Vorlesungsbeginn: Gute akademische Ausbildung braucht persönlichen Austausch / Starker Fachkräftemangel auch bei Hochschulabsolventen – Änderungen bei der Hochschulfinanzierung gefordert

„Es ist ein wichtiges Signal, dass zum Vorlesungsbeginn wieder deutlich mehr Präsenz auf dem Campus möglich ist“, freut sich Christian O. Erbe, Vizepräsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) und Präsident der im BWIHK für Hochschulthemen federführenden IHK Reutlingen.

„Die Hochschulen in Baden-Württemberg haben in den vergangenen Semestern Enormes geleistet, um Studium und Lehre auch virtuell sicherzustellen. Und doch ist der direkte Austausch zwischen Studierenden und mit den Lehrenden durch eine rein digitale Lehre nicht zu ersetzen.“ Mit der Rückkehr zur vorrangigen Präsenzlehre wird verhindert, dass die Pandemie die Qualifizierung einer ganzen Generation von akademisch gebildeten Fach- und Führungskräften weiter beeinträchtigt. „Diese Face-to-Face-Qualifizierung ist enorm wichtig angesichts des weiterhin drohenden Fachkräftemangels, der auch in Zukunft nicht nur rein virtuell vermittelte Kompetenzen verlangen wird“, mahnt Erbe.

70.000 akademische Fachkräfte fehlen bis 2035

Baden-Württemberg steuert weiter auf einen riesigen Mangel an Fachkräften zu. Bis 2035 werden fast 800.000 Fachkräfte mit dualer Berufsausbildung fehlen. Zusätzlich droht eine Lücke bei den akademisch Qualifizierten: Bis 2035 braucht es 70.000 Fach- und Führungskräfte mit bestimmten Hochschulabschlüssen. Das sind fast 25 Prozent der zu besetzenden Stellen. Besonders groß wird der Mangel weiterhin bei einzelnen Ingenieur-Studiengängen sein (Engpass: 27.100 Stellen). In den Gruppen Wirtschaftswissenschaften und Unternehmensführung droht jede dritte Stelle für Hochschulabsolventen verwaist zu bleiben (Engpass: 37.000 Stellen).

Angesichts stagnierender Erstsemesterzahlen und ersten Meldungen von sinkenden Einschreibungen müssen zusätzliche Anreize gesetzt werden, Studierende für die Mangelfächer zu interessieren.  „Dem akademischen Fachkräftemangel sollte ausdrücklich nicht mit einer pauschalen Erhöhung der gesamten Studienplätze im Land begegnet werden“, befindet Erbe. Besonders die Hochschulen für angewandte Wissenschaften und die DHBW haben in den vergangenen Jahren mit großem Engagement einen immensen Aufwuchs an Studienplätzen gestemmt. „An allen Hochschularten muss der Schwerpunkt nun auf einem stärken Berufs- und Praxisbezug der Studiengänge liegen. Auch eine gute materielle und personelle Ausstattung der Lehre muss gesichert sein“, sagt Erbe. Dabei müssen die Übergänge vom ersten Schuljahr bis zum Berufseinstieg, die Reduzierung von Studienabbrecherquoten und eine größere Durchlässigkeit zwischen den Bildungssystemen weiter im Fokus der Landespolitik stehen. „Der Praxisbezug und die Qualität von Studium und Lehre spielen keine große Rolle in der aktuellen Koalitionsvereinbarung. Das darf nicht das abschließende Programm für die angelaufene Legislaturperiode sein“, fordert Erbe.

Hochschulfinanzierung weiterentwickeln

Ein weiteres Mittel, die Lücke an akademisch gebildeten Fachkräften zu schließen, kann die gezielte wissenschaftliche Weiterbildung für Hochschulabsolventen sein. Hier hat die Landes-regierung mit dem Förderprogramm Hochschulweiterbildung@BW einen wichtigen Schritt getan. Dennoch zahlt sich ein starkes Engagement in der Weiterbildung für die Hochschulen kaum aus. Das Gleiche gilt für die aus Sicht der Wirtschaft wichtigen Aufgabengebiete Technologietransfer und Gründung. Die Grundfinanzierung der Hochschulen hängt weiter stark an der Zahl der Studierenden. „Wir regen an, die über Studium und Lehre hinausgehenden Aufgaben in die Berechnung der Grundfinanzierung ab 2025 stärker einzubeziehen, um, wie die Landesregierung im Koalitionsvertrag schreibt, die Qualität unserer Hochschulen weiter zu steigern, richtige Impulse zu setzen und Prozesse zu stärken“, befindet Erbe. „Wir sind uns bewusst, dass dies ein umfangreiches Unterfangen ist. Gerade deshalb sollte es frühzeitig angestoßen werden.“

Hintergrund: IHK-Fachkräftemonitor

Der IHK-Fachkräftemonitor basiert auf einem Prognosemodell, das die WifOR Wirtschaftsforschung GmbH, Darmstadt, im Auftrag der baden-württembergischen IHKs entwickelt hat. In die Berechnungen fließen folgende Indikatoren ein: IHK-Konjunkturbefragungen, Beschäftigten- und Arbeitslosenzahlen des Statistischen Landesamtes, voraussichtliche Renteneintritte, Wanderungsbewegungen, Studien- und Absolventenzahlen.

 

PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag

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