Kita-Fachkräfte sind trotz ihrer hohen Motivation mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden. Die Beschäftigten drohen in andere Bereiche abzuwandern. Das hat eine bundesweite Befragung unter mehr als 19.000 Fachkräften aus allen Regionen und allen Bereichen der Kitas ergeben. Davon kommen rund 1.800 aus Baden-Württemberg.
ver.di hat diese Befragung zwischen Mai und Juni 2021 in Kooperation mit der Hochschule Fulda in bundesdeutschen Kindertagesstätten durchgeführt und dabei Beschäftigte in Krippen, Kindergärten und Horten befragt. Nach einer ersten Auswertung Ende Juni wurden am Mittwochabend die zentralen Erkenntnisse vorgestellt. „Trotz gestiegener Ausbildungszahlen in den vergangenen Jahren ist die Lage in Baden-Württemberg besorgniserregend. Für die Kinder gibt es zu wenig Betreuungspersonal. Das zeigen auch andere Studien. Es gibt jetzt Handlungsbedarf, sonst schieben wir diese Betreuungskrise die kommenden zehn Jahre vor uns her. Das schadet den Kindern und dem pädagogischen Fachpersonal“, so Martin Gross, Landesbezirksleiter von ver.di Baden-Württemberg. 20,2 Prozent der Beschäftigten denken darüber nach, sich beruflich zu verändern. Eine Berufsflucht würde die Situation noch verschärfen. Derzeit fehlen nach Berechnungen von ver.di 27.000 Fachkräfte in den Einrichtungen frühkindlicher Bildung, und mit der Ausweitung der Betreuungsmöglichkeiten ist eine Trendwende nicht ersichtlich. „Um eine Ausbildungsoffensive zu ermöglichen brauchen wir auch Ausbildungsplätze. Das geht nicht ohne zusätzliche Räume und Lehrkräfte in den Fachschulen für Sozialpädagogik und klare zeitliche Rahmenbedingungen für die Praxisanleitung in den Kitas, Krippen und Horten“, so Hanna Binder, stellvertretende Landesbezirksleiterin von ver.di. 46,5 Prozent der Befragten gaben an, dass sie für die Anleitung von Auszubildenden zuständig waren, davon haben dafür aber 60,9 Prozent keine Qualifizierung erhalten und 81 Prozent haben keine oder maximal eine Stunde pro Woche Zeit für ihre Auszubildenden. Binder: „Wer gut kochen möchte braucht gute Zutaten. Bei einer qualitativ hochwertigen Ausbildung sind das eine gut ausgestattete Schule und qualifizierte Praxisanleiterinnen, denen auch die Zeit dafür zur Verfügung gestellt wird.“ 41,8 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Arbeitgeber keine Möglichkeit bieten, einen höheren Berufsabschluss zu erlangen. Gerade in einem Bereich, in dem Aufstiegschancen bereits begrenzt sind, ist das für eine langfristige Personalbindung und Qualifizierung ein großes Problem. „Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, müssen Lösungen gefunden werden, die nicht zu einer De-Qualifizierung des Berufsfelds führen. Vorstellbar ist eine Entlastung der Fachkräfte durch Zusatzkräfte, die Hauswirtschaftliche- oder Verwaltungstätigkeiten übernehmen. Ebenso vorstellbar sind pädagogische Entlastungskräfte, die zusätzlich zum Personalschlüssel beschäftigt werden und im Rahmen ihrer Beschäftigung und ihrer mitgebrachten Qualifikation modularisiert ausgebildet werden. Den bestehenden Quereinstieg, bei dem 25 Fortbildungstage für die pädagogische Ausbildung als ausreichend angesehen werden lehnen wir ab“, so Hansi Weber, Vorsitzender der bei ver.di zuständigen Fachgruppe Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe. Zur im Januar 2022 beginnenden Tarifrunde im Sozial- und Erziehungsdienst macht Martin Gross deutlich: „Es geht um nichts weniger als die Zukunft dieses Berufsfeldes. Nur mit einer eindeutigen Wertschätzung der pädagogischen Fachkräfte in der frühkindlichen Bildung werden wir dieser Mammutaufgabe gewachsen sein. Höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und berufliche Qualifikationsmöglichkeiten sind entscheidend für eine gute, fachliche Betreuung. Wir werden hier auch für Kinder und Eltern kämpfen.“
Weitere Ergebnisse der Studie:
– Die Studie zeigt, dass 44 Prozent der Fachkräfte nicht auf die Probleme und Wünsche der Kinder eingehen kann.
– 60,5 Prozent der Fachkräfte haben eine Stunde oder weniger für Vor- und Nachbereitung der täglichen pädagogischen Arbeit.
– 63 Prozent haben weniger als eine halbe Stunde Zeit für Elterngespräche.
– 57,9 Prozent verrichten mindestens oft unbezahlte Arbeit für ihre Einrichtung.
– 92,3 Prozent können nicht oder nicht immer den eigenen pädagogischen Ansprüchen gerecht werden.
– Im Schnitt fehlen pro Einrichtung drei Fachkräfte.
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg