Ein Jahr Grün-Schwarz – BUND und NABU fordern Landesregierung zu mehr Klima- und Flächenschutz auf Gemischtes Zeugnis: Lob für ambitionierte Ziele, Kritik an schleppender Umsetzung 

Die beiden Natur- und Umweltverbände stellen der Landesregierung ein Jahr nach dem Start der zweiten Amtsperiode ein gemischtes Zeugnis aus. Die teils ambitionierten Ziele von Grün-Schwarz machen zwar Hoffnung auf einen verbesserten Natur- und Umweltschutz, in einigen Bereichen fehlen jedoch konkrete Maßnahmen und die Umsetzung verläuft schleppend.

Stuttgart. Ein Jahr nach dem Start der zweiten Amtsperiode der grün-schwarzen Landesregierung in Baden-Württemberg haben die Landesverbände von BUND und NABU Bilanz in den Bereichen Natur- und Umweltschutz gezogen. Besonders im Klimaschutz, im Flächenschutz sowie in der Landwirtschaft muss die Landesregierung schleunigst wirksame Maßnahmen beschließen, um die eigenen Ziele noch zu erreichen.

„Insgesamt hat sich die Landesregierung in den vergangenen zwölf Monaten ambitionierte und wichtige Ziele gesetzt, die viel zur Verbesserung von Natur-, Umwelt-, Klima- und Artenschutzes beitragen können“, loben die Landesvorsitzenden Johannes Enssle (NABU) und Sylvia Pilarsky-Grosch (BUND). „Doch Ziele allein genügen nicht, sie müssen durch konkrete Maßnahmen unterfüttert und stringent verfolgt werden.“
Gerade beim galoppierenden Flächenfraß, bei den Treibhausgasemissionen und beim Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide müsse die Landesregierung konkrete Schritte zur Zielerreichung festlegen und diese auch umsetzen.

Klima und Energie

„In Sachen Klimaschutz haben sich die Regierungsparteien viel vorgenommen. Der Koalitionsvertrag steckt voller guter Pläne und Absichten“, beschreibt Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesvorsitzende des BUND Baden-Württemberg. Spätestens bis 2040 soll Baden-Württemberg klimaneutral sein. Außerdem haben Grüne und CDU ein ganzes Paket von Projekten vereinbart, um die notwendigen Maßnahmen zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimagipfels umzusetzen. Dazu gehört die Ausweisung von mehr Flächen für die Windenergie und eine neue Task Force, die den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen soll. Sowohl die Verschärfung ihrer Klimaschutzziele als auch die konkreten Regelungen zum Ausbau der Photovoltaik hat die Koalition schnell umgesetzt. Es fehlt allerdings weiterhin ein übergeordnetes Konzept, das Orientierung gibt und zeigt, wie Baden-Württemberg die gesetzten Ziele tatsächlich erreichen kann.

Mobilität und Verkehr

Die gute Nachricht: Bei den Alternativen zum Auto gibt das Land Gas. Es plant ein ganzes Bündel von Radschnellwegen. Bahnen und Busse werden ambitioniert gefördert. Mit 130 Einzelmaßnahmen will das Land bis 2030 doppelt so viele Menschen in die öffentlichen Verkehrsmittel locken und damit den Autoverkehr um 30 Prozent reduzieren.
„Wenn es allerdings um den Straßenbau und den Autoverkehr selbst geht, zeigt sich die Achillesferse der Mobilitätswende“, erklärt Sylvia Pilarsky-Grosch. „Weniger Investitionen in Straßenbau und mehr Einschränkung des Autoverkehrs – zu diesen notwenigen Maßnahmen fehlt bislang die Bereitschaft.“ Dort hat die Autolobby deutliche Spuren hinterlassen.

Flächenschutz

Den Flächenschutz geht die Landesregierung unambitioniert an. Selbst die guten Ansätze, wie die Grundsteuerreform, sind nur Trippelschritte. Sie tragen angesichts einer Landesregierung, die jedwede flächenverbrauchende Industrie- und Gewerbeansiedlung fördert, nicht annähernd ausreichend zum Flächenschutz bei. Derzeit liegt der Flächenverbrauch bei 5,4 Hektar pro Tag – das Ziel der Landesregierung lautet 2,5 Hektar, und schon bis 2035 soll die Netto-Null erreicht sein. Die Landesvorsitzende des BUND betont: „Es fehlt ein grundlegendes Konzept, mit dem schnelle Erfolge beim Flächenschutz erreicht werden können. Allein die Einrichtung eines neuen Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen bringt noch keine erhöhte Dynamik.“

Naturschutz:

Die Ziele im Naturschutz sind ambitioniert. Positiv zu sehen sind der Mittelaufwuchs im Naturschutzhaushalt mit der Verstetigung von wichtigen Instrumenten, wie zum Beispiel Personal- und Sachmittel für die Schaffung eines Biotopverbundes auf 15 Prozent der Landesfläche, der Start einer Initiative, um Nachwuchskräfte mit guten Artenkenntnissen auszubilden, sowie die Einrichtung eines regelmäßigen Monitorings von Arten und Lebensräumen zur Erfolgskontrolle von Naturschutzmaßnahmen. Erfreulich sind auch die Initiativen im Bereich der Großschutzgebiete. Für eine Erfolgsbilanz ist es hier allerdings zu früh. Schlecht steht es bis dato um den Schutz der Streuobstwiesen: „Weiterhin fallen Streuobstwiesen der Wohnbebauung zum Opfer. Der gesetzliche Schutz läuft bislang ins Leere, da Naturschutz- und Baurechtsbehörden auf Landkreisebene teilweise von unterschiedlichen Rechtsauffassungen ausgehen“, erklärt Johannes Enssle, Vorsitzender des NABU Baden-Württemberg. Der neue Erlass, der auch von den Ministerien für Landwirtschaft sowie für Landentwicklung und Wohnen mitgetragen wird, muss erst noch zeigen, ob er wirkt“, so Enssle weiter.
 
Landwirtschaft:

Die Ziele der Landesregierung sind ambitioniert und vieles ist in Planung, aber die Umsetzung muss deutlich schneller gehen. Bis heute fehlt die im Koalitionsvertrag schon für Ende 2021 in Aussicht gestellte Roadmap, wie der Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide bis 2030 um 40 bis 50 Prozent verringert werden soll. „Das Pestizidverbot in Naturschutzgebieten wurde zwar umgesetzt, aber mit sehr weitreichenden Ausnahmen für den Wein- und Gemüsebau“, betont der NABU-Landesvorsitzende Enssle.
Immerhin: Das Land hat erstmalig Daten zum Pestizideinsatz erhoben und im November 2021 einen ersten Bericht erstellt. Dieser dient als Grundlage zur Erreichung der Pestizid-Reduktionsziele. Ebenfalls positiv ist, dass die Pflanzenschutz- und Biodiversitätsberatung ausgebaut wurde. Die gesetzliche Vorgabe, bei Neuverpachtungen von landeseigenen landwirtschaftlichen Flächen den Ökolandbau zu bevorzugen, wird umgesetzt.
 
Wald und Forstwirtschaft:

Nach Jahren der Strukturreformen und der Ausgründung des Staatsforstbetriebes ForstBW als Anstalt des öffentlichen Rechts ist die Forstpartie wieder aus der Schockstarre erwacht. Die Landesforstverwaltung arbeitet in einem partizipativen Prozess an einer Waldstrategie für die Zukunft des Waldes in Baden-Württemberg. Die Waldbaurichtlinie für den öffentlichen Wald wird überarbeitet, um auf die Folgen der Klimakrise besser zu reagieren. Die Gesamtkonzeption Waldnaturschutz wurde evaluiert und wird nun weiterentwickelt. Konzeptionell, so der Eindruck, ist die Forstpartie auf einem guten Weg, bei der Umsetzung ist noch Luft nach oben, wie Johannes Enssle beschreibt: „ForstBW und die Landesforstverwaltung sollten ihre Anstrengungen zur Umsetzung der Naturschutzziele im Wald und zur Einbindung von interessierten Bürger*innen in die forstliche Entscheidungsfindung verstärken.“
 
Umweltverbände bleiben wachsam

„Für NABU und BUND ist es weiterhin sehr wichtig, die Entwicklungen intensiv im Auge zu behalten, zahlreiche Gespräche zu führen, auf Landesebene und vor Ort aktiv zu bleiben und wieder und wieder auf die notwendigen Maßnahmen hinzuwirken“, resümieren Johannes Enssle und Sylvia Pilarsky-Grosch.
 
Weitere Informationen:

Ausführliches Positionspapier von BUND BW und NABU BW

 

PM Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg

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