Südwestwirtschaft stellt Lösungsvorschläge für verfassungsfeste Erbschaftsteuer vor – Alle politischen Kräfte des Landes gefordert

Die Südwestwirtschaft sieht die erfolgreichen Familienunternehmen Baden-Württembergs und die über Jahrzehnte gewachsenen Wirtschaftsstruktur des Landes auch nach den im Referentenentwurf zur Erbschaftsteuerreform enthaltenen punktuellen Verbesserungen gefährdet. Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK), der Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT) und der Landesverband der Baden-Württembergischen Industrie (LVI) haben deshalb konkrete Verbesserungsvorschläge für die wichtigste wirtschaftspolitische Maßnahme der Legislaturperiode vorgelegt. Die Spitzenverbände warnen vor einem Ausverkauf und fordern die Landesregierung sowie die Abgeordneten in Land- und Bundestag auf, sich mit ihrer Stimme für die Familienunternehmen des Landes stark zu machen.

Konkret stellen die Verbände fünf Punkte als Lösungsvorschläge für eine verfassungsfeste Erbschaftssteuer vor:

– Änderungen im Bewertungsgesetz auf das sechs- bis neunfache des Jahresertrags (statt 18-  fache),
– abgeschwächte Lohnsummenregel auch auf Betriebe zwischen zehn und 15 Beschäftigten anzuwenden (statt fünf),
– individuelles unternehmerisches Risiko berücksichtigen (statt pauschal),
– Einrichtung eines Freibetrags statt einer Freigrenze,
– höher gestaffelten Deckelungswert als Alternative zur Verschonungsbedarfsprüfung.

Dr. Peter Kulitz, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags, unterstreicht: „Änderungen im Bewertungsgesetz sind unumgänglich, um zu einer realistischeren Bewertung des Unternehmenswerts zu gelangen. Aktuell wird der Wert eines Unternehmens mit dem 18-fachen seines durchschnittlichen Jahresertrags ermittelt. Dies führt zu einer vollkommen überzogenen Bewertung der Unternehmen, weil den Betrieben damit eine Ertragskraft unterstellt wird, die weit weg von jeder Realität ist. Die Folge dieser zwei- bis dreifachen Überbewertung der Unternehmen ist eine unverhältnismäßig hohe Erbschaftssteuer. Dies entspricht nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 GG und schon gar nicht dem Urteilstenor des Bundesverfassungsgerichtes, das zur Sicherung der Arbeitsplätze eine Gefährdung der Unternehmen durch die Erbschaftssteuer vermieden sehen will. Um Unternehmen realistisch zu bewerten, sollte ein Wert von dem sechs bis neunfachen des Jahresertrages zur Bemessungsgrundlage genommen werden und nicht das 18-fache. Zudem droht grundsätzlich durch diese Reform eine überbordende Bürokratie. In den Behörden müssten im Erbschaftsfall aufwändige und komplexe Prüfverfahren durchgeführt werden, was einen höheren Personalaufwand für Behörden bedeutet. Dies ist vor dem Hintergrund der nahenden Schuldenbremse besonders für die Landespolitik kompliziert.“

BWHT-Präsident Joachim Möhrle betont: „Leider bleibt die nun im Raum stehende Grenze bei zu verschonenden Kleinbetrieben unter den beispielsweise vom baden-württembergischen Finanzminister Schmid oder auch der CDU-Fraktion im Land ins Spiel gebrachten fünf Mitarbeitern. Problematisch ist, dass nach Kopfzahlen statt nach Vollzeitäquivalenten gemessen wird. Betriebe mit hohem Teilzeitanteil sind dadurch im Nachteil. Ich fordere daher, die abgeschwächte Lohnsummenregel auch auf Betriebe zwischen zehn und 15 Beschäftigten anzuwenden. Außerdem sehe ich kritisch, dass die nun strengeren Nachweispflichten in vielen Fällen zu einem höheren bürokratischen Aufwand führen. Auch ist zentral, dass das individuelle Unternehmensrisiko in die Bewertung des Unternehmenswerts einbezogen wird. Die Risiken, denen ein Startup ausgesetzt ist, sind anders geartete als bei einem großen Familienunternehmen.

LVI-Präsident Dr. Hans-Eberhard Koch gibt zu bedenken: „Weder das Bundesverfassungsgericht noch der Gesetzgeber berücksichtigen tatsächlich die Lebenswirklichkeit der Familienunternehmen in Baden-Württemberg. Ein Erbfall löst bei hohem Betriebsvermögen Zahlungsverpflichtungen aus, die nicht der Liquidität der Familienunternehmer entsprechen. Gerade bei großen, Familienunternehmen, aber auch bei vielen kleineren Mittelständlern, die bei einem Betriebsvermögen von 20 Mio. Euro bereits betroffen wären, ist zwar der Fallbeileffekt ausgeschlossen; das Problem der Abgrenzung bleibt bei einer Freigrenze indes bestehen. Die Effekte dieser Abgrenzung können im Einzelfall zu dramatischen Konsequenzen führen — die Industrie rät dringend zu einer Ausgestaltung als Freibetrag statt einer Freigrenze. Es ist jedoch zu begrüßen, dass alternativ zur Verschonungsprüfung optional eine gestaffelte Reduzierung des Verschonungsabschlags abhängig von der Höhe des ererbten Betriebsvermögens aufgenommen werden soll. Jedoch ist dieser gestaffelte Deckelungswert zu gering. Die Staffelung zieht die Grenze bereits bei 110 Mio. Euro. Ich schlage daher vor, dass die Grenze wesentlich höher gesetzt und dass der Deckelungswert des Abschlags erhöht wird. So könnte z. B. die Grenze auf 200 Mio. Euro angehoben werden und der Deckelungswert bei der Vollverschonung bei 70, bei der Regelverschonung bei 60 Prozent liegen.“

PM

 

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