Mehrjährige Blühflächen, auf einer Fläche, die so groß ist wie 70 Fußballfelder – das ist in Baden-Württemberg nicht alltäglich. Bei Landwirt Rolf Enderle im badischen Durmersheim bei Rastatt gehört der Einsatz für den Artenschutz schon lange dazu: „Angefangen hat alles mit einem Blühstreifen. Wir wollten Nützlinge wie Schwebfliegen fördern. Unsere Ziele wurden dann immer ambitionierter, sodass wir mittlerweile entlang unserer Erdbeerfelder Lebensräume für eine Vielzahl von Insekten und Niederwild schaffen konnten“, erzählt er.
Gemeinsam mit Sohn Sebastian führt er seinen Betrieb, auf dem seit 1969 Erdbeeren angebaut werden, und erhielt dort jüngst Besuch von Miriam Willmott. Die Ökologin leitet beim NABU Baden-Württemberg das Projekt „Landwirt-schaf(f)t Lebensraum – Refugialflächen für die Artenvielfalt“. Dieses hat zum Ziel, die biologische Vielfalt auf Acker- und Grünlandflächen im Land zu erhalten und zu fördern. Willmott möchte das Wissen von Landwirten wie den Enderles, die bereits erfolgreich mehrjährige Blühflächen angelegt haben, für andere Landwirtinnen und Landwirte verfügbar machen, die sich überlegen, landwirtschaftliche Artenschützer zu werden.
Mehrjährige Blühflächen bieten ganzjährigen Mehrwert
Willmott zeigte sich beeindruckt davon, wieviel Fläche der Betrieb für mehrjährige Blühflächen reserviert hat. Wo früher Getreide wuchs, strecken jetzt Wilde Möhre und Königskerze ihre Blütenköpfe in den Himmel. Im Spätherbst vertrocknen die Pflanzen. An den Stängeln können sich etwa die Puppen des Schwalbenschwanzes mit einem dünnen Spinnfaden anheften. Weil die trockenen Stängel auf diesen mehrjährigen Blühflächen bis ins späte Frühjahr stehen bleiben dürfen, schlüpft aus den Puppen ab April die erste Faltergeneration des neuen Jahres. Die eleganten Schmetterlinge mit ihrem markanten Schwarz-Weiß-Muster und den Farbtupfern in Rot und Blau werden als Frühlingsboten die neuen Blüten umflattern.
Im Frühling sind Blühflächen bei vielen Menschen beliebt: Die bunte Vielfalt bietet einen tollen Anblick und liefert Blüten und Pollen für eine Vielzahl an Insekten, die es zu entdecken gibt. „Leider werden viele Blühflächen in Baden-Württemberg bisher nur einjährig angelegt und bereits im Herbst wieder abgemäht. Für Insekten, die dort überwintern möchten, werden sie dadurch zu Todesfallen“, erklärt Willmott.
Landwirt setzt Naturschutz vorbildlich um
Landwirt Rolf Enderle hat bereits auf einem Viertel seiner Betriebsfläche mehrjährige Blühflächen angelegt – und unterstützt damit die Strategie des Landes: Gemäß Biodiversitätsstärkungsgesetz müssen bis 2030 auf rund zehn Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen hochwertige Rückzugsräume, sogenannte Refugialflächen, eingerichtet werden. Dazu zählen Landschaftselemente wie Hecken und Raine, Altgrasstreifen und artenreiches, extensiv bewirtschaftetes Grünland. Und mehrjährige Blühflächen, wie es sie in Dumersheim gibt. Solche verblühten Flächen sind nach der Ernte der Hauptkulturen wie Gerste und Weizen häufig der einzige Rückzugsort für Tiere wie Insekten, Feldvögel und Hasen. Sie können sich, je nach Größe und Art, im Boden, unter Pflanzenbüscheln oder in und an den Stängeln von wilden Staudenpflanzen wie der Wilden Karde verstecken. „Wir hoffen, dass sich solche Best-Practice-Beispiele wie hier in Durmersheim herumsprechen und zum Nachmachen animieren. Mit unserem Projekt wollen wir dazu einen Beitrag leisten“, sagt Willmott.
Finanzierung an Kosten anpassen
Mehrjährigen Blühflächen sind inzwischen landesweit immer häufiger zu finden. Seit 2019 unterstützt das Land mit dem Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT) Betriebe dabei, mehrjährige Blühflächen anzulegen. Allerdings deckt der Fördersatz gerade einmal die Kosten, die durch die Anlage und Pflege der mehrjährigen Flächen entstehen. Hochwertiges Saatgut steigert den ökologischen Wert der Blühflächen, erhöht aber auch den Kostenaufwand. „Damit mehrjährige Blühflächen für eine Vielzahl von Betrieben attraktiver werden, dürfen die Fördersätze engagierte Landwirtinnen und Landwirte nicht nur für ihre Ausgaben entschädigen, sondern sollten sie darüber hinaus für ihren Einsatz angemessen entlohnen. Naturschutz auf dem Acker darf kein Zuschussgeschäft sein“, sagt Willmott.
Hintergrund:
Über das Projekt „Landwirt-schaf(f)t Lebensraum – Refugialflächen für die Artenvielfalt“:
Eine vielfältige Agrarlandschaft mit naturnahen Rückzugsflächen kann Lebensräume für unzählige Tiere und Pflanzen bieten. Das Projekt „Landwirt-schaf(f)t Lebensraum – Refugialflächen für die Artenvielfalt“ des NABU Baden-Württemberg berät Landwirtinnen und Landwirte, wie sie die Maßnahmen des Biodiversitätsstärkungsgesetzes effizient umsetzen können. Es hat eine Laufzeit von zwei Jahren und wird mit Unterstützung der Stiftung Naturschutzfonds aus zweckgebundenen Erträgen der Glücksspirale gefördert.
Mehr Informationen: www.NABU-BW.de/Refugialflaechen
Bild von Katja Wörner
PM NABU (Naturschutzbund Deutschland), Landesverband Baden-Württemberg e. V.