Die Regierungskoalition hat sich auf ein gemeinsames Vorgehen beim Thema G8/G9 verständigt: In einem breit angelegten Beteiligungsprozess mit Bürgerforum soll in den kommenden Monaten intensiv debattiert werden, wie lange das allgemein bildende Gymnasium in Baden-Württemberg künftig dauern soll.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann betonte: „Wir sehen in diesem Weg die Chance, das Thema auf breitere Füße zu stellen und aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Denn im Moment wird die Debatte sehr verengt geführt. Wir wählen diesen Weg der Politik des Gehörtwerdens, weil wir in den letzten Jahren umfassende und gute Erfahrungen mit der Bürgerbeteiligung und Bürgerforen gemacht: Sie versachlichen eine Debatte und bringen häufig neue, bisher nicht betrachtete Argumente auf den Tisch.“
Die vorbereitende Phase – das sogenannte Beteiligungs-Scoping – soll noch vor den Sommerferien starten: Hier werden die Agenda und die Fragestellungen, mit denen sich das Bürgerforum befasst, gemeinsam mit Experten, Interessensgruppen und Bürgerschaft erarbeitet. Konkret können sich alle Bürgerinnen und Bürger auf dem Beteiligungsportal der Landesregierung einbringen und mitdiskutieren.
Das eigentliche Bürgerforum startet dann nach den Sommerferien. Es wird aus 40-60 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern bestehen. Da die Dauer des allgemein bildenden Gymnasiums Auswirkungen auf andere Schularten und letztlich das gesamte Schulsystem hat, werden auch diese Zufallsbürger nicht nur Personen mit Abitur sein, sondern alle Schulabschlüsse repräsentieren. Zu Beginn des Bürgerforums wird es eine ausgiebige Input-Phase geben. In mehreren Sitzungen werden die Zufallsbürger sich in einer Anhörung ein breites Bild vom Thema machen können. Dafür werden Expertinnen und Experten, Verbände und Betroffene ihre Expertise und Argumente vortragen – das gilt natürlich auch für die Initiative, die derzeit Unterschriften für einen Volksantrag „G 9 jetzt! BW“ sammelt und eine Beratung des Themas im Landtag zum Ziel hat. Danach werden diese Inputs von den Zufallsbürgern in mehreren Sitzungen aufgearbeitet und diskutiert. Und im letzten Schritt erarbeiten die Zufallsbürger dann gemeinsame Empfehlungen.
Kretschmann: „Danach werden wir eine Entscheidung zur künftigen Dauer des allgemein bildenden Gymnasiums treffen. Die Zufallsbürger beraten und empfehlen. Am Ende entscheiden Regierung und Parlament – wie in der Verfassung vorgesehen. Klar ist: Wir gehen als Landesregierung offen in das Beteiligungsverfahren. Denn in der Demokratie haben wir am Ende letztlich nur Argumente – und davon werden wir uns als Regierung leiten lassen.“
Stellvertretender Ministerpräsident Thomas Strobl: „Die Bildung unserer Kinder ist eines der zentralen politischen Themen im Land. Die Qualität der Bildung prägt die Zukunft unseres Landes, in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht. Baden-Württemberg ist das Land der Tüftler und Denker, das Land von High-Tech und Innovationen, da brauchen wir gut gebildete und gut ausgebildete junge Menschen. Nicht zuletzt deshalb beschäftigt dieses Thema auch viele Menschen im Land und treibt sie um. Bisher konzentrierte sich die Diskussion in dem Kontext ganz vorwiegend auf die Frage nach der Dauer des Gymnasiums. Als Landesregierung wollen wir die Bildungsfrage ganzheitlich, fundiert und substanziiert anpacken – mit Experten, vor allem aber auch mit den Menschen im Land. Wir wollen miteinander statt übereinander sprechen und so unser Bildungssystem auf ein nachhaltig solides Fundament stellen. Klar ist, dass wir auch in dem Bereich Prioritäten setzen müssen und setzen werden. Und für mich liegt die Priorität klar bei den Kleinen und den ganz Kleinen – also bei der Grundschule und der Zeit vor der Grundschule. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“
Kultusministerin Theresa Schopper: „Die großen Herausforderungen in unserem Bildungssystem liegen im vorschulischen und im Grundschulbereich. Dennoch begrüße ich das Verfahren sehr und wir werden es so unterstützen und begleiten, dass sich die ausgewählten Bürgerinnen und Bürger ein fundiertes und differenziertes Bild von den aktuellen Herausforderungen in unserem Bildungssystem verschaffen können.“
Fraktionsvorsitzender Andreas Schwarz. „Wir Grüne wollen gute Bildungschancen für alle Kinder und Jugendliche – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Dafür müssen wir das Schulsystem weiterentwickeln und offen für Veränderungen sein. Ein Beteiligungsprozess zu G8/G9 ist dafür der richtige Weg. Das Fundament für ein modernes Schulsystem sehen wir jedoch in der Stärkung der Grundschulen: Lesen, Schreiben, Rechnen – diese Basiskompetenzen wollen wir besonders voranbringen.“
Fraktionsvorsitzender Manuel Hagel: „In der Bildungspolitik geht es um unser höchstes Gut, das wir haben: unsere Kinder. Tiefgreifende Veränderungen müssen sorgfältig gewogen werden. Dabei ist Politik immer gut beraten, nicht stur an einmal getroffenen Entscheidungen festzuhalten, sondern sich immer auch selbst zu hinterfragen und damit auch für Argumente offen zu sein. Jetzt geht es darum, dafür zu arbeiten, dass wir den besten Weg finden und Baden-Württemberg als Bildungsland wieder stärken. Dabei sollten wir in dieser Diskussion aber auch immer klarmachen: Unsere zentrale Aufgabe fängt heute weit vor der Frage G8 oder G9 an. Lesen, rechnen, schreiben – das sind die Grundfertigkeiten, auf die jede Bildungsbiographie baut. Diesen Prozess gehen wir jetzt gemeinsam und ergebnisoffen an.“
In Baden-Württemberg dauert das allgemein bildende Gymnasium momentan acht Jahre („G8“). In neun Jahren („G9“) kann man das Abitur dagegen an 44 Modellschulen und an Gemeinschaftsschulen mit gymnasialer Oberstufe erwerben. Erst in Klasse 13 zum Abitur führen auch die in Baden-Württemberg sehr vielfältig bestehenden beruflichen Gymnasien.
PM Staatsministerium Baden-Württemberg