Am 24. September veröffentlichte die Europäische Kommission ihre „Folgenabschätzung in der Anfangsphase” zur Deregulierung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Lebensmitteln. Dank der Funktion „Rückmeldungen” haben die EU-Bürger die Möglichkeit, sich vor dem 22. Oktober zu den Plänen, Zielen und Annahmen der Kommission zur Einführung von neuen Rechtsvorschriften für neue Gentechniken zu äußern. Slow Food ruft sein Netzwerk dazu auf, sich zu Wort zu melden und die EU daran zu erinnern, dass die Bürger keine neuen GVOs auf ihren Feldern und Tellern haben möchten.
„Durch den Grünen Deal der EU und die Strategie „Vom Hof auf den Tisch” hat sich die Europäische Kommission das Ziel gesetzt, den Übergang zu einem wirklich nachhaltigen Lebensmittelsystem zu beschleunigen. Aber indem die Kommission den Weg frei gibt, GVO-Richtlinien neu zu überarbeiten, läuft sie Gefahr, einem technokratischem Modell verhaftet zu bleiben statt agrarökologische Modelle zu fördern und auszubauen, von denen Bauern, lokale Gemeinschaften und die Umwelt profitieren”, kommentiert Marta Messa, Leiterin von Slow Food Europa.
EU-Bürger, Fachleute und die Zivilgesellschaft haben bis 22. Oktober die Möglichkeit, ihren Standpunkt zu den Plänen der Europäischen Kommission zu äußern, die von Vertretern der Agrarindustrie schon freudig begrüßt wurden. Das ist eine wichtige Gelegenheit, sich auf EU-Ebene Gehör zu einem Thema zu verschaffen, das direkte Auswirkungen auf unser tägliches Leben haben wird. Wir müssen uns gegen diese neue Generation von GVOs wehren, die sonst ihren Weg in die Natur und auf unsere Teller finden könnten, möglicherweise ohne Kontrollen und Kennzeichnungspflicht – mit unwiderruflichen Folgen für die Biodiversität und unsere gemeinsame Zukunft der Ernährung.
Vergangenen April veröffentlichte die Europäische Kommission einen Bericht, in dem stand, dass neue Gentechnik oder so genannte „Neue genomische Verfahren” wie CRISPR/Cas „Vorteile für die EU-Gesellschaft bringen könnten”, darunter eine verbesserte Nachhaltigkeit unserer Lebensmittelsysteme. Die Schlussfolgerung lautete, dass eine neue Politik zur Regulierung von neuer Gentechnik erforderlich sei. Die Folgenabschätzung in der Anfangsphase skizziert die Probleme, die die Kommission mit den derzeitigen Rechtsvorschriften sieht, beschreibt einige mögliche politische Optionen und Ziele sowie eine Vorabbewertung der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen. Dabei werden allerdings die potenziellen Vorteile weitgehend überbewertet und die tatsächlichen Risiken einer Lockerung der GVO-Vorschriften heruntergespielt. Die EU-Kommission zielt auf eine Aufweichung der geltenden Gentechnikvorschriften ab, was zur Folge haben könnte, dass neue Gentechnikerzeugnisse entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette nicht mehr kennzeichnungspflichtig oder rückverfolgbar wären.
Francesco Sottile, Agronom und Professor an der Universität Palermo kommentiert: „Neue (und alte) GVOs sind völlig unvereinbar mit Agrarökologie. Neue GVOs werden von Bauern nachgefragt, die weiterhin Monokultur betreiben möchten und sich gegen den Einsatz von Verfahren sträuben, die sowohl die Widerstandsfähigkeit der Böden als auch der ländlichen Gebiete an sich erhöhen würden. Die EU sollte ihre Aufmerksamkeit darauf richten, den Landwirten zu helfen, Alternativen zur industriellen Landwirtschaft zu fördern, anstatt wertvolle Zeit und Ressourcen auf neue GVOs zu verschwenden.“
Als Reaktion auf den Bericht der Kommission zu neuen genomischen Verfahren veröffentlichte Slow Food ein Kurzdossier, in dem die Position des Vereins zu neuer Gentechnik klar zum Ausdruck kommt: Neue Gentechnik muss weiterhin streng reguliert werden, da sie eine Gefahr für die Biodiversität und die Subsistenz von Kleinbauern darstellt und nicht mit einem agrarökologischen Lebensmittelsystem in Einklang zu bringen ist. Darüber hinaus sendete Slow Food zusammen mit 60 weiteren Organisationen der Zivilgesellschaft eine gemeinsame Stellungnahme an die Europäische Kommission, in der die Bedenken in Zusammenhang mit dem Bericht ausgeführt werden. In erster Linie fördert Gentechnik-Landwirtschaft den Ausbau intensiver Monokulturen und bedeutet damit eine zunehmende Gefahr für das Überleben traditionellen Saatguts und ländlicher Gemeinschaften, die in steigendem Maße ihrer Produktionsmittel und Überlebensgrundlage beraubt werden. Aus diesem Grund halten wir es für so wichtig, dass die Zivilgesellschaft aktiv wird und sich gegen die Pläne der Europäischen Kommission zur Deregulierung der Produktion, des Handels und des Vertriebs von Erzeugnissen mit neuer Gentechnik wehrt.
PM Slow Food International