Maientagsansprache von OB Maier

Da aufgrund der zu kurzen Vorbereitungszeit für die Göppinger Schulen kein Maientagsumzug stattfinden kann, wird die Maientagsansprache von Oberbürgermeister Alex Maier am Maientagssamstag, 28. Mai, online über www.goeppingen.de/maientag2022 abrufbar sein.

Die Maientagsansprache von Oberbürgermeister Alex Maier mit Sperrfrist Samstag, 28. Mai, 0 Uhr:

Liebe Göppingerinnen, liebe Göppinger,

1650 lagen Göppingen, Württemberg und ein großer Teil des damaligen Heiligen Römischen Reiches in Trümmern. Ganze Städte waren zerstört, Schätzungen zufolge war etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung getötet worden. Ganze Landstriche waren entvölkert. Dies waren die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges, der 1648 mit dem Westfälischen Frieden zu Ende ging. Nach 3 Jahrzehnten der Zerstörung und des Mordens bedurfte es eines Zeichens der Hoffnung für die leidgeplagte Bevölkerung. Ein Zeichen, dass man nicht aufgibt, dass Städte wieder aufgebaut und Felder wieder bestellt werden können. Ein Zeichen für den Frieden und das friedliche Zusammenleben unterschiedlichster Menschen. Dieses Zeichen wurde damals, vor 372 Jahren, mit einem Fest gesetzt. Bei diesem Fest wurden Birkenzweige, auf schwäbisch Maien oder Maiele, als Symbol für den Frieden und den Neuanfang genutzt. Der Maientag war geboren und ist bis heute nicht nur eines der ältesten Feste dieser Art Süddeutschlands, sondern immer noch unser Göppinger „Nationalfeiertag“.

Beim diesjährigen Maientag steht die Rückbesinnung auf die Werte und Traditionen des ursprünglichen Friedensfestes noch mehr im Fokus als sonst. Nach 2 Jahren der Pandemie und der tiefen Wunden, die diese in unserer Gesellschaft hinterlassen hat, wollten wir alle endlich wieder einen Neuanfang. Ein gemeinsames Feiern ohne Risiko oder schlechtes Gewissen. Einfach miteinander Spaß haben und neue, schöne Erinnerungen sammeln. Auch wenn es für den traditionellen Umzug noch zeitlich zu knapp war, sah alles danach aus, dass es uns in diesem Jahr gelingt einen beinahe normalen Maientag auf die Beine zu stellen.

Doch dann kam der 24. Februar. Der Tag an dem mitten in Europa ein Angriffskrieg ausbrach. Der Tag, an dem sich die Welt uns unsere Leben schlagartig verändert haben. Waren wir uns denn nicht sicher, dass die Zeiten vorbei sind in denen souveräne, demokratische Staaten Angst haben müssen überfallen zu werden? Waren die Erfahrungen der letzten, kriegsreichen Jahrhunderte denn nicht genug, um uns vor Entscheidungen zu bewahren die in einen Krieg führen?

Und nicht nur der Krieg in der Ukraine führt uns die Zerbrechlichkeit angeblicher Gewissheiten vor Augen. Angriffe auf die Pressefreiheit nehmen zu, in Europa, auch hier in Deutschland. Menschen, die Ihre Meinung jederzeit kundtun können, behaupten, während sie das tun, dass es keine Meinungsfreiheit gibt. Fakten werden nicht nur in Zweifel gezogen, sondern schlicht und einfach negiert, weil manchen Ihre eigenen Wahrheiten besser in den Kram passen als die Realität. Das führt dazu, dass Diskussionen immer schwieriger werden und die gesellschaftliche Spaltung voranschreitet und von manchen auch ganz bewusst forciert wird um die eigenen, egoistischen Interessen zu befördern. Bei vielen steht nur noch das Erreichen der eigenen Ziele im Vordergrund. Das führt dazu, dass keine Kompromisse mehr angestrebt werden und manche verbittern, wenn sie nicht 100 Prozent ihres eigenen Standpunktes durchsetzen können.

So kann aber unsere Gemeinschaft nicht funktionieren. Wir brauchen Diskussionen und wir brauchen auch Streit aber am Ende muss man sich in die Augen schauen können. Offensichtlich ist es wieder notwendig geworden, diese angeblichen Gewissheiten aktiv zu verteidigen. Friede, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Pressefreiheit dürfen wir nicht als gegeben hinnehmen. Wir müssen etwas dafür tun, dass sie uns erhalten bleiben!

Deshalb feiern wir unseren Maientag, trotz aller Dinge, die auf der Welt geschehen und uns manchmal die Lust am Feiern nehmen. Als Zeichen für den Frieden und den Zusammenhalt in unserer Stadt. Unabhängig von Nationalität, Religion oder Politik kommen Menschen hier zusammen, um Spaß zu haben um den Kontakt mit Familienmitgliedern und Freunden zu genießen. Also mal wieder ein Zeichen der Hoffnung, ein Zeichen für den Frieden und ein Zeichen für einen Neuanfang.

Auch in der Stadtpolitik versuchen wir uns an einem Neuanfang. Wir haben so viele großartige, engagierte Menschen in unserer Stadt mit vielen hervorragenden Ideen. Diese wollen wir in eine Vision für unser Göppingen gießen. Wir brauchen Ziele und ein Bild vom Göppingen der Zukunft. Stellen Sie sich selbst einmal die Frage, wie die Stadt aussehen muss, in der Sie in Zukunft leben wollen, in der Ihre Kinder und Enkelkinder leben und aufwachsen sollen.

Wenn ich mir Göppingen vorstelle, dann sehe ich eine lebendige Innenstadt, mit vielfältigem Angebot im Handel, der Gastronomie, der Kultur und Aufenthaltsqualität durch viel Grün und Raum für die Menschen. Ich sehe Stadtbezirke mit einer gut funktionierenden Ortsgemeinschaft und allen wichtigen Angeboten der Daseinsvorsorge. Ich sehe eine lebendige, dynamische Stadt in der Menschen eine Chance bekommen für Ihren eigenen Erfolg auch etwas zu riskieren zu können, in der die Menschen nicht in alten Gewohnheiten versauern vor lauter Angst, womöglich zu scheitern.

Das Göppingen des Jahres 2035 soll weltoffen, sozial gerecht, wirtschaftlich stark und ökologisch nachhaltig sein. Kurz gesagt: ich will, dass Sie, die Bürgerinnen und Bürger, unsere Stadt lieben können und es lieben können hier zu leben und zu arbeiten.

Für diese Vision und ihre Umsetzung sind wir in diesem Jahr mit dem Wegekompass 2035 gestartet. Sie alle können sich einbringen und Ihre Vorstellungen für das Göppingen der Zukunft einbringen. Machen Sie davon unbedingt Gebrauch! Es ist einfach sich von der Couch aus über alles Mögliche zu beschweren aber wirklich besser werden Dinge nur, wenn man sich selbst einsetzt für eine Verbesserung. Unser gesamtes Staatswesen und auch die Stadt Göppingen funktionieren nur mit dem Engagement und der Mitarbeit aller. Manche Menschen scheinen zu glauben, dass sie alles dürfen und ihnen alles geliefert werden muss, weil sie ja Steuern bezahlen, doch so funktioniert diese Welt nicht. Um Göppingen besser zu machen, müssen sich alle beteiligen und manchmal auch anstrengen. Die Verwaltung, der Gemeinderat aber eben auch Sie, die Bürgerinnen und Bürger. 

Doch trotz allem mache ich mir keine Sorgen vor der Zukunft, denn glücklicherweise sind die Schlechtredner und Fake-News-Verbreiter in der Minderheit. Die meisten Menschen hier sind engagiert und wollen etwas tun für eine bessere Stadt. Dafür möchte ich mich, auch ganz persönlich, aufrichtig bedanken. Gerade in den schwierigen Phasen der Pandemie aber auch jetzt, als wieder viele Menschen aus dem Krieg in unser sicheres Land fliehen müssen, haben unzählige Menschen bewiesen, wie viel sie bereit sind für Ihre Mitmenschen zu tun. Vom Masken nähen, über die ehrenamtliche Hilfe in Test- und Impfzentren, bis hin zur Sammlung von Hilfsgütern und der Aufnahme Geflüchteter in privaten Wohnungen wurde wirklich beeindruckendes geleistet. Allen, die Angst haben vor der Zukunft, allen die manchmal kurz davor sind den Glauben an das Gute zu verlieren sollten sich dies immer wieder vor Augen führen. Die meisten Menschen wollen das Leben anderer bereichern und verbessern. Wenn wir diese simple Wahrheit nicht vergessen, werden wir mit den Herausforderungen unserer Zeit zurechtkommen und Göppingen zu einem noch schöneren Ort machen als er ohnehin schon ist. Ein Ort an dem wir so etwas wie den Maientag genießen können und dabei nicht vergessen, warum wir ihn feiern und woher er kommt.

Der Große Willy Brandt hat einmal gesagt: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“

Deshalb setzen wir Zeichen und hoffen, auf einen Frieden in Europa und der Welt. Irgendwann wird es diesen Frieden geben und bis dahin tun wir alle das, was wir können, um unseren eigenen kleinen Kosmos besser zu machen. Ich danke meinen wunderbaren Kolleginnen und Kollegen aus der Stadtverwaltung, allen engagierten Mitgliedern des Gemeinderats und den Bürgerinnen und Bürgern unserer großartigen Hohenstaufenstadt für das gute Miteinander im vergangenen Jahr und wünsche Ihnen allen viel Gesundheit, Glück und Erfolg bei allem was Sie tun. Möge es uns allen gelingen etwas von der Friedensbotschaft des Maientags weiter zu tragen und unseren persönlichen Beitrag dazu zu leisten, dass aus dem Versprechen und der Hoffnung „Nie wieder Krieg“ auch Wirklichkeit wird.

 

PM Stadtverwaltung Göppingen

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