Donnerstage für gute Kitas – Beschäftigte beginnen bundesweit mit wöchentlichen Mahnwachen

Morgen Aktion in Stuttgart vor dem Kultusministerium, Kritik an Erprobungsparagraf ungebrochen

ver.di ruft ab dem morgigen Donnerstag zu wöchentlichen Mahnwachen für die Kitas auf. Unter dem Motto „Es donnert in den Kitas – Kinder und Beschäftigte gefährdet!“ werden bis Weihnachten in vielen Bundesländern vor den Staatskanzleien, bei den Senaten oder Ministerien und vor Bundesministerien oder dem Kanzleramt regelmäßig Mahnwachen durchgeführt. Auch in Baden-Württemberg werden sich Beschäftigte an den Aktionen beteiligen. Auftakt ist am 19. Oktober um acht Uhr vor dem Kultusministerium in der Thouretstraße.

Weitere wöchentliche Aktionen werden in Singen, Mannheim, Freiburg, Tübingen und Karlsruhe stattfinden. Den Abschluss finden die Aktivitäten am 21. Dezember vor dem Staatsministerium, „um das Thema endlich zur Chefsache zu machen“, so Martin Gross, ver.di Landesbezirksleiter. „Die Personaldecke ist inzwischen auch in Baden-Württemberg in vielen Kitas so ausgedünnt, dass für Eltern und Kinder kein verlässliches Angebot mehr möglich ist. Die Kolleginnen und Kollegen lieben ihren Beruf und leiden deshalb besonders darunter, Abstriche bei der Qualität machen zu sollen. Durch die gestern im Kabinett verabschiedete Einführung eines Erprobungsparagrafen im Kitagesetz für Baden-Württemberg verschärft sich die Situation weiter. Das darf so nicht weitergehen. Dagegen setzen die Kita-Beschäftigten jetzt mit ihren Donnerstagsaktionen deutliche Zeichen“, so die stellvertretende ver.di-Landesbezirksleiterin Hanna Binder.

ver.di bleibt bei ihrer scharfen Kritik am sogenannten Erprobungsparagrafen, der für das Kitagesetz Baden-Württemberg neu vorgesehen ist. Weitere Informationen zu unseren Kritikpunkten finden Sie in unserer Pressemeldung vom 25 Juli 2023: https://bawue.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++6c351020-2ad7-11ee-b3bc-001a4a160116 Seit einigen Jahren erleben die Beschäftigten der Kitas einen ständig wachsenden Fachkräftemangel. Auch die offiziellen Berechnungen zeigen, dass die Fachkräftelücke stetig steigt. Die Agentur für Arbeit spricht inzwischen von einem Engpassberuf. Bei diesen Zahlen sind die Bedarfe für einen Ausbau des Systems oder die Anhebung der Qualität noch nicht eingerechnet. Dieser Fachkräftemangel trifft auf Kitas, die ohnehin schon mit Personalschlüsseln ausgestattet sind, die nicht kindgerecht sind – auch nicht in Baden-Württemberg. Laut Auskunft der Fachkräfte im ver.di Kita-Personalcheck, fehlten im Sommer 2021 bundesweit im Durchschnitt drei Fachkräfte, um in den Kitas fachlich angemessen arbeiten zu können, insgesamt mindestens 172.782 Fachkräfte. Und das beim aktuellen Ausbaustand der Kindertageseinrichtungen. Gleichzeitig besteht bei den Eltern ein enormer Kita-Platzbedarf, in den westdeutschen Ländern fehlen 362.400 und in Ostdeutschland 21.200 Kita-Plätze – nach Berechnungen von Bertelsmann -, um die Wünsche der Eltern zu erfüllen. Kommunen und Länder reagieren auf diese Nachfrage mit dem Ausbau der Kindertageseinrichtungen und der Schaffung neuer Plätze.

Wenn neue Einrichtungen eröffnen, wird das Personal aus den umliegenden Kitas in der Region abgezogen. Damit wird die Personaldecke in allen Kitas immer dünner und der Personalmangel wächst stetig. Die Kita-Beschäftigten erkranken häufiger, fallen aufgrund von Burnout lange Zeiten aus oder verlassen das Arbeitsfeld Kita. Laut einer Studie der DAK sind 97 Prozent der Beschäftigten in den Kitas vom Personalmangel betroffen. Der DAK gegenüber begründen die Beschäftigten diese Situation damit, dass es allgemein zu wenig Mitarbeiter und ungewöhnlich viele Personalausfälle gibt. Dort wo Personalmangel erlebt wird, sind die Personalausfälle besonders hoch. Das heißt auch die Personalausfälle durch Erkrankungen steigen und inzwischen ist laut DAK keine andere Berufsgruppe häufiger wegen Erkrankungen des Atmungssystems oder aufgrund psychischer Erkrankungen arbeitsunfähig. Für die Fachkräfte der Kindertageseinrichtungen bedeutet dies, dass sie ihrem Arbeitsauftrag, der Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern nicht mehr nachkommen können.

„Wenn das Kita-System nicht total vor die Wand fahren soll, muss dieser Teufelskreis sofort durchbrochen werden. Wir müssen uns auf die Stabilisierung des derzeitigen Kita-Systems konzentrieren. Wir dürfen nicht dabei zusehen, wie die Fachkräftelücke von Tag zu Tag wächst“, betont Christine Behle, stellvertretende ver.di Vorsitzende. Schon jetzt ist keine Verlässlichkeit für die Eltern mehr gegeben. Notgruppen, Reduzierung der Öffnungszeiten oder auch Schließungen von Gruppen sind an der Tagesordnung. „Es muss von Seiten der Politik endlich die Verantwortung übernommen werden. Wir erwarten, dass von höchster politischer Ebene ein Kita-Gipfel veranstaltet wird, auf dem zwischen Bund, Ländern und Kommunen die Stabilisierung des Kita-Systems, ein Stufenplan für den quantitativen und qualitativen Ausbau und der damit verbundene notwendige Aufbau des Fachpersonals aufeinander abgestimmt und Finanzen entsprechend bereitgestellt werden“, fordert Behle. Auch die Eltern dürften in dieser schwierigen Situation nicht allein gelassen werden. Sie benötigten dringend Unterstützung, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wieder verlässlich möglich wird.

PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg

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