Im Tarifkonflikt im privaten Omnibusgewerbe findet heute der dritte und vorerst letzte Tag der Streiks statt. Insgesamt haben sich über 800 Beschäftigte, zumeist Fahrerinnen und Fahrer, aus rund zwanzig Betrieben an den Arbeitsniederlegungen beteiligt. Nach einer zentralen Kundgebung am gestrigen Dienstag in Stuttgart finden heute örtliche Aktionen statt. Betroffen waren und sind unter anderem die Stadtverkehre in Schwäbisch Hall, in Reutlingen, Göppingen, Heidenheim, Waiblingen, Ludwigsburg, Backnang, Bietigheim-Bissingen und teilweise in Karlsruhe, Geislingen, Böblingen und Plochingen.
Gestern wurde zusätzlich im Stadtverkehr in Tübingen gestreikt. Dazu kommen starke Beeinträchtigungen im Überlandverkehr im Großraum Stuttgart, im Großraum Karlsruhe, im Raum Schwäbisch Hall und im Raum Reutlingen/Tübingen. Hanna Binder, ver.di Verhandlungsführerin: „Die hohe Streikbeteiligung, trotz zum Teil erheblichem Druck der Geschäftsführungen auf die Beschäftigten, zeigt: Die Kolleginnen und Kollegen akzeptieren nicht mehr, dass wesentliche Teile ihrer langen Schichten unbezahlt sind. Wir erwarten kommenden Woche einen großen Schritt der Arbeitgeber, damit dieser Tarifkonflikt nicht weiter verschleppt wird. Die Arbeitgeber haben eine Verantwortung gegenüber ihrem Personal und ihren Kundinnen und Kunden.“
Die Streiks in dieser Woche wurden von ver.di bereits am letzten Donnerstag angekündigt. Bei einzelnen Unternehmen konnte diese lange Ankündigungsfrist nicht eingehalten werden, weil sich Beschäftigte aufgrund des großen Drucks ihrer Arbeitgeber erst kurzfristig „getraut haben, die Arbeit niederzulegen“. In einigen Unternehmen wurde ver.di zum Abschluss von Notdienstvereinbarungen aufgefordert. Dabei wurde deutlich, dass ihnen die Sicherstellung gut bezahlter Auftragsverkehre deutlich wichtiger ist als die Aufrechterhaltung der Schülerverkehre. Die Verhandlungen werden am 21. und 22. September in siebter Runde fortgesetzt.
Weitere Informationen: In den Manteltarifverhandlungen für das private Omnibusgewerbe zwischen ver.di und dem Arbeitgeberverband von Baden-Württemberg WBO fanden bisher sechs Verhandlungsrunden statt. ver.di fordert unter anderem eine Pausenregelung nach dem Arbeitszeitgesetz, eine Vereinheitlichung der Sonntags- und Nachtzuschläge auf höherem Niveau sowie die Aufnahme von Verhandlungen für eine betriebliche Altersvorsorge. Nachdem die Arbeitgeber in der dritten Runde kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt hatten und weiterhin auf einer Absenkung der Jahressonderzahlung beharren, hatte die Tarifkommission beschlossen, zu ersten Warnstreiks aufzurufen. Nach der vierten Verhandlungsrunde fanden begleitend zur Urabstimmung weitere Warnstreiks statt. Bei der Urabstimmung hatten sich 97,9 Prozent der zur Abstimmung aufgerufenen Mitglieder für Arbeitskampfmaßnahmen zur Durchsetzung der Forderungen ausgesprochen. Damit ist seitdem der Weg auch für längere und unbefristete Arbeitsniederlegungen grundsätzlich frei. Fahrer*innen müssen in etlichen Betrieben 3 bis 4 oder mehr Stunden Pause pro Schicht nehmen. Die Schichten sind bisweilen sogar länger als zehn oder gar zwölf Stunden. ver.di erwartet, dass die Rechtsprechung von 2016 endlich in den Betrieben umgesetzt wird, nach der mehr als eine Stunde unbezahlter Pausenzeit innerhalb einer Schicht regelmäßig unzulässig ist. „Das ist seit fünf Jahren geltendes Recht.
Dass wir darüber überhaupt verhandeln müssen, ist bitter. Die Arbeitgeber wissen das und fordern selbst auch eine Aktualisierung der Pausenregelung – allerdings mit dem Ziel, die gängige Praxis weitgehend zu legalisieren, anstatt den Fahrerinnen und Fahrern die Schichtzeit samt Standzeiten zu bezahlen“, so Binder. Betroffen sind von den Verhandlungen rund 9.000 Fahrerinnen und Fahrer der privaten Omnibusunternehmen in ganz Baden-Württemberg.
Weitere Infos zur Tarifrunde: https://bawue.verdi.de/++file++60c6ebdbac443e6ac37b5f16/download/Pressereader%20Tarifrunde%20Privates%20Omnibusgewerbe.pdf
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg