Regierungspräsidentin Susanne Bay: „Mit der Schaffung eines Hutewalds und Pflegearbeiten an den Feldhecken werten wir das Naturschutzgebiet deutlich auf und fördern die Biodiversität“
1993 hat das Regierungspräsidium Stuttgart den Heldenberg bei Donzdorf als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Das 214 Hektar große und landschaftlich reizvolle Areal, das durch Wacholderheiden, magere Mähwiesen, Hecken und Wälder geprägt ist, zeichnet sich durch eine enorme Artenvielfalt aus. Allein über 300 Pflanzenarten kommen dort vor, ein Fünftel davon steht auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen Baden-Württembergs.
Zum 30. Geburtstag des Naturschutzgebiets hat Regierungspräsidentin Susanne Bay Grund zur Freude: „Der Artenreichtum im Gebiet ist der Verdienst von jahrzehntelangen Naturschutzmaßnahmen in langjähriger Kooperation mit der Stadt Donzdorf, dem Landschaftserhaltungsverband Göppingen und der Forstverwaltung. Durch die gute Zusammenarbeit konnte das Gebiet aufgewertet und die Biodiversität enorm gefördert werden.“
Neu ist ein lichter Hutewald, der in den letzten Jahren im Naturschutzgebiet geschaffen wurde. Er soll lichtbedürftige Pflanzen und Tiere fördern, zum Beispiel Orchideen und spezielle Insektenarten. Die „Hut“ war früher ein vom Viehhüter beaufsichtigter Weideplatz. Schafe, Ziegen und Rinder weiden im Hutewald am Heldenberg und sorgen für den typischen lichten Charakter. Hiervon profitiert auch der vom Aussterben bedrohte Deutsche Sandlaufkäfer. Er benötigt sonnige Böden mit vegetationsarmen Stellen, um seine Eier in kleine Erdlöcher zu legen, in denen sich dann die Larven entwickeln. Beweidung und gelegentlich Motorsense sorgen dafür, dass es dem Sonnenliebhaber auf Dauer im Gebiet gefällt.
Zur Aufwertung des Naturschutzgebiets begann die Naturschutzverwaltung zusammen mit der Stadt Donzdorf 2010 mit der Planung eines Hutewalds. Seither wurden Waldflächen im Gewann Große Lehr südlich des Tanzbödeles Stück für Stück aufgelichtet. Dafür mussten Bäume gefällt und Sträucher im Unterwuchs entfernt werden. Finanziert wurden die Arbeiten aus Mitteln der Stiftung Naturschutzfonds, die aus Ersatzzahlungen für die Windenergieanlagen in Donzdorf stammen. Heute wird das 3,5 Hektar große Gelände mit Schafen und Ziegen beweidet und so als Hutewald erhalten.
Auf einer benachbarten privaten Fläche am Rand des Christentals konnte unlängst ein weiterer Hutewald geschaffen werden. Dort weiden nun Hinterwälder-Rinder, eine leichte, robuste Rasse, die zur Biotoppflege besonders gut geeignet ist. Fachleute gehen davon aus, dass durch das Fressverhalten der Rinder, das sich von dem der Schafe und Ziegen unterscheidet, neue Vegetationsstrukturen im Hutewald entstehen, was die Biodiversität im Naturschutzgebiet Heldenberg weiter erhöhen dürfte. Ursprünglich waren hier Wacholderheiden, die über die Jahre stark zuwuchsen. In kleinen, noch offenen Flächen kamen aber noch immer, als Relikte der früheren Nutzung, Heidepflanzen vor, die im lichten Hutewald nun wieder günstige Lebensbedingungen finden.
Heckenpflege
Eine weitere Maßnahme war auch die Verjüngung der durchgewachsenen Feldhecken im Westen und Süden des Naturschutzgebiets. Auf Basis eines Heckenpflegekonzepts hat das Regierungspräsidium Stuttgart die Hecken unter Einbeziehung der Eigentümer in den vergangenen Jahren auf Stock gesetzt. Nun können sie sich von unten her verjüngen. Die Blütenpflanzen der Säume und des angrenzenden Grünlands erhalten wieder Raum und Licht. Finanziert wurde auch diese Maßnahme vor allem über Ersatzzahlungen, konkret aus dem Windpark Lauterstein.
Hinweise für Erholungssuchende:
Rund um den Heldenberg gibt es erlebnisreiche, gut beschilderte Wanderwege. So verläuft der neue Löwenpfad „Heldentour“ des Landratsamts Göppingen von Nenningen aus durch das Naturschutzgebiet Heldenberg und dann weiter zum Kalten Feld, ebenfalls Naturschutzgebiet. Wer nicht diese große Runde machen möchte, geht durchs Christental nach Nenningen zurück. In den Naturschutzgebieten ist es zum Schutz der Pflanzen- und Tierwelt unter anderem verboten, Wege und Pfade zu verlassen, abseits befestigter Wege Fahrrad zu fahren, Hunde frei laufen zu lassen und Feuer zu machen.
Zum Naturschutzgebiet Heldenberg ist über das Regierungspräsidium Stuttgart (Piroschka.Haasis@rps.bwl.de) ein kostenloses Faltblatt erhältlich. Eine digitale Version des Faltblatts ist auf der Internetseite des Regierungspräsidiums Stuttgart unter Über uns > Abteilungen > Abteilung 5 – Umwelt > Referat 56 – Naturschutz und Landschaftspflege > Naturschutzgebiete > Weitere Informationen > Falt- und Informationsblätter abrufbar.
Hintergrundinformationen:
Naturschutzgebiet Heldenberg
Das Naturschutzgebiet weist nicht nur eine sehr hohe Biodiversität auf, es beherbergt auch viele seltene und gefährdete Pflanzen- und Tierarten. Bemerkenswert sind über ein Dutzend Orchideenarten, darunter Große Händelwurz und Helm-Knabenkraut. Die Sumpf-Stendelwurz hat hier eines ihrer größten Vorkommen auf der Schwäbischen Alb. Der seltene Kreuzenzian dient der Raupe des in Baden-Württemberg stark gefährdeten Kreuzenzian-Ameisen-Bläulings als Futterpflanze. Weitere seltene Schmetterlinge am Heldenberg sind Argus-Bläuling und Esparsetten-Widderchen. 18 Heuschreckenarten leben im Naturschutzgebiet, zumeist Arten, die auf kurzrasige, sonnige Heideflächen oder extensiv genutzte Mähwiesen angewiesen sind.
Hutewald
Die Begriffe Hutewald oder Weidewald stehen dafür, dass Vieh im Wald weidet oder gehütet wird. Heute werden Hutewälder im Hinblick auf den Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten wieder vermehrt geschaffen, denn sie ermöglichen eine enge Verzahnung der Heide mit dem Wald mit unterschiedlichsten Lebensräumen und einer hohen Artenvielfalt. Traditionelle Hutewälder erkennt man an den alten, knorrigen Weidbäumen. Sie sind als alt- und totholzreiche Lebensräume sehr wertvoll, insbesondere für Insekten und Höhlenbrüter. Die Weidetiere verschaffen den Weidbäumen Luft, halten die Krautschicht licht und artenreich und sorgen für die Ausbreitung von Pflanzen- und Tierarten. Sie können im Fell, im Magen und in den Klauen hunderte von Samen mit sich tragen und verbreiten.
Baumfällungen
Häufig stoßen Baumfällungen in einem Naturschutzgebiet in der Bevölkerung auf Unverständnis. Jedoch sind Hutewälder, Hecken und Heiden durch menschliche Nutzung entstanden und können nur durch extensive Bewirtschaftung, die sich an den traditionellen Nutzungsformen orientiert, erhalten werden. Würde man die Natur sich selbst überlassen, entstünde über verschiedene Zwischenstadien der Verbuschung schließlich ein Wald. Damit geht die Lebensgrundlage vieler Licht und Wärme liebender Pflanzen- und Tierarten verloren. Der Schutzzweck des Naturschutzgebiets Heldenberg besteht darin, die Vielfalt an Lebensräumen zu erhalten. Daraus und aus dem Managementplan für das Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiet „Albtrauf Donzdorf-Heubach“, in dem der Heldenberg liegt, ergibt sich die Pflicht zur Landschaftspflege. Dazu gehören auch das Roden und Auslichten von Gehölzen.
Ersatzzahlungen
Bauliche Eingriffe in Natur und Landschaft sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz ausgleichspflichtig. Wenn die aus dem Eingriff resultierenden Beeinträchtigungen für die Natur nicht ausgeglichen werden können, muss der Verursachende Ersatz in Geld leisten. Diese Ersatzzahlungen fließen der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg zu und werden für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege verwendet. Die Projekte können von unterschiedlichen Trägern umgesetzt werden, zum Beispiel von den Regierungspräsidien, den Landkreisen, Städten und Gemeinden oder von Verbänden und Vereinen.
Foto: Naturschutzgebiet Heldenberg: lichter Hutewald, der mit Schafen und Ziegen beweidet wird. Foto: Georg Krause
PM Regierungspräsidium Stuttgart