Thema Fairtrade und Behindertenwerkstätten

Letztes Jahr wollte unsere Fraktion Linke und Piraten von der Fairtrade Stadt Göppingen wissen, in wieweit Produkte die die Stadt mit dem Label Fairtrade bezieht, in Behindertenwerkstätten bearbeitet oder verarbeitet werden. In diesem Zusammenhang fragten wir nach, ob in diesen Behindertenwerkstätten Mindestlohn bezogen wird.

In der letzten Gemeinderatssitzung wurde uns dann das Ergebnis vorgestellt. Ja, es werden Fairtrade Produkte bezogen die aus Behindertenwerkstätten kommen, hier wird im Schnitt ein Lohn von 1,35 € / Std. bezahlt. Arbeitsminister Heil (SPD) wollte behinderte Menschen nicht den Mindestlohn zugestehen.

Die Verwaltung zeigte sich nicht willig auf die Produkte von Fairtrade zu verzichten, da ansonsten die Gefahr bestünde den Status Fairtrade Stadt zu verlieren und bezog sich dabei auf den Gemeinderatsbeschluss aus 2012. Unserer Meinung nach wird hier auf Kosten der Beschäftigten in Behindertenwerkstätten der Status erhalten.

Besonders befremdlich waren für uns die Äußerungen hierzu von der SPD und FWG die dieses System weiterhin unterstützen möchten und die Wertschätzung von behinderten Menschen unserer Meinung nach mit Füßen treten. Bei der SPD mag es daran liegen, dass sich in Ihren Reihen ein Vertreter der Sozialindustrie befindet und vielleicht auch ein gewisses Maß an Lobbyarbeit vorhanden ist.

Bei dieser ganzen Diskussion wird vergessen, dass die deutsche Rechtsgrundlage gegen die UN Behindertenkonvention verstoßen wird. In Artikel 27 wird hier klar definiert, dass das Recht auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen das Recht auf die Möglichkeit der Arbeit in einem offenen, einbeziehenden und zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld einschließt.

„Wir haben explizit darauf hingewiesen, dass der Verbraucher letztendlich entscheidet, ob er dieses System unterstützt und da wir als Stadt Verbraucher sind, haben wir auch die Möglichkeit dies einzustellen, egal welche rechtlich fragwürdigen Voraussetzungen die Regierung in Gesetze gegossen haben“ so Piratenstadtrat Michael Freche.

„Entsprechend dieser Ergebnisse hält sich die Fraktion Linke und Piraten vor, einen Haushaltsantrag zu diesem Thema einzubringen und wir werden sehen, bei welchen Mitgliedern des Gemeinderates ein soziales Gewissen vorhanden ist.“ Äußerte sich Linkenstadtrat Christian Stähle hierzu.

Fakten:

Umsätze

Behindertenwerkstädten erwirtschaften einen Umsatz von ca. 8 Milliarden € / Jahr. Er setzt sich zusammen aus den 5 Milliarden Euro öffentlichem Geld und dem Umsatz, der durch Arbeitsauftrage erwirtschaftet wird. https://www.bagwfbm.de/article/5199

Staatliche Zuwendungen

Aus dem Bericht 2022 der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe (BaGüs): 2020 lagen die so genannten Fallkosten pro Person im Jahr im Schnitt bei 17593 Euro. Es gibt dabei Unterschiede zwischen den Bundesländern. Die Fallkosten setzen sich zusammen aus: Fahrtkosten (10 Prozent) Vergütungen (76 Prozent), Sozialversicherung (11 Prozent), Arbeitsförderungsgeld (3 Prozent). Die Vergütung erhalten aber nicht die Beschäftigten, sondern Werkstattleiter, Sozialpädagogen etc. Die Beschäftigten erhalten davon nur das Arbeitsförderungsgeld von 52 Euro im Monat. https://www.lwl.org/spur-download/bag/Bericht_2022final.pdf Seite 48f

Mitbestimmung

Der Betriebsrat in einer Werkstatt für Behinderte kann nur eingeschränkte Mitbestimmungsrechte für sich  beanspruchen. Denn die Werkstatt ist wegen ihres karitativen Zwecks grundsätzlich als sogenannter Tendenzbetrieb anzusehen, entschied am Mittwoch, 29. August 2012, das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf (Az.: 7 TaBV 4/12). Der Betriebsrat habe daher nicht das im Betriebsverfassungsgesetz verankerte Recht auf Bildung eines Wirtschaftsausschusses zur Beratung des Unternehmens, so das LAG. Zwar kann theoretisch ein Betriebsrat gewählt werden und gewerkschaftliches Engagement ist theoretisch auch erlaubt – nicht jedoch Lohnverhandlungen.
https://www.juraforum.de/news/nur-eingeschraenkte-mitbestimmung-in-behindertenwerkstatt_118236

Umgehung der Ausgleichszahlung

Unternehmen, die Aufträge an anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) oder Blindenwerkstätten vergeben, können 50 Prozent der Arbeitsleistung von der zu zahlenden Ausgleichsabgabe abziehen. Einkaufen können Firmen nicht nur Produkte, sondern auch Dienstleistungen, die von einer WfbM ausgeführt werden. Durch diese Regelung (§ 223 SGB IX) haben beschäftigungspflichtige Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen einen Anreiz, Aufträge an WfbM zu vergeben.
https://www.rehadat-ausgleichsabgabe.de/beschaeftigen-sparen/wfbm-auftrag

Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt als Hauptaufgabe der Werkstätten

Im Jahresdurchschnitt 2019 waren rd. 279.230 Personen in WfbM beschäftigt. Laut der
Statistik der Bundesagentur für Arbeit wurden 2020 nur 80 Menschen in den ersten
Arbeitsmarkt vermittelt: Dies ist eine Quote von 0,01 %
https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/202012/iiia6/bsbm-bsbm/bsbm-d-0-
202012-xlsx.xlsx?__blob=publicationFile&v=2 Blatt 6

PM Die Fraktion Linke und Piraten im Göppinger Gemeinderat

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