U-Messvorschrift zur Lärmbegrenzung von Motorrädern weiterhin unzureichend

Motorräder machen im Praxistest deutlich mehr Lärm als das Genehmigungsverfahren zeigt. Dies hat ein Versuch des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur (MVI) auf dem Flughafengelände in Lahr gezeigt. Das Ergebnis vorweg: Die EU-Messvorschrift wurde in einigen Punkten verbessert, ist aber noch immer viel zu weit vom praktischen Fahrbetrieb entfernt.

Ab 1. Januar 2016 gelten für neue Motorräder verbesserte EU-Messvorschriften zur Lärmbegrenzung. Diese unterzog Staatssekretärin Gisela Splett als Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung einem Praxistest. Im Mai 2015 wurden dazu auf dem Flughafen Lahr gemeinsam mit dem TÜV-Süd Lärmmessungen unter verschiedenen Bedingungen an vier neuen und gebrauchten Motorrädern durchgeführt. Auch vorschriftsmäßige neue Motorräder werden danach bei sportlicher Fahrweise auf Jahre hinaus massiv Lärm verursachen. Ein Video der Messung sowie eine Präsentation der Ergebnisse des TÜV-Süd können auf der Internetseite des MVI eingesehen werden: http://mvi.baden-wuerttemberg.de/de/ministerium/presse/pressemitteilung/pid/eu-messvorschrift-zur-laermbegrenzung-von-motorraedern-weiterhin-unzureichend/

Insbesondere lärmintensives hochtouriges Beschleunigen und straßenübliche Geschwindigkeiten über 80 km/h werden in den EU-Messvorschriften nicht berücksichtigt. „Gerade deshalb werde ich auch in Zukunft eine Verbesserung des Schutzes der Bürgerinnen und Bürger sowie der Umwelt vor Motorradlärm fordern“, so Staatssekretärin Splett. Der Test hat gezeigt, dass einzelne Motorräder bei einer praxisnahen Anpassung der gesetzlichen EU-Messvorschrift mehr als 10 dB(A) lauter waren als im gesetzlichen Messverfahren.

Bei künftigen Fortschreibungen der EU-Lärmbegrenzungsvorschriften zur Genehmigung neuer Motorräder muss die Umweltverträglichkeit des Motorradfahrens spürbar verbessert werden. Dies war bereits das wichtigste Ziel des 2012 in den Bundesrat eingebrachten baden-württembergischen Entschließungsantrags (BR-DS 441/12), der mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Parallel dazu erfolgten verschiedene Vorstöße des Landes auf nationaler und EU-Ebene.

Eine Änderung dieser Vorschriften bedarf stets einer Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten.

Als EU-Mitglied ist Deutschland an das für den gemeinsamen EU-Binnenmarkt verbindliche EU-Recht gebunden, das auch Typgenehmigungen und Lärmgrenzwerte für neue Motorräder umfasst. Eine nationale Verschärfung der Lärmbegrenzungsvorschriften ist nicht möglich.

Immerhin sind folgende Verbesserungen gegenüber dem alten Messverfahren zu verzeichnen:

  • Zusätzliche Geräuschanforderungen im Bereich von 20 bis 80 km/h
    (ASEP = additional sound emission provisions).
  • Grenzwerterfüllung beim Fahrzyklus in allen eventuellen Betriebsarten bzw. Auspuffklappenstellungen.
  • Verbot der Fahrzykluserkennung durch die Fahrzeugelektronik.
  • Manipulationserschwerende Maßnahmen einschließlich des Verbots entfernbarer Schalldämpfereinsätze (sog. „dB-Eater“/„dB-Killer“).
  • Kennzeichnung der Geräuschwerte am Motorrad zur Überprüfung der Geräuschemissionen im Verkehr.

„Aus Sicht der Praxis reicht dies jedoch noch nicht für einen wirksamen Lärmschutz aus. Die EU-Vorschriften zur Motorrad-Lärmbegrenzung müssen zügig weiter verbessert werden, da eine rechtlich bindende Strafe überlauter Motorräder nur auf Basis ihrer Genehmigungsgrenzwerte möglich ist“, so Splett. Zum Schutz lärmgeplagter Bürgerinnen und Bürger ließe sich aus Sicht der Lärmschutzbeauftragten eine effektive Lärmbegrenzung an der Quelle – dem Motorrad – folgendermaßen realisieren:

  1. Künftige EU-Lärmbegrenzungsvorschriften zur Genehmigung neuer Motorräder müssen bei Messzyklus und Grenzwerten die tatsächliche Nutzungspraxis wesentlich besser abbilden.
  2. Eine konsequente Serienüberwachung in- und ausländisch typgenehmigter Motorräder und Zubehör-Auspuffanlagen auf Übereinstimmung mit ihrer Genehmigung mit wirksamen internationalen Restriktionen bei Fehlern muss erfolgen.

Neben den nach EU-Recht vorgegebenen genehmigungsrechtlichen Maßnahmen sollten auch befristete Verkaufsverbote angedacht werden. Dies würde für Qualität und gleiche Wettbewerbsbedingungen bei in- und ausländischen Herstellern und Händlern sorgen.

Auch die EU-Kommission hat erkannt, dass Lärm gesundheitsschädlich sein kann. Dies fand aber bisher leider nur unzureichend Niederschlag in den EU-weiten Vorschriften zur Lärmbegrenzung von Motorrädern.

PM

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