Schüler sprayen Graffiti in Uhinger Bahnhofsunterführung – und werden gelobt

Jugendliche der Hieberschule und Haldenberg-Realschule gestalten in einem Gemeinschaftsprojekt die Unterführung beim Bahnhof in Uhingen. Auf beiden Wänden zeugen bunte Bilder von kreativer Schaffenskraft und Vielfalt.

Es ist schon etwas ungewöhnliches: Mitten im Unterricht erhalten Schüler von ihnen völlig Fremden Komplimente: „Sieht super aus“ oder „Das ist schön bunt“ hören sie. Das ungewohnte Feedback liegt auch am ungewöhnlichen Unterrichtsort und -inhalt: der Bahnhofsunterführung in Uhingen. Dort erstellten knapp 30 Jugendliche der Uhinger Haldenberg-Realschule (HRS) und Hieberschule vor Beginn der Sommerferien an mehreren Tagen unter dem Motto „Stadt der Vielfalt“ beeindruckende Graffiti-Kunstwerke an den Wänden. Schriftzüge, das Uhinger Stadtwappen, ein Zug und Menschen sind nun in einer kunterbunten Vielfalt zu sehen.

Das Interesse an dem besonderen Gemeinschaftsprojekt, das zusammen mit dem Graffiti-Künstler Reinald Pehla aus Eschenbach entstanden ist, war groß. Das bestätigen die Lehrerinnen Katja Blum von der Haldenberg-Realschule und Jasmina Schwarz von der Hieberschule. Und unabhängig voneinander stellten sie etwas besonderes fest, als ihre jugendlichen Schützlinge die Farbnebel auf die zuvor kahlen Wände sprühten. „Die Schüler sind hochkonzentriert bei der Arbeit“, sagen die Lehrerinnen.

15 Acht- und Neuntklässler der HRS machten in ihrer Projektwoche den Auftakt mit der Spray-Aktion und widmeten sich einer der beiden Wände in der Bahnhofsunterführung. Doch eigentlich hatten weitaus mehr Jugendliche Interesse, verrät Katja Blum: „Wir hatten 74 Anmeldungen“, sagt sie. Doch um das Projekt sinnvoll umzusetzen, war die Teilnehmerzahl begrenzt. „Wir wollten immer etwas mit dem Thema Graffiti machen“, erklärt Katja Blum weiter; hierzu hätten sich die Projekttage förmlich angeboten. Ursprünglich sollte nur eine Wand an der HRS besprüht werden, die sei aber zu klein gewesen. Auf der Suche nach einer geeigneten Fläche wurde der Kontakt zur Stadtverwaltung gesucht, die die Bahnhofsunterführung vorgeschlagen hatte. „Wir sind der Stadt dafür sehr dankbar, das ist nicht selbstverständlich“, lobt Jasmina Schwarz.

Als „Win-Win-Situation“ bezeichnet Uhingens Bürgermeister Matthias Wittlinger die Aktion: Die triste Bahnhofsunterführung sei verschönert worden, die Schüler konnten etwas neues ausprobieren und die bunten Motive seien für die Passanten eine willkommene Abwechslung. „Graffitis unter fachkundiger Anleitung und mit Erlaubnis zu sprayen, ist kein Vandalismus“, betont der Rathauschef. „Mittlerweile sind Graffitis eine etablierte Kunstform und wir sind froh, die Schulen bei der Spray-Aktion unterstützen zu können und dieser besonderen Stilrichtung in Uhingen einen Platz einzuräumen“, ergänzt Matthias Wittlinger.

Nachdem die Fläche gefunden war, ging es nun in die Umsetzung. Doch an beiden Schulen stand zunächst die Theorie zum Graffiti-Sprayen im Vordergrund. Welche Motive auf den bis zu 26,5 Meter langen Wänden entstehen sollen, überlegten die Schüler im Unterricht selbst. Sie beschäftigten sich außerdem mit der Historie der Graffiti-Kunst und lernten auch etwas über berühmte Vertreter dieses Streetart-Genres kennen. Prominentestes Beispiel: Banksy, dessen Identität nicht bekannt ist und dessen Werke bei Auktionen für mehrere Millionen Euro versteigert werden. Graffiti-Experte Reinald Pehla ging vor den Jugendlichen auch auf die rechtlichen Vorgaben ein, bevor er ihnen in der Unterführung praktische Tricks zeigte.

Nach dem Theorieteil ging es schließlich ans Werk: Graffiti-Künstler Reinald Pehla zeichnete die Entwürfe der Schüler auf den Wänden vor und diese legten dann los. „Sie sind sehr engagiert und motiviert“, sagt Katja Blum über ihre sprayenden Schützlinge. Und auch Reinald Pehla, in der Sprayer-Szene als REG Artifical bekannt, lobt die Aktion in Uhingen. „Es ist toll, den Jugendlichen zu zeigen, dass Graffitis mehr sind als nur den eigenen Namen zu sprayen“, es sei eine Kunstform. „Ich finde es schön, wenn ich die Leidenschaft für meine Kunst weitergeben kann.“ Und diese besonderen Unterrichtsstunden stießen auf Interesse, voller Faszination hörten die Jugendlichen zu und sprühten ihre Vorstellungen von einem vielfältigem Uhingen auf die Wände.

Und diese Leidenschaft scheint sich auch auf die Passanten zu übertragen, bestätigt Jasmina Schwarz. Immer wieder hielten Fußgänger an, schauten den Jugendlichen zu und lobten sie für ihre Arbeit. „Es ist nicht nur toll, dass sich unsere Schüler selbst verwirklichen können“, sagt Jasmina Schwarz. „Sie erhalten auch direkt positive Rückmeldungen, was ihnen gut tut“, erklärt die Kunstlehrerin, die mit 14 Neuntklässlern die Wand gestaltet.

Und welche Wand ist nun schöner geworden, die der Hieberschule oder der Haldenberg-Realschule? Darauf wollen sich die Lehrerinnen nicht festlegen. „Es ist ein gemeinsames Projekt und jede Wand für sich betrachtet ist im Sinne der Vielfalt schön“, formuliert es Jasmina Schwarz. Davon dürften sich die Passanten selbst überzeugen. Für sie und ihre Kollegin Katja Blum ist nach der Aktion klar: Irgendwann wollen sie mit ihren Schülern noch einmal sprayen. Dafür müssen die von Schüler Hand geschaffenen Kunstwerke aber nicht übersprüht werden – dank der erst kürzlich freigegebene Legal Wall an der B10-Unterführung bei der Filsecker Straße in Richtung Hasenheim. Dort können seit wenigen Tagen legal Graffiti entstehen. „Das ist eine tolle Sache“, lobt Streetartist Reinald Pehla und hebt auch den gesellschaftlichen Aspekt hervor: Nicht nur Sprayer dürfen in Uhingen ohne Zeitdruck und völlig legal ihre kreativen Ideen auf Beton bannen. „Das legale Sprayen ist auch für Menschen interessant, die einfach nur zuschauen wollen, was die Graffitikünstler schaffen.“

Info: Bevor die Jugendlichen der beiden Schulen loslegen konnten, wurden die Wände von einer Spezialfirma gereinigt. Zuversichtlich sind die Verantwortlichen, dass die frisch entstandenen Werke der Jugendlichen nicht übersprayt werden. „Wir hoffen auf den Respekt anderer Sprüher und darauf, dass nichts auf die tollen Werke der Jugendlichen gekritzelt wird“, betont Reinald Pehla.

Fotos: oben Hieberschule Haldenberg Realschule (Katja Blum), unten Hieberschule (Jasmina Schwarz)

PM Stadt Uhingen

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