Nachdem der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) am Freitag die Ergebnisse einer deutschlandweiten Befragung zur neuen EU-Verordnung zu Medizinprodukten (MDR) vorgestellt hat, liegen nun die Resultate für Baden-Württemberg vor. Dazu merkt Christian O. Erbe, Vizepräsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), an: „Die überwiegend kleinen und mittleren Unternehmen, die in Baden-Württemberg Medizinprodukte herstellen, werden durch die politischen Vorgaben der EU-Verordnung zu Medizinprodukten massiv in ihrer Entwicklung behindert, zum Teil sogar in ihrer Existenz bedroht.“ Keine guten Nachrichten also, die der Gesamtverantwortliche für die Unternehmensgruppe Erbe Elektromedizin GmbH in Tübingen hier vermelden kann.
Die am ersten Februar veröffentlichten Zahlen der Umfrage des DIHK und des Medizintechnik-Industrieverbandes SPECTARIS zeigten deutliche Unsicherheit, die unter den Unternehmen dieser Vorzeigebranche des Landes herrscht. Diese ist auch in Baden-Württemberg besonders spürbar: Von den 101 Betrieben, die aus Baden-Württemberg an der Umfrage teilgenommen haben, sind 96 Betriebe von der MDR betroffen. Die unklare Rechtslage in vielen Bereichen und die zu kurzen Übergangsfristen werden dabei von rund 70 Prozent der Betriebe als große Probleme genannt. Fast gleichhoch liegt der Anteil der Unternehmen, die die Zertifizierungskosten und die personellen Ressourcen im Bereich Regulatory Affairs als große oder sehr große Probleme sehen. So ist etwa bei der Herstellung von wiederverwendbaren chirurgischen Instrumenten, wie sie bspw. im Cluster Tuttlingen in großer Zahl produziert werden, für alle Angaben zur Wiederaufbereitung der Instrumente nunmehr ebenfalls eine ‚benannte Stelle‘ hinzuzuziehen. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen gerade für KMU sind, dass sie innovative Produkte nur noch mit stark erhöhtem Aufwand in den Markt bringen können. Rund 40 Prozent der aus Baden-Württemberg an der Umfrage beteiligten Medizintechnikunternehmen sehen sich durch die MDR sogar in ihrer Existenz gefährdet.
„Nichts ist für Unternehmen hemmender als ein unsicheres Umfeld. Und um dieses zu beseitigen ist die Politik gefordert. Dabei würde es vielen Betrieben in einem ersten Schritt weiterhelfen, die zum Teil kurzen Übergangsfristen zu verlängern. Aber auch ein Bestandsschutz für am Markt bewährte Altprodukte und Sonderregelungen für Nischenprodukte mit geringen Fallzahlen wären hilfreich, um Patienten auch weiterhin mit guten und innovativen Produkten versorgen zu können“, betont Erbe abschließend.
Medizintechnik in Baden-Württemberg – europaweit führender Standort
Im Rahmen einer statistischen Auswertung der BIOPRO Baden-Württemberg GmbH und des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg im Jahr 2018 konnten die Kennzahlen von 799 der 840 Medizintechnik-Unternehmen für das Jahr 2016 ausgewertet werden:
• Die Unternehmen erwirtschafteten mit 48.817 Mitarbeitern einen steuerbaren Umsatz
von 13,0 Mrd. Euro.
• Rund Hälfte der Unternehmen beschäftigen weniger als 10 Mitarbeiter; diese
generieren 2 % vom steuerbaren Umsatz.
• Ein Drittel der Unternehmen beschäftigen zwischen 10 und 49 Mitarbeiter.
• 32 Unternehmen (4 %) haben 250 und mehr Mitarbeiter; diese erwirtschaften 8,9 Mrd.
Euro (69 % vom steuerbaren Umsatz).
• Die größte Konzentration an Medizintechnik-Unternehmen ist in der Region
Schwarzwald-Baar-Heuberg mit dem Zentrum Tuttlingen zu finden.
Die Medizintechnik in Baden-Württemberg ist eine traditionsreiche und zugleich sehr innovative Branche. Kleinst- und Kleinunternehmen bilden die Mehrheit. Überdies profitiert die Branche von der Vernetzung mit einer gut aufgestellten Biotechnologie und pharmazeutischen Industrie im Land. Daneben ist Baden-Württemberg ein Standort für große Unternehmen wie Aesculap/B. Braun Melsungen, Bruker BioSpin oder STRATEC Biomedical.
Die Forschungslandschaft in Baden-Württemberg ist mit vier Universitätskliniken und einer Vielzahl wirtschaftsnaher Forschungseinrichtungen gut aufgestellt. Zu den wichtigsten und renommiertesten Einrichtungen zählen das Deutsche Krebsforschungszentrum Heidelberg, das Europäische Molekularbiologische Laboratorium und die vier medizinisch ausgerichteten Max-Planck-Institute. Eine besondere Rolle nimmt die Landesgesellschaft BIOPRO ein, die als Innovationstreiber die landesweite Vernetzung der Gesundheitsindustrie unterstützt.
PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag