Auf der GlobalConnect 2018 werden brennende politische und wirtschaftliche Fragen erörtert
„EU – USA – China. Handelspolitik im globalen Mächte-Dreieck“, lautete der Titel einer prominent besetzten Podiumsdiskussion zur Eröffnung der GlobalConnect 2018 am Dienstag in Stuttgart. Angesichts der jüngsten Entwicklungen im transatlantischen Verhältnis gilt das Forum für Export und Internationalisierung auch in diesem Jahr als wichtige weltpolitische Plattform. Die Teilnehmer der Gesprächsrunde waren sich einig: Nur ein geschlossen handelndes Europa kann die Herausforderungen der nahen Zukunft meistern.
Hoffmeister-Kraut: „Kühlen Kopf bewahren“
„Wenn es einen richtigen Zeitpunkt für die GlobalConnect gibt, dann wohl wahrlich jetzt“, sagte Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg sowie stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Landesmesse Stuttgart GmbH, in ihrer Begrüßungsansprache. Die GlobalConnect setze „ein wichtiges Signal für unser Bundesland, für Deutschland, für Europa“, ein Zeichen für „wirtschaftlichen Austausch, offene Märkte und Kommunikation auf Augenhöhe“. Das weltpolitische Klima sei derzeit von enormen Unsicherheiten geprägt, die das exportstarke Baden-Württemberg in besonderer Weise beträfen. Insbesondere eine Eskalation des Handelsstreits mit den USA könne verheerende Folgen für die hiesige Automobilindustrie nach sich ziehen. „Wir Europäer sollten weiterhin kühlen Kopf bewahren und uns unserer eigenen Stärken als eine der größten Volkswirtschaften der Welt bewusst werden. Krisen können auch Chancen sein!“
Kretschmann: „Europäischen Motor wieder anspringen lassen“
Dem pflichtete der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, gerne bei. Insbesondere biete „die Krise, in der die Kanzlerin steckt“ eine Chance, „dass es endlich vorangeht mit Frankreich“, kommentierte er das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron auf Schloss Merseburg. „Nur Frankreich und Deutschland können den europäischen Motor wieder anspringen lassen.“ Von den USA verhängte Strafzölle auf deutsche Automobile würden gerade Baden-Württemberg treffen, daher sei es umso wichtiger, dass verspieltes Vertrauen auch im Inland aktiv zurückgewonnen und noch stärker in Innovation, Forschung und Entwicklung investiert werde. Man müsse „den Blick in die Zukunft richten, anstatt ewig in den Schleifen der Vergangenheitsbewältigung herumzuturnen. Ob sich schwarze Prophetie bewahrheitet, liegt an uns selbst. Man muss offen sein für das Neue und darf sich nicht auf vollen Auftragsbüchern ausruhen.“
Mattes: „US-amerikanischen Markt nicht abschreiben“
Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), unterstrich die große Bedeutung des US-amerikanischen Marktes für die deutsche Automobilindustrie, „auch als Produktions- und Exportstandort“. Somit trage die deutsche Automobilindustrie „zu Wohlstand und Arbeitsplätzen in den USA bei“. Die Stärken der deutschen Autobauer lägen in Innovationskraft und Internationalisierung – Tugenden, mit denen letztlich auch der Dieselskandal überwunden werden könne. Man stehe dazu, „Probleme zu lösen. Ich bin sicher, dass sich die deutsche Automobilindustrie auch in Zukunft behaupten wird. Wir treten für einen barrierefreien, fairen Handel ein. Nur wegen Strafzöllen schreiben wir den US-amerikanischen Markt nicht ab.“
Sportolari: „Aktionen schaden uns allen“
Das hofft auch Frank Sportolari von der AmCham Germany. Als Präsident der ältesten bilateralen Handelsorganisation Deutschlands warnte er vor einer Eskalation des Handelskonflikts und mahnte zur Umsicht: „Wir stehen vor einer Herausforderung, die niemand erwartet hatte, auch noch vor einem Jahr nicht. Ich denke, die Zölle auf Automobile werden kommen, andererseits ist Trump in der Lage, seine Meinung schnell zu ändern.“ Europa, vor allem Deutschland, habe gegenüber den USA große Exportüberschüsse – jedoch nicht, was Dienstleistungen, künstliche Intelligenz oder digitale Technologien anbelange: „Apple, UPS oder Microsoft machen alle viel Geld in Europa.“ Beziehe man diese Bereiche in die Rechnung mit ein, „sieht es so aus, als hätten die USA sogar einen leichten Vorteil. Für uns ist Deutschland der zweitgrößte Markt. Diese ganzen Aktionen“ – womit nicht zuletzt auch Vergeltungsmaßnahmen der EU gemeint waren – „schaden uns allen.“
Fischer: „Keine Nabelschau betreiben“
Joschka Fischer, ehemaliger Vizekanzler und Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, redete all jenen ins Gewissen, die in Zeiten einer sich wandelnden Weltordnung vorrangig um die eigenen Probleme kreisen. Man dürfe sich „keine Nabelschau“ erlauben. „Deutschland, in der Mitte von Europa gelegen, lebt von Europa. Wir sind als relativ kleines Land ein ökonomischer Riese, aber politisch zwergenhaft.“ Die Welt befinde sich „in einer Übergangsphase, in der kein Stein auf dem anderen bleiben wird“. Deutschland dürfe seine machtpolitische Situation nicht überschätzen; gleichzeitig müsse Europa eine Abhängigkeit von China vermeiden, das weltweit „strategisch denkt und handelt“. Ein in sich zerstrittenes Europa könne abgehängt werden. „Es gibt keine zweite Chance. Dann wird Europa ein Museum, ein zweites Venedig.“ Aggressive Töne aus dem Weißen Haus seien ebenfalls sehr ernst zu nehmen: „Es wird sogar noch heißer gelöffelt als gekocht.“ Was etwa die Strafzölle betreffe, müsse man vom „Worst Case“ ausgehen. „Die Selbstverständlichkeit, dass Amerika für unsere Interessen da ist, auch für unsere Sicherheit, ist vorbei“, betonte Fischer und kritisierte an dieser Stelle nachdrücklich die mangelnde Einsatzfähigkeit der Bundeswehr. „Das können wir uns als zentrales Land in Europa nicht erlauben. Es geht um unsere Sicherheit in einer unsicheren Welt.“ Die auf Schloss Merseburg umrissene, engere Zusammenarbeit mit Frankreich beurteilte Fischer daher äußerst positiv. In einer „neuen Welt“ müsse Europa „stark genug sein, seine Interessen durchzusetzen. Das ist eine Frage der eigenen Integration.“
PM Messe Stuttgart