHKs informieren ihre Mitgliedsunternehmen umfassend zum neuen FEG. Das nächste Web-Seminar findet am 30. Januar 2024 statt.
Weitere Infos zur Bilanz zum FEG 2.0 finden Sie auf dem Fachkräfteportal der baden-württembergischen IHKs, www.fachkraeftesicherung.ihk.de, Nr. 5627710
PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag