Wir reisen und überqueren dabei Landesgrenzen, wir surfen unbegrenzt im Netz: Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens in Anspruch zu nehmen, das seinen Sitz in einem anderen EU-Land hat, wird immer gewöhnlicher. Was tun, wenn es da zu einem Streitfall kommt? Wenn der Unternehmer aus dem Ausland sich weigert, seine Verpflichtungen mir gegenüber zu erfüllen, obwohl ich bereits vor einem deutschen Gericht Recht bekommen habe? Gerichtsurteile grenzüberschreitend geltend zu machen stellt häufig ein großes Hindernis dar, sowohl für Verbraucher als auch für Rechtsanwender. Das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e. V. (ZEV), die Verbraucherzentrale Brandenburg und die polnische Verbraucherorganisation Federacja Konsumentów veröffentlichen zwei praktische Ratgeber über mögliche Vorgehensweisen.
Ein ambitioniertes Projekt für die grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung
In der Praxis ist es nicht einfach, in einem anderen Land an sein Recht zu kommen. Viele Verbraucher, die sich in einem Rechtsstreit mit einem ausländischen Unternehmen befinden, schrecken aufgrund fehlender Informationen und aufgrund der Komplexität eines grenzüberschreitenden Vollstreckungsverfahrens davor zurück, ihre Rechte in einem anderen EU-Mitgliedstaat geltend zu machen. Sie sehen sich konfrontiert mit Sprachbarrieren, Unklarheit über anfallende Kosten und verschiedenen rechtlichen Fragestellungen.
Das europäische Projekt Redress 17, das von der Verbraucherzentrale Brandenburg getragen wird und an dem das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz sowie die Federacja Konsumentów als Projektpartner beteiligt sind, setzt eben hier an. Es beschäftigt sich mit der Vollstreckung von Urteilen im Rahmen von grenzüberschreitenden Verbraucherstreitigkeiten. Ziel des Projekts war eine Bestandsaufnahme des Rechts und der Praxis in Deutschland, Frankreich und Polen, besonders in den Grenzregionen. Anschließend wurden Hindernisse sowie Best Practice- Beispiele identifiziert, um auf nationaler und europäischer Ebene Verbesserungsvorschläge formulieren zu können. Nach zweijähriger Arbeit führen die drei Projektpartner eine Informationskampagne durch, um die Ergebnisse bekannt zu machen.
Online-Ratgeber mit Tipps und Lösungen für alle Beteiligten
Auf der Internetseite des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz (www.cec-zev.eu) finden Interessierte zwei kostenlose Wegweiser: einen für Verbraucher und einen für Rechtsanwender. Die deutsche Version wurde von der Verbraucherzentrale Brandenburg erstellt, die französische vom Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz. Beide Ratgeber, die praktische Ratschläge und nützliche Kontakte enthalten, ermöglichen es Verbrauchern sowie Rechtsanwendern, den Ablauf einer grenzüberschreitenden Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen besser zu verstehen. Illustriert werden die Ratgeber von konkreten Beispielen: der Vollstreckung eines Urteils in Deutschland, Frankreich und Polen.
Tatsächlich sind Vollstreckungsverfahren in Europa (noch) nicht harmonisiert und unterliegen dem nationalen Recht des Vollstreckungslandes. Die vereinfachten europäischen Gerichtsverfahren (das europäische Mahnverfahren und das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen beziehungsweise „Small Claims-Verfahren“) werden in den Veröffentlichungen in den Vordergrund gestellt, da sie sich für Verbraucherstreitigkeiten besonders eignen.
Gleichzeitig geben das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz und die Projektpartner Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten und an die Europäische Kommission heraus, zum Beispiel:
- die Einführung einer einheitlichen europäischen Bescheinigung für Urteile, die in anderen EU-Mitgliedstaaten vollstreckt werden sollen oder
- eindeutige Vorschriften, wann die Übersetzung eines Gerichtsurteils für die Vollstreckung im EU-Ausland notwendig ist.
PM Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e.V.