Das Bündnis gegen Altersarmut Baden-Württemberg warnt anlässlich der landesweiten Aktionswoche der Landesarmutskonferenz „Zeitenwende in Baden-Württemberg Sozial/Ökologisch/Solidarisch vom 13. – 20. Oktober davor, dass sich das soziale Klima im reichen Bundesland noch weiter verschärft. Das Bündnis wird mit geschobenen Fahrrädern und großen Würfeln (Sichtbarmachen unserer Forderungen) am 16.10.2023 in der Innenstadt (Königsstraße, Marktplatz) unterwegs sein.
Startpunkt ca. 12.15 Uhr: Theodor-Heuss-Str. 2, 70174 Stuttgart beim ver.di Landesbezirk. Die Aktion endet gegen 13.00 Uhr bei der Leonhardskirche. Anschließend Austausch im Chorraum der Kirche bis ca. 14.00 Uhr. Die Aktion eignet sich gut für Bildaufnahmen.
Martin Gross, einer der Sprecher des Bündnisses gegen Altersarmut: „Inflation, Krisen, Kürzungen im Sozialen und die zunehmende Ausgrenzung ohnehin benachteiligter Menschen sind Treiber für soziale Kälte und eine toxische Mischung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft Rechtsaußen stehen immer bedrohlichere Kräfte bereit, die wachsende Not von Menschen spalterisch, unsolidarisch und undemokratisch für sich zu nutzen. Die beste Brandmauer gegen Rechts ist eine soziale Politik. Eine der Grundfesten unseres Sozialstaates ist, dass man und frau in Würde altern kann. Dieses elementare Zukunftsversprechen erfüllen wir nicht mehr für alle.“
Zu den Ärmsten zählen besonders die Frauen. Ein Fünftel der Frauen sind in Baden-Württemberg armutsgefährdet. Deutlich mehr sind es im Alter. 30 Prozent der Rentenzahlungen an Männer liegen unter dem Niveau der Grundsicherung und 40 Prozent unter dem Niveau der Armutsschwelle. Bei Frauen sind es 60 Prozent und 80 Prozent (DGB Rentenreport BW 2020), das bedeutet: Frauen sind doppelt so oft vom Risiko Altersarmut betroffen wie Männer. Von der hohen Inflation und den explodierenden Energiepreisen sind besonders Menschen im Alter stark betroffen. Statt hierfür einen Ausgleich zu schaffen, will die Bundesregierung im kommenden Bundeshaushalt die Steuermittel für die Rente sogar kürzen. Das lehnt das Bündnis strikt ab. Diese Steuermittel sind kein Zuschuss für höhere Rentenzahlungen, sondern ein Ausgleich für gesamtgesellschaftliche Leistungen wie zum Beispiel die Mütterrente, die über die gesetzliche Rentenversicherung ausgezahlt werden.
Hans-Josef Hotz, Vorsitzender des Sozialverbandes VdK Baden-Württemberg und ebenfalls ein Sprecher des Bündnisses gegen Altersarmut, widerspricht den Forderungen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Finanzminister Danyal Bayaz zur Erhöhung des Renteneintrittsalter: „Kretschmann und Bayaz trommeln in den Medien für eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters. Das lehnen wir strikt ab. Schon heute müssen viele Menschen aus gesundheitlichen Gründen vor Erreichen der Regelaltersgrenze aus dem Beruf ausscheiden und erhebliche Rentenabschläge bis ans Lebensende hinnehmen. Menschen mit niedriger Bildung haben eine deutlich kürzere Lebenserwartung und beziehen auch entsprechend weniger lang Rente. Diese Umverteilung von unten nach oben darf nicht mit einer weiteren Anhebung des Rentenalters noch vergrößert werden.“
Uta-Micaela Dürig, Vorständin Sozialpolitik des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg und ebenfalls Sprecherin des Bündnisses gegen Altersarmut: „Altersarmut nimmt massiv zu. Ende 2021 bezogen laut jüngsten Angaben des Statistischen Landesamtes rund 105.600 Menschen in Baden-Württemberg Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Das ist ein neuer Höchststand und 40 Prozent mehr, als noch vor zehn Jahren. Wir brauchen eine Alterssicherungspolitik, die ein gutes Leben im Alter ermöglicht und vor Armut schützt. Das bedeutet: eine armutsfeste Grundsicherung im Alter, höhere, existenzsichernde Erwerbsminderungsrenten und soziale Hilfen, die besondere Lebensumstände älterer Menschen berücksichtigen. Angesichts der enorm gestiegenen Preise insbesondere für Energie und Lebensmittel reichen die bestehenden Regelsätze in Höhe von 502 Euro bei weitem nicht aus. Um wirksam vor Armut zu schützen bedarf es nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle einer Erhöhung auf mindestens 725 Euro.“
Um Altersarmut zu verhindern fordert das Bündnis das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anzuheben, dem Wert vor der Einführung der gescheiterten Riesterrente. Und statt das Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen, müssen endlich alle versicherungsfremden Leistungen aus Steuermitteln finanziert werden und alle in die Rente einzahlen, auch Selbstständige, Beamte und Politiker. Das Bündnis gegen Altersarmut kritisiert auch die Kürzungen im Bundeshaushalt für den sozialen Bereich. In diesen unsicheren Zeiten sich überlagernder Krisen erweist sich die soziale Infrastruktur als Stabilitätsanker für Menschen in Not. Die sozialen Dienste und Einrichtungen stehen vor dem Hintergrund der angekündigten Kürzungen des Bundes mit dem Rücken zur Wand.
„Die Pläne gefährden die existenziellen Hilfen und letztlich die Versorgungssicherheit für die besonders benachteiligten und vulnerablen Gruppen wie Kinder, erkrankte Menschen, Frauen und ältere Menschen massiv. Hierauf muss die Landesregierung dringend reagieren. Denn nur in einer solidarischen Gesellschaft bleiben wir zukunftsfest und krisensicher. Eine gute und verlässliche Daseinsvorsorge ist eine notwendige Bedingung für den sozialen Zusammenhalt in Baden-Württemberg“, so Gross.
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg